Bambus ist nachhaltig und Avocados sind CO2-Sünder? - Das schmutzige E-Auto, die böse Avocado? Sechs Klima-Mythen im Check

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Bambus-Produkte sind nachhaltig, Avocados haben eine schlechte CO2-Bilanz und Milchalternativen sind besser für die Umwelt? FOCUS online Earth überprüft die verbreitete Annahmen zur Nachhaltigkeit und zeigt, was davon Mythos und was Wahrheit ist.

1. Mythos oder Wahrheit? Bambus-Produkte sind nachhaltig

Ob bei Wattestäbchen, Geschirr oder Zahnbürsten: Bambus gilt als nachhaltige, da schnell nachwachsende, Alternative zu Kunststoff. Das Süßgras stammt meist aus Asien und bindet dort bis zu 4x mehr CO2 als etwa Eichen, wie GEO berichtet. So weit, so klimafreundlich. Wo Sie genauer hinschauen sollten: Oft enthält Bambusware Kunststoffe wie Melaminharz oder Harnstoff-Formaldehydsalze. Diese sorgen für Stabilität, sind aber biologisch nicht abbaubar und laut Verbraucherzentrale gesundheitsschädlich. Optisch unterscheidet sich reines Bambus-Holz durch seine Faserstruktur von Bambus-Harz-Mischungen, die keine Maserung haben.

2. Avocados haben eine schlechte CO2-Bilanz

Die Avocado gilt durch ihren hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren sowie Kalium als wahres „Superfood“. Blickt man auf die Ökobilanz der Frucht, zeigt sich aber: Sie benötigt relativ viel Wasser (etwa 1000 l/kg), wie ecodemy.de berichtet. Dazu hat die Frucht meist eine lange Schiffs-/Flugreise hinter sich. Experten empfehlen, die sättigenden Inhaltsstoffe dem CO2-Fußabdruck gegenüberzustellen: Pro kg Avocado aus Mexiko werden etwa 1030 g CO2 ausgestoßen. Bei importierten Tomaten sind es 550 g, jedoch enthalten diese kaum Kalorien/Fett, daher wird man weniger schnell davon satt und muss entsprechend mehr essen, berichtet „watson“. Am umweltfreundlichsten ist natürlich, auf regionales Superfood umzusteigen, etwa auf Nüsse, die ebenfalls ungesättigte Fettsäuren enthalten.

3. Kleidung aus recyceltem Plastik hilft den Ozeanen, aber Second-Hand ist besser

Jährlich gelangen mehr als acht Millionen Tonnen Plastik in die Ozeane. Um dem Problem entgegenzuwirken, setzen viele Unternehmen auf das Recycling von Plastikmüll für die Modeproduktion. Dabei wird dieser meist mithilfe von Chemikalien gereinigt, eingeschmolzen und zu Fasern versponnen. Zwar ist jedes Kilo Plastik weniger im Meer gut für die Umwelt, allerdings steckt hinter der Verarbeitung ein hoher Energie- und Ressourcenaufwand. Ein Experte für textile Verfahrenstechnik betont im Interview mit Utopia, dass Kleidung aus recyceltem Plastik mit den aktuellen Vorgehensweisen daher noch keine gute Umweltbilanz hätte. Besser sei, auf langlebige sowie Second-Hand-Kleidung zu setzen.

4. E-Autos sind aufgrund der Batterien umweltschädlich

Elektroautos gelten als Hoffnungsträger in der Mobilitätsbranche, wenn es um den Klimaschutz geht. Kritiker führen als Argument gegen E-Autos häufig die fragwürdige Wiederverwertung der Batterien an. Die EU hat bereits Recycling-Quoten für Alt-Akkus vorgeschrieben: Nickel und Kobalt müssen ab 2027 zu 90 Prozent wiederverwertet werden, Lithium zu 50 Prozent. Laut einer Studie der RWTH Aachen wird der Ausbau von Recyclingwerken mehrere Mrd. Euro kosten, die Recyclingkapazitäten sollten bis spätestens 2035 dann jedoch ausreichen.

Ein Blick auf den CO2-Ausstoß zeigt: Ein Benziner verbrauchte im Jahr 2020 inklusive Produktion, Wartung, Entsorgung, Fahrbetrieb und Energiebereitstellung 233 g CO2 pro km. Beim Diesel waren es 212 g. Elektroautos verbuchten 162 g, berichtet das Bundesministerium für Umwelt.

5. Milchalternativen sind besser für die Umwelt

Massentierhaltung, industrielle Landwirtschaft, Futtermittelproduktion: Die Herstellung von einem Liter Kuhmilch hat im weltweiten Durchschnitt einen ähnlichen CO2-Fußabdruck wie die Verbrennung von einem Liter Benzin (2,4 kg CO2), schreibt die Albert-Schweitzer-Stiftung. Aber sind Alternativen wie Soja-, Hafer- oder Mandelmilch wirklich die umweltfreundlichere Wahl?

Sojamilch ist in Europa die beliebteste pflanzliche Milchalternative. In Südamerika birgt der Sojaanbau ökologische Probleme. Wer aber auf Sojamilch aus Europa zurückgreift, tut der Umwelt tatsächlich etwas Gutes: Sie verursacht 75 % weniger Treibhausgase als Kuhmilch. Ähnliches gilt für Hafermilch, die dank heimischem Anbau besonders umweltfreundlich ist (60 % weniger CO2). Reis- und Mandelmilch dagegen weisen eine weniger positive Umweltbilanz auf – vor allem aufgrund des hohen Wasserverbrauchs beim Anbau (90 % weniger CO2, aber 17 Mal so viel Wasser).

6. Allein kann man nichts gegen den Klimawandel tun

Auf Fleisch verzichten, nicht fliegen, kein Plastik verwenden: Durchschnittlich beträgt der CO2-Fußabdruck pro Person in Deutschland pro Jahr knapp 10 Tonnen. Wer individuelle Klimaschutzmaßnahmen ergreift, kann diesen zwar senken. Eine Reduktion auf 2,5 Tonnen, die für ein Gegensteuern zum Klimawandel notwendig wäre, schaffen aber die wenigsten.

Aber: Hauptverursacher für den größten Anteil an CO2 sind nach wie vor Unternehmen. Experten empfehlen, hier anzusetzen. Sozialpsychologe Immo Fritsche betont gegenüber Deutschlandfunk: „Die Psychologie des Umweltschutzes konzentriert sich mittlerweile viel mehr auch auf politisches Handeln von Einzelnen.“ Man solle sich nicht nur auf den eigenen Konsum konzentrieren, sondern darauf, Veränderungen auf politischer und gesellschaftlicher Ebene herbeizuführen. Menschen, die sich gemeinsam Konzernen und Politik in den Weg stellen, können nachhaltig einen positiven Einfluss auf den Klimawandel haben.