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Bei Bayern gescheitert, jetzt Held: So tickt Richter

Im Land der Kaffeespezialitäten durfte sich Marco Richter sein Lieblingsgetränk gönnen.

"Er sagt selbst über sich, dass er ein Genießertyp ist und gern Cappuccino trinkt. Nach dem Spiel kann er einen oder zwei mehr trinken", sagte Maximilian Eggestein auf SPORT1-Nachfrage über seinen Teamkollegen.

Zum Auftakt der UEFA U21 EM 2019 (zahlreiche Spiele LIVE im TV auf SPORT1) im italienischen Udine schoss sich Richter in die Herzen der deutschen Fans und bescherte dem Titelverteidiger beim 3:1 gegen Dänemark einen perfekten Auftakt.

"Wir hatten heute einen überragenden Marco Richter. Wer zwei Tore schießt und eine Vorlage macht, dem gehört die Aufmerksamkeit", schwärmte Benjamin Henrichs, der auf der linken Seite mit dem flinken Dribbler ein brandgefährliches Duo bildete.

Sieben Tore in einem Spiel

Nicht Moise Kean, Luka Jovic oder Jakob Bruun Larsen dominieren die Schlagzeilen nach dem Auftakt der Junioren-Europameisterschaft, sondern der Augsburger Marco Richter. (Spielplan und Ergebnisse der U21-EM)

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Dabei war mit diesem kometenhaften Aufstieg lange nicht zu rechnen. Nach acht Jahren in der Jugend-Abteilung des FC Bayern wechselte das Talent 2012 mit 14 Jahren in den FCA-Nachwuchs. In München hatten sie ihm - auch wegen seines nicht immer professionellen Verhaltens - den Durchbruch nicht mehr zugetraut.

Beim FCA geriet der gelernte Stürmer erstmals 2016 in die Schlagzeilen, als er in der zweiten Mannschaft sieben Tore in einem Spiel der Regionalliga Bayern schoss. Beim DFB blieb der Youngster aber unter dem Radar. Vor seiner erstmaligen Berufung in die U21 spielte er lediglich einmal für Deutschland in der U20-Nationalmannschaft.

Durchbruch nach Baums Entlassung

Richter war lange Zeit ein schlampiges Talent. Damit er am Morgen zehn Minuten länger schlafen konnte, verzichtete er meist komplett auf das Frühstücken.

Erst seit einem halben Jahr arbeitet der 21-Jährige mit einem Ernährungsberater zusammen, auch die Arbeit im Fitnessstudio vernachlässigte er früher gerne. Weil er sein Trikot einmal nicht in die dazugehörige Tasche gelegt hatte, veranlasste der Zeugwart, dass er ein U23-Spiel in ungewaschenen Klamotten spielen musste. (Statistiken der U21-Europameisterschaft)

"Er hat sich das total erarbeitet. Er hat an der körperlichen Fitness gearbeitet, das war auch nicht leicht", meinte sein U21-Trainer Stefan Kuntz nach Richters Gala gegen Dänemark.

Sein größter Förderer arbeitet künftig ebenfalls für den DFB, Manuel Baum ist ab Juli für die U20-Nationalmannschaft zuständig. Beim FCA prägte der frühere Nachwuchschef und Trainer des Bundesligisten den Weg Richters, der sich über die Jugend und zweite Mannschaft zu den Profis hocharbeitete. Kurioserweise gelang der Durchbruch des Offensivspielers erst nach Baums Entlassung im April.

Nachdem ihm zuvor in 19 Saisonspielen kein Tor gelungen war, platzte im ersten Spiel unter Baums Nachfolger Martin Schmidt der Knoten: Sowohl gegen Eintracht Frankfurt (3:1) als auch im folgenden Spiel gegen den VfB Stuttgart (6:0) traf der in der Nähe von Augsburg geborene Richter doppelt und sorgte dafür, dass der FCA früher als gedacht den Klassenerhalt schaffte.

Kuntz lobt "Bolzplatzmentalität"

Sein erstes Bundesliga-Tor hatte Richter im Februar 2018 ebenfalls gegen Frankfurt erzielt, die folgenden drei Spiele verpasste er wegen einer Innenbandverletzung - die er sich beim Jubeln auf den Knien zugezogen hatte. Richter musste auch wegen solcher Episoden lange auf seinen Durchbruch warten. Seit Schmidts Dienstantritt befindet sich das offensiv flexibel einsetzbare Talent aber in Topform.

Kuntz lobte: "Er hat in den letzten Spielen mit Augsburg überragend gespielt und ist topfit in die Vorbereitung gekommen." Den durchaus überraschenden Platz in der Startelf" hat er nicht geschenkt bekommen", sagte der U21-Coach am Dienstagabend und lobte Richters "Bolzplatzmentalität".

U21-Kapitän Jonathan Tah berichtete nach dem Spiel, dass er den schnellen und wendigen Richter "in der Bundesliga nicht als Gegenspieler" mag. "Und er hat auch nach hinten brutal viel gearbeitet."

Trotz Vertrags bis 2023 könnten nach der Leistung zum EM-Auftakt bald größere Klubs bei Richter anklopfen. Für diesen Fall sorgte der FCA bereits vor, am Dienstagvormittag gaben die bayerischen Schwaben die Verpflichtung von Ruben Vargas (FC Luzern) bekannt. Der Schweizer ist ebenso wie Richter auf beiden Flügeln einsetzbar und könnte ihn bei einem Abgang im Sommer beerben.

Richter will "den Pokal hochhalten"

Richter selbst genoss den plötzlichen Hype sichtlich, blieb aber auf dem Boden.

"Das ist ein überragendes Gefühl, so wollen wir weiter machen. Wir haben eine extrem hohe Qualität in unseren Reihen, jede Position ist doppelt besetzt. Es zeichnet uns aus, dass wir ein extrem geiles Team sind und ich freue mich einfach, meine Freunde hier zu sehen."

Das Ziel hat er dabei klar im Blick. "Ich will weiter Tore erzielen und am Ende den Pokal hochhalten."