Beben beim Autobauer - Das größte VW-Problem – und was der Konzern jetzt tun muss
Am gestrigen Montag sorgten nicht allein die wenig überraschenden Wahlergebnisse aus Sachsen und Thüringen für ein Erdbeben, sondern auch in Wolfsburg bebte die Erde gewaltig. Das größte Problem bei VW sind verkrustete Strukturen, die jetzt aufgelöst werden müssen.
Im Video: VW vor Werksschließungen – Analyse zeigt, wie ernst die Lage im Konzern ist
Volkswagen##chartIcon muss sparen – deutlich mehr sparen als ehemals befürchtet. Der größte Autobauer Europas verkündete am gestrigen Tage einen harten Sparkurs. Selbst Werksschließungen und Kündigungen werden mittlerweile nicht mehr ausgeschlossen. So langsam scheinen die Verantwortlichen aufzuwachen. Doch wie kaum anders zu erwarten, kündigten Betriebsrat und Gewerkschaften weder sachlichen Konsens oder Unterstützung, sondern harte Gegenwehr an.
Da die Einflüsse beider Strömungen nicht nur bei der Kernmarke Volkswagen, sondern auch bei den anderen Herstellern im Verbund gigantisch sind, dürften schnelle Erfolge bei den dringend nötigen Kostendämpfungsprogrammen daher kaum zu erwarten sein.
Das größte Problem bei VW sind verkrustete Strukturen
Die Probleme liegen dabei keinesfalls nur in der Kaufzurückhaltung bei Elektroautos oder den jüngsten Umstellungen der großen Werke in Wolfsburg, Emden oder Eisenach. Das größte Problem bei VW sind verkrustete Strukturen, ein ausuferndes Lohnniveau und Entwicklungskosten, über die sich gerade die Konkurrenz aus China, aber auch der Wettbewerb in anderen Ländern, geradezu amüsiert. Bereits der vor zwei Jahren ausgeschiedene Konzern-CEO Herbert Diess hatte – von BMW##chartIcon als harter Sparer bekannt – immer wieder mahnend darauf hingewiesen, dass es innerhalb des Konzerns deutlich zu viele Produktionsstätten gäbe und die gigantische Mitarbeiterzahl von seinerzeit mehr als 650.000 Personen nennenswert reduziert werden müsse. Doch sämtliche Effizienzprogramme wurden immer wieder torpediert und eine Reduzierung der Mitarbeiterzahl sollte, wenn überhaupt, allein durch die demographische Entwicklung erfolgen.
Seit langem steht für die Verantwortlichen jedoch fest, dass dies nicht ausreicht und deutlich härtere Sparmaßnahmen nötig sind, um den VW-Konzern mit seinem Verbund an internationalen Marken wieder in die Spur zu bringen. Viele Jahre konnten die Probleme von zahllosen Modellen, milliardenteuren Entwicklungen und mehr als 100 Produktionsstätten in aller Welt durch gute Verkäufe und insbesondere nennenswerte Erträge kaschiert werden. Doch der Weg in die Elektromobilität ließ die Margen sinken, während zeitgleich die Kosten explodierten. IT-Firmen wie die hauseigene Cariad oder eigene Batteriefabriken brachten Volkswagen derart in Schieflage, dass der Volkswagen nicht nur den Platz eins des größten Autobauers weltweit und auf dem wichtigsten Einzelmarkt in China verlor, sondern nunmehr schmerzhaft aus der Wohlfühlzone gleitet.
Gegenwind zeigt sich in den VW-Kennzahlen
„Im ersten Halbjahr haben wir in der Brand Group Core Fortschritte bei unseren Performance Programmen erzielt. Jedoch gilt trotz aller bereits laufenden Kostensparmaßnahmen: Wir müssen unsere Fixkosten noch weiter senken, um in diesem schwierigen Marktumfeld nachhaltig auf Kurs zu bleiben“, teile Thomas Schäfer, CEO der Kernmarke Volkswagen, bereits Anfang August mit, „der zusätzliche Gegenwind zeigt sich deutlich in unseren Kennzahlen, speziell bei der Marke Volkswagen: In der ersten Jahreshälfte sind die Fixkosten gestiegen - und konnten nicht durch Fahrzeugabsätze und Umsatzerlöse ausgeglichen werden.“
Je höher der Verkauf der Elektromodelle, umso niedriger sind bei Volkswagen ebenso wie bei allen anderen Marken die Margen. Die großen Skaliereffekte, die Volkswagen durch seine Plattformen und nennenswerte Gleichteile mit Marken wie Audi, Skoda oder Seat in die Waagschale werfen kann, bringen zudem nicht jene Erträge, wie noch vor Jahren.
Fertigung bis zu 40 Prozent in Deutschland teurer
Die Fertigung in einem Land wie Deutschland ist zudem je nach Modell um 20 bis 40 Prozent teurer als bei der internationalen Konkurrenz. Insbesondere in China werden die Fahrzeuge hersteller- und markenübergreifend nennenswert günstiger gefertigt. Das gilt auch für Länder wie Südkorea, Japan oder die USA, die allesamt nicht als Niedrigpreisländer in der Wirtschaftswelt bekannt sind. Doch insbesondere das hohe Gehaltsniveau und ausufernde Entwicklungskosten setzen Volkswagen als Großkonzern unter Druck – nicht nur bei den Volumenmarken.
„Die Zahlen der Marke Volkswagen zeigen sehr deutlich: Unsere bisherigen Anstrengungen bei den Kostenreduktionen reichen auch unter Berücksichtigung der Sonderbelastungen derzeit nicht aus. Hohe Fixkosten und Einmaleffekte belasten die Profitabilität deutlich“, unterstreicht Patrik Andreas Mayer, im Markenvorstand von Volkswagen für die Finanzen verantwortlich, „die Maßnahmen des Performance Programmes sind in der Umsetzung, aber wir haben noch einen harten Weg vor uns - und müssen weiterhin konsequent sein, um nachhaltig den finanziellen Spielraum für Zukunftsinvestitionen und Arbeitsplätze zu sichern.“
Harte Einschnitte kaum zu vermeiden
Unter dem Strich wird Volkswagen kaum um harte Einschnitte herumkommen. Direkte Wettbewerber wie Stellantis, Ford oder Toyota haben in der Vergangenheit gezeigt, dass Kündigungen oder Werksschließungen kein Tabu mehr sein können und sich kein Autohersteller mehr eine Beschäftigungsgarantie mehr erlauben kann, sondern sich flexibel den Gesetzen des Marktes anpassen muss, wenn er erfolgreich weiterbestehen will. Auf lange Sicht könnten auch bei Volkswagen sogar einzelne Marken zur Disposition stehen, um gegen die immer stärker werdende Konkurrenz bestehen zu können.
Stefan Grundhoff; press-inform