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Beginner: "Im Hip-Hop ist einfach alles möglich"

Eizi Eiz alias Jan Delay (39), Denyo alias Denis Lisk und DJ Mad alias Guido Weiß haben vor 25 Jahren Hip-Hop-Geschichte geschrieben. Und pünktlich zum Bandjubiläum veröffentlichen die Beginner endlich wieder ein neues Album. "Advanced Chemistry" heißt es und ist eine Mischung geworden - aus den alten Zeiten und der Gegenwart. Die Nachrichtenagentur spot on news traf die drei Herren aus Hamburg in München zum Interview. Ein Gespräch über die Faszination des Hip-Hops, die Empörung über das Feature mit Gzuz und warum Songs immer auch auf Platte erscheinen sollten.

Ist das neue Album "Advanced Chemistry" eher aus der Nostalgie oder aus der Lust auf etwas Neues heraus entstanden?

Jan Delay: Nostalgie hört sich immer so an, als würde man im Gestern leben. Aber klar, wir lieben das, was wir gemacht haben und sind stolz darauf. Aber die Gegenwart hat eine mindestens genauso große Schuld daran, wenn nicht noch eine größere, dass wir jetzt ein neues Album veröffentlichen.

DJ Mad: Die musikalische Gegenwart flasht uns immer noch. Moderne Bässe und alles, was gerade durch die Clubs wabert. Daran wollten wir wieder teilnehmen.

Denyo: Wir wollen einfach mehr, als nur die Vergangenheit zu feiern.

Trotzdem schweift der Albumtitel als Hommage an die Heidelberger Hip-Hop-Crew Advanced Chemistry weit in die Vergangenheit zurück...

Denyo: Damit wollen wir aber eher Dankbarkeit und Respekt ausdrücken. Und eine Verortung, die zeigt, wo wir unsere Anfänge haben. Damit die Leute verstehen, wie viel Geschichte hinter den Beginnern steckt und wem wir es zu verdanken haben, dass es uns überhaupt gibt. Torch von Advanced Chemistry ist aus unserem Blickwinkel der Erfinder des deutschsprachigen Sprechgesangs.

Delay: Wenn ich die Tracks von Advanced Chemistry heute höre, kriege ich teilweise immer noch eine Gänsehaut.

Was ist so faszinierend am Genre Hip-Hop?

Delay: Im Hip-Hop ist einfach alles möglich. Und genau deshalb sitzen wir hier als 40-Jährige und haben genauso viel Spaß daran wie als 15-Jährige. Das was uns vor 20 Jahren vorangetrieben hat, das treibt uns jetzt auch voran. Wir feiern das, was wir machen und wir feiern diese Art zu leben.

DJ Mad: Jedes Genre kann im Prinzip mit Hip-Hop vereint werden. Man muss es einfach nur diesen Hip-Hop-Werten annähern. Und dann macht man das Ding auch wieder für die nächsten Generationen interessant.

Denyo: Wir haben ja auch ein paar Jahre gebraucht, bis wir soweit waren. Und es war eine schöne Herausforderung, zu beweisen, dass wir es noch können.

Haben Sie Angst, die Fans, die noch an Ihren alten Alben "Bambule" und "Blast Action Heroes" hängen, zu enttäuschen?

Delay: Für uns war klar, dass wir keine Platte machen, die genauso klingt wie "Bambule". Das ist einfach nicht unser Anspruch. Das gibt's ja schon, wieso sollen wir das nochmal machen. Wir wollten, dass die Leute denken "Das klingt ja nicht wie Bambule und dann ist da noch dieser junge Rapper, den ich eigentlich nicht feier...". Aber dann im nächsten Moment merken sie: "Oh, aber es klingt trotzdem ganz geil".

DJ Mad: Es sind ja auch 18 Jahre vergangen. Veränderung darf passieren.

Apropos junger Rapper: Als erste Single haben Sie "Ahnma" feat. Gzus und Gentleman veröffentlicht. Wollten Sie damit provozieren?

Denyo: Ganz im Gegenteil. "Ahnma" war eher als kleines Hallo gedacht. Dass es dann so abging, das hatten wir eigentlich gar nicht erwartet. Die Idee dahinter war, den Leuten erstmal etwas zu geben, mit dem sie etwas anfangen können. Etwas, das ein bisschen an früher erinnert.

Delay: Eigentlich war der Song eher ein Geschenk an die Fans von früher.

DJ Mad: "Ahnma" ist der Song, der das Album von seiner Komplexität her am besten zusammenfasst. "Advanced Chemistry" ist ein bisschen klassisch, beinhaltet aber auch viel Neues. Und es ist vielleicht nicht unbedingt so, wie du es erwartet hättest.

Wie erklären Sie sich dann die Empörung?

Denyo: Einige Leute scheinen eine gewisse Erwartung zu haben, wenn sie an uns denken...

DJ Mad: Gzuz repräsentiert diese Zeit der Gangsta-Rapper, die nach Bambule kam und die für viele aus unserer Generation den Hip-Hop-Flavor gekillt hat. Und jetzt auf einmal taucht der in der verklärten Vergangenheit auf - zusammen mit den lieben Beginnern.

Denyo: Es entspricht einfach nicht der Realität, dass wir der Gegenentwurf zu stumpfem Straßenrap sind. Wir werden für die Gutbürgerlichen des Hip-Hops gehalten - die mit Niveau und Wortwitz. Aber wir wollen nicht in eine Schublade gesteckt werden.

Delay: Wir sind lieber die, die den Leuten zeigen wollen, dass es blöd ist, sich vor diesen ganzen tollen neuen Sachen, zu verschließen. Wir wollen lieber ein bisschen Werbung dafür machen.

DJ Mad: Hip-Hop ist nicht von ungefähr seit über 40 Jahren hart am Start und auch nicht klein zu kriegen, weil sich das Genre die ganze Zeit weiterentwickelt und weiterentwickeln muss.

Wie bewerten Sie die Tatsache, dass heutzutage jeder im Internet seine Musik veröffentlichen kann? Ist es einfacher geworden, Erfolg zu haben?

Delay: Das ist alles Quatsch. Es ist immer noch so, dass sich das Gute durchsetzt und das Schlechte zwar einen kurzlebigen Erfolg haben kann, wenn es gut verkauft wird - aber richtig groß durchsetzen wird es sich nicht.

Mit "Spam" habt ihr einen Song auf dem Album, der den Einfluss des Internets eher verteufelt...

Denyo: In "Spam" geht es mehr um den Einfluss des Internets auf unsere Freizeit. Was ist wichtiger? Der Post von der Party oder die Party selbst? Was auf dem Smartphone passiert, ist alles relativ oberflächlich.

DJ Mad: Jeder ist die ganze Zeit damit beschäftigt, irgendwelchen Content zu verbreiten. Es gibt im Internet so viel Scheiße, die dich permanent von allen Seiten bedrängt.

Was machen Sie, um abzuschalten?

Delay: Es einfach nicht anmachen. Ganz einfach. Offline sein.

Veröffentlichen Sie Ihre Alben deswegen immer auf der guten alten Schallplatte? Um ein bisschen für Entschleunigung zu sorgen?

DJ Mad: Was nicht auf Platte erscheint, ist nicht ernst gemeint.

Foto(s): David Königsmann/Universal Music, Nils Müller / Universal Music