„Missverständlich und unpräzise formuliert“ - Abschiebe-Brief an Polizei sorgt für Wirbel - jetzt meldet sich das Ministerium
Aus einer Anweisung an die Bundespolizei am Flughafen Düsseldorf geht hervor, dass Personen, die ihre Abschiebung verweigern, auf freien Fuß gesetzt werden können. Ein Beamter ist fassungslos und spricht von „bürokratischem Wahnsinn“. Nun meldet sich das Innenministerium zu Wort.
Am Flughafen in Düsseldorf sollte ein 38-Jähriger aus der Elfenbeinküste abgeschoben werden. Auf dem Weg zum Flugzeug griff er zwei Polizisten an und verletzte sie so schwer, dass sie ins Krankenhaus gebracht werden mussten. Es war nicht das erste Mal, dass er sich gegen die Abschiebung gewehrt hatte - trotzdem durfte er einfach in Deutschland bleiben.
Brief zeigt eindeutige Anweisung an Polizisten
Denn aus einer Dienstanweisung der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen an die Bundespolizei am Flughafen Düsseldorf, die der „ Bild “ vorliegt, geht hervor: „Wenn sich der Betroffene weigert in das Flugzeug zu steigen bzw. auf eine andere Art versucht, sich der Abschiebung zu widersetzen (aktiver/passiver Widerstand), kann dieser auf freien Fuß gesetzt werden und eigenständig zu der ihm zugewiesenen Unterkunft zurückreisen.“ Bei einem „Scheitern der Abschiebung“ werde die Bundespolizei darum gebeten, „die Abschiebeunterlagen an die zuständige Ausländerbehörde zu versenden“.
Behörde nicht befugt, eine solche Weisung zu erteilen
Die niedersächsische Landesaufnahmebehörde in Braunschweig teilte auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur mit, das interne Schreiben sei „leider ausgesprochen missverständlich und unpräzise formuliert“. Es sei in dieser Form in der Regel nicht verwendet worden und werde ab sofort nicht mehr genutzt. Dass es so an die Bundespolizei übersandt wurde, sei ein bedauerlicher Einzelfall.
„Es handelt sich ausdrücklich nicht um eine Weisung, grundsätzlich Personen auf freien Fuß zu setzen, die sich gegen ihre Abschiebung wehren“, stellte eine Sprecherin klar. Die Behörde sei auch überhaupt nicht befugt, eine solche Weisung zu erteilen.
Dem Schreiben liegt nach Angaben der Landesaufnahmebehörde eine klare, bundesweit gültige Rechtslage zugrunde. Denn ausreisepflichtige Personen, die in Deutschland frei leben, dürften beim Scheitern ihrer Abschiebung nur dann in Haft genommen werden, wenn es dafür einen richterlichen Beschluss gibt. „Andernfalls müssen sie auf freien Fuß gesetzt und aufgefordert werden, sich eigenständig bei ihrer zuständigen Ausländerbehörde zu melden“, erklärte die Sprecherin.
„Die Bundespolizei vor Ort muss jeweils im Einzelfall entscheiden, ob ein Widerstand von derartigem Gewicht ist, dass ein Haftantrag gestellt werden kann“, hieß es. Aber: „Im Falle von schweren gewalttätigen Widerstandshandlungen, bei denen beispielsweise Polizeibeamte verletzt werden, werden die Verursacher selbstverständlich in Gewahrsam und nach einer entsprechenden richterlichen Entscheidung gegebenenfalls auch in Haft genommen.“ Das entscheide aber die Justiz.
Beamter fassungslos: „Bürokratischer Wahnsinn“, Rechtsstaat „ad absurdum geführt“
Der stellvertretende Vorsitzende der Bundespolizei-Gewerkschaft (DPolG), Manuel Ostermann, sagt der Zeitung, dass der Rechtsstaat damit „ad absurdum geführt“ werde. „Das Ganze wird noch absurder, wenn die gewalttätige Person anschließend auf freiem Fuß belassen wird. Diese Realität zeigt Deutschlands Hilflosigkeit.“ Darunter würden nicht nur die Menschen leiden, die in Deutschland leben, sondern auch seine Kollegen, „die diesen Wahnsinn ausbaden müssen“.
Der Ivorer habe sich laut Ostermann bereits mehrmals der Abschiebung widersetzt. „Genau deshalb mussten wir ihn auf Weisung der Ausländerbehörde absurderweise wieder freilassen. Und nur so konnte er jetzt meine Kollegen angreifen und verletzen.“ Entgegen der Anweisungen aus dem Brief brachten die Polizisten den Mann laut „Bild“ zu einem Haftrichter, der eine Haftstrafe aussprach.
„Mit diesem bürokratischen Wahnsinn klappt es nicht“, schimpft Ostermann. Er fordert „bundeseigene Abschiebehaftplätze, eine Sechs-Monatsfrist in Abschiebehaft zur Passersatzpapierbeschaffung und die Zuständigkeit der Bundespolizei für die Abschiebungen“. Abschiebung sei jedoch ein Thema, um das sich die Bundesregierung „nicht ernsthaft“ kümmern wolle. Auf Ankündigungen würden keine Taten folgen. „Es ist eine erneute Bankrotterklärung“, stellt er frustriert fest.