Wieso die Bayern diesmal bereit sind für Ronaldos Real

Mats Hummels (2.v.l.) muss mit dem FC Bayern Cristiano Ronaldo (2.v.r.) und Co. bremsen

Auch Jupp Heynckes kennt die alte Fußballer-Weisheit: Offensive gewinnt Spiele, Defensive gewinnt Titel.

Daher sagte der Trainer des FC Bayern auch vor dem Halbfinal-Kracher am Mittwoch (ab 20.45 Uhr im LIVETICKER) gegen Real Madrid: "Die Champions League holt die Mannschaft, die am homogensten ist."

Gleich nach seiner Rückkehr im letzten Oktober hatte sich der Routinier daran gemacht, die verunsicherte und formschwache Abwehr zu stabilisieren. Das gelang in der Bundesliga bei gerade mal 22 Gegentoren überzeugend, auch im DFB-Pokal zogen die Münchner ins Finale ein und stehen in der Königsklasse unter den letzten vier Teams.

Bayern gegen offensivstarke Teams anfällig

Allerdings ist der Rekordmeister vor allem gegen etwas offensivstärkere Gegner anfällig. Gegen Leverkusen waren es im Pokal-Halbfinale zwei Gegentreffer, in den acht Champions-League-Partien unter Heynckes stand nur dreimal die Null. Dass in David Alaba nun auch noch eine Stammkraft in der Defensive ausfällt, ist daher auf den ersten Blick ein kleiner Schock.

Gerade bei schnellen Gegenstößen kamen die Bayern selbst gegen Bundesliga-Kellerkinder wie Köln oder Hannover immer wieder ins Schwimmen, konnten sich zudem wie in Leverkusen oft beim stark reagierenden Sven Ulreich bedanken.

Hoeneß hofft auf Spiel ohne Gegentor

Auch mit Blick auf die sechs Real-Tore in den letzten zwei Heimspielen in der Allianz Arena (1:2/2017 und 0:4/2014) und die geballte Offensiv-Power der Königlichen mit Torjäger Cristiano Ronaldo klingt der Wunsch von Uli Hoeneß deshalb eher unrealistisch.

"Wir müssen versuchen, am Mittwoch ein gutes Ergebnis zu erzielen, möglichst ohne Gegentor", hatte der Präsident gesagt.

So wie in der Triple-Saison 2012/13, als der FCB im Viertelfinale gegen Juventus und im Halbfinale gegen den FC Barcelona in allen vier Spielen ohne Gegentor blieb (bei 11:0 Treffern) und Manuel Neuer im Endspiel gegen Dortmund nur durch einen Elfmeter von Ilkay Gündogan bezwungen werden konnte.

In dieser Spielzeit fehlt Neuer seit September, doch Ersatzmann Ulreich hat sich mit herausragenden Leistungen zur absoluten Stütze der Mannschaft entwickelt.

Boateng wieder in Topform

Und auch die Spieler vor ihm zeigten sich zuletzt deutlich verbessert - vor allem das Innenverteidiger-Duo Mats Hummels und Jerome Boateng, das nach vielen körperlichen Problemen wieder auf dem Weg zu alter Stärke ist.

So lieferte Boateng im Pokal in Leverkusen einen glänzenden Auftritt ab und wirkt rechtzeitig zum Endspurt spritzig und schnell wie seit Monaten nicht. "Ich bin wieder in Topform - so wie 2013. Der Trainer hat mir seit Herbst viel geholfen", sagte der 29-Jährige auf der Pressekonferenz am Dienstag.

"Im Oktober war Jerome nicht fit und verletzungsanfällig. Darum haben wir an seiner Physis gearbeitet und viel mit ihm gesprochen", berichtete Heynckes: "Jetzt hat er fast wieder die Topform, die er 2013 hatte. Jerome ist unheimlich leistungsstark und ein Leader der Mannschaft. Er geht vorneweg. Mit solchen Spielern kann man die Champions League gewinnen."

Nagelprobe für Kimmich - Rafinha für Alaba

Ein weiterer wichtiger Baustein für den Erfolg war die Verschiebung von Javi Martinez ins defensive Mittelfeld, wo der Spanier unfassbar viele Lücken stopft und damit mindestens genauso wichtig ist wie beim Triumph vor fünf Jahren auf derselben Position.

Eine echte Nagelprobe wird das Kräftemessen mit Real für die Außenverteidiger: Joshua Kimmich (23) hat unbestritten Riesenpotenzial, doch abgesehen von PSG bekommt er es nun erstmals in dieser Saison mit einer gegnerischen Weltklasse-Offensive zu tun - und Gegenüber Alaba auf der linken Seite fällt für das Duell mit Real wegen anhaltender Oberschenkelprobleme aus.

Was angesichts der aktuellen Topform seines brasilianischen Ersatzmannes Rafinha vermutlich jedoch keine Schwächung ist. "Rafinha hat mein vollstes Vertrauen", betonte Heynckes.

Babbel glaubt an FC Bayern

Ohnehin sind sich zumindest die deutschen Experten einig, dass die Hintermannschaft der Bayern den Königlichen gewachsen ist.

"Die Defensive ist definitiv stabil genug. Mit dieser Viererkette plus Javi Martinez davor gibt es nichts Besseres", sagte der frühere FCB-Verteidiger und Nationalspieler Markus Babbel dem kicker.

Ein Fragezeichen setzte er jedoch hinter die Abwehrbemühungen der Offensivspieler um James Rodriguez, Thiago oder Franck Ribery: "Die große Frage ist: Inwieweit helfen die anderen mit nach hinten? Es geht um die Balance. Die Viererkette allein kann die Real-Offensive nicht aufhalten. Wenn drei, vier Mann im vollen Tempo anstürmen, bekommen selbst Boateng und Hummels Probleme."

Vor allem, wenn einer davon Cristiano Ronaldo heißt.