Mehrere Medien berichteten - Keine Leistungskürzungen für Nicht-Wähler: Bundesamt veröffentlicht Klarstellung

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Zahnarzt behandelt Patientinimago images / Jochen Eckel

Die Verwendung der Variable Wahlbeteiligung im Risikostrukturausgleich des Bundesamts für Soziale Sicherung (BAS) sorgt für die Befürchtung, dass Krankenkassen Leistungen für Nicht-Wähler kürzen könnten. Das BAS stellt dahingehende Berichte nun klar.

Das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) in Bonn plane offenbar, die Wahlbeteiligung der Bundestagswahl 2021 in ihre Berechnungen zur Verteilung von Krankenkassenbeiträgen und Steuergeldern einzubeziehen. Dies gehe aus einem 150-seitigen Entwurf hervor, der der „Bild“ vorliegt. Auch die „Volksstimme“ berichtet darüber.

Konkret wird berichtet, dass Regionen mit hohem Nicht-Wähler-Anteil in Zukunft bestraft werden könnten. Die Befürchtung: Zusatzleistungen wie Zahnreinigung könnten dann für Menschen in diesen Regionen wegfallen.

Bundesamt stellt Berichte klar: „Leistungskürzungen sind nicht zu erwarten“

In einer eigens herausgegebenen Pressemitteilung stellt das BAS diese Meldung klar. Seit 2021 werde im Rahmen des Risikostrukturausgleichs Geld aus dem Gesundheitsfonds an die Krankenkassen auch über die sogenannte Regionalkomponente zugewiesen. Das diene dazu, Über- und Unterdeckungen auf Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte, die nach dem Ausgleich über Alter, Geschlecht und Erkrankungen noch bestehen bleiben, auszugleichen und soll für einen fairen Ausgleich zwischen den Krankenkassen zu sorgen.

Ursprung der ausgewählten Variablen für die Regionalkomponente sei ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs. Dieses beinhalte laut BAS ein Variablenset, das regionale Über- oder Unterdeckungen erklären kann.

Im Zuge der jährlichen Festlegung der Variablen mit der höchsten statistischen Erklärungskraft ist für 2025 zum ersten Mal neben anderen die Variable „Wahlbeteiligung“ gewählt worden. Diese beziehe sich auf die auf Bundestagswahl 2021 und steht damit nicht im Zusammenhang mit den aktuellen Wahlen oder künftigen Wahlen auf Landesebene. Es werde zudem die Wahlbeteiligung auf Ebene der Landkreise, nicht der Bundesländer verwendet, heißt es vom BAS. Die Nutzung der individuellen Wahlbeteiligung sei im Januar 2024 geprüft, aber verworfen worden.

„Es mutet zunächst sachfremd an, dass das Merkmal Wahlbeteiligung innerhalb der Regionalkomponente im Risikostrukturausgleich eine Rolle spielt“, sagt Frank Plate, Präsident des Bundesamtes für Soziale Sicherung. Dies sei jedoch auf Grundlage von wissenschaftlichen Studien erfolgt. „Die Krankenkassen hatten – wie alle anderen Beteiligten - vorab die Möglichkeit zur Stellungnahme“, so Plate weiter.

Ein direkter Zusammenhang zwischen den Variablen und den Leistungen, die eine einzelne Krankenkasse ihren Versicherten anbietet, bestehe nicht. „Leistungskürzungen einzelner Krankenkassen sind deshalb nicht zu erwarten“, erklärt der BAS-Chef. Sein Amt dokumentiere das Vorgehen transparent auf deren Homepage. „Die Diskussion sollte daher faktenorientiert geführt und nicht interessengeleitet missbraucht werden.“

Kassen und Politiker äußern sich kritisch zur Variable Wahlbeteiligung

Die Sprecherin der AOK Sachsen-Anhalt, Anna-Kristina Mahler, bezeichnete die Wahlbeteiligung gegenüber „Volksstimme“ als „sachfremdes Kriterium“. So könnte die AOK Sachsen-Anhalt durch den neuen Verteilungsschlüssel allein mehr als 24 Millionen Euro einbüßen, heißt es.

Tobias Krull, CDU-Landtagsabgeordneter, sieht hingegen nur zwei mögliche Konsequenzen: „Entweder die betroffenen Kassen erhöhen ihre Beiträge oder sie sparen bei freiwilligen Leistungen wie Zahnreinigung oder Rückenschule.“ Er nennt die Pläne „mehr als unverständlich“.

Auch anderen Parteien im Landtags-Ausschuss für Gesundheit und Soziales üben Kritik. Susan Sziborra-Seidlitz von den Grünen hält die Wahlbeteiligung als Verteilungsfaktor für „geradezu absurd“. Ulrich Siegmund von der AfD sprach von einer „an den Haaren herbeigezogenen“ Maßnahme.

Der Entwurf soll am 30. September beschlossen werden. Ob die Verteilung der Patientengelder tatsächlich an die Wahlbeteiligung gekoppelt wird, bleibt abzuwarten. Laut BAS komme der dafür zuständige Wissenschaftliche Beirat in Kürze zu seiner nächsten Sitzung zusammen, um das zu besprechen.