Jetzt spricht Max Meyer!

Max Meyer sitzt ganz entspannt auf seiner Couch und schmunzelt. Er hat SPORT1 in seine Londoner Wohnung mit Blick direkt auf die Themse eingeladen. Dort führt Meyer das erste Interview mit einem deutschen Medium seit seinem Abschied von Schalke 04 im Juni 2018.

Damals entschied er sich dagegen, seinen Vertrag bei den Königsblauen zu verlängern. Meyer unterschrieb schließlich bei Premier-League-Klub Crystal Palace einen Dreijahresvertrag.

Jetzt spricht der 24-Jährige im Interview über die Zeit nach dem Abschied von S04, seine Entscheidung für Crystal Palace und seine Person.

SPORT1: Herr Meyer, wie blicken Sie auf die ersten anderthalb Jahre England zurück?

Max Meyer: Es war bis jetzt eine aufregende Zeit. Ich bin im Ruhrgebiet groß geworden, habe mein ganzes Leben bis 2018 dort verbracht, und lebte eigentlich immer im selben Umfeld. Mit 22 bin ich dann in die Weltstadt London gegangen, das war ein großer Schritt und alles andere als leicht. Im Verein spricht keiner Deutsch, und ich war am Anfang völlig auf mich allein gestellt. Ich musste schnellstmöglich die Sprache lernen.

DAZN gratis testen und internationale Fußball-Highlights live & auf Abruf erleben | ANZEIGE

SPORT1: Hatten Sie auch etwas Bammel vor der neuen Welt?

Meyer: Das nicht, aber Respekt. Ich habe das erst realisiert, als ich in London war. Es war eine komplett neue Welt mit so vielen Eindrücken. Und mein Englisch war nicht so gut, als ich nach London gezogen bin. Da hatte ich meine Probleme, mich zu verständigen, habe dann aber täglich geübt, und mittlerweile spreche ich es fast so gut wie Deutsch. (lacht)

Max Meyer: "Ich wollte meine Ruhe"

SPORT1: Das ist das erste Interview, seit Sie Deutschland verlassen haben. Hatten Sie keine Lust mehr auf die Medien?

Meyer: Nein, ich wollte nur einfach meine Ruhe. Es wurde viel Unsinn geschrieben nach dem unschönen Abschied von Schalke. Bei Crystal Palace ist alles etwas ruhiger, bei Schalke war immer Dampf auf dem Kessel, da wurde man als Spieler täglich beobachtet. Da waren immer viele Fans und Journalisten beim Training dabei, bei Crystal werden wir total abgeschottet. Es gibt keine öffentlichen Trainingseinheiten. Das vermisse ich etwas, weil der Austausch mit den Fans für mich immer wichtig war. Auf Schalke wollten die Trainingskiebitze immer Autogramme und Fotos, konnten mir aber auch ein Feedback geben, was mir gefallen hat. In der ersten Zeit im neuen Klub war das eine große Umstellung, ich konnte jedoch etwas runterkommen. Jetzt bin ich wieder bereit für ein Interview.

SPORT1: Inwiefern ist es auch eine Erleichterung, jetzt mal gewisse Dinge richtig zu stellen?

Meyer: Ich kann jetzt sagen, dass es damals nicht so dramatisch war, vieles wurde aufgebauscht. Ich schaue mir nach wie vor sehr gerne die Spiele von Schalke an und drücke dem Verein die Daumen, dass man erfolgreich ist. Ich hege keinen Groll gegen S04.

SPORT1: Die Entscheidung für Crystal Palace überraschte damals. Warum haben Sie dort unterschrieben?

Meyer: Das ist die typisch deutsche Denke, dass man den Klub für unscheinbar hält. Wenn die Journalisten hier anderthalb Jahre arbeiten und die Qualität in der Mannschaft und in der Liga sehen würden, dann würden sie anders denken. Die Bundesliga ist in England kein großes Thema, sondern es zählt nur die Premier League. Wenn ich sage, ich habe mal bei Schalke gespielt, dann wissen viele Leute auch nicht, um welchen Klub es sich handelt. So ist es in Deutschland, wenn Crystal Palace genannt wird. Natürlich träumt man bei der Premier League von großen Vereinen wie FC Liverpool oder Manchester United, aber Crystal Palace war die beste Gelegenheit, in diese Liga zu wechseln. Seit ich da bin, habe ich rund 50 Spiele in der besten Liga der Welt gemacht, das ist keine Selbstverständlichkeit. Und ich habe mich weiterentwickelt.

SPORT1: Wie?

Meyer: Ich habe mich als Typ weiterentwickelt. Neue Sprache, neuer Klub, neues Umfeld - die Mannschaft hat eine hohe Qualität, wir haben in dieser schwierigen Liga 30 Punkte nicht einfach so geholt. Durch den täglichen Wettkampf im Training und in den Spielen entwickelt man sich zwangsläufig weiter. Auch wenn ich nicht immer gespielt habe: Ich lerne immer dazu, auch in negativen Momenten.

Meyer bei Crystal Palace als Rechtsaußen

SPORT1: In einigen Medien war zu lesen, dass Sie beim Trainer keine Rolle mehr spielen. Können Sie das erklären?

Meyer: Das steht in deutschen Medien, und das interessiert mich nicht. Im Fußball ändert sich alles täglich, aber ich bin total gefestigt im Klub, komme auch bei den Fans und im Team gut an. Natürlich habe ich nicht jedes Spiel gemacht, aber ich bin ein wichtiger Teil des Klubs. Wenn das nicht so wäre, hätten die Verantwortlichen längst gesagt, dass ich gehen soll.

SPORT1: Sie sind auf der 6er-, 8er- und 10er-Position zu Hause, spielen aber seit Wochen auf der rechten Außenbahn. Nervt Sie das?

Meyer: Das ist auf jeden Fall nicht meine Lieblingsposition. Klar, ich spiele lieber in der Mitte, aber ich habe schon überall gespielt und bin variabel einsetzbar. Dennoch habe ich meine Stärken schon in der Mitte.

SPORT1: Lassen Sie uns auch über Ihren viel diskutierten Abschied auf Schalke damals sprechen. Bereuen Sie, wie es ablief?

Meyer: Ich bereue nichts, denn ich denke nicht, dass ich mich damals falsch verhalten habe. Ich habe zu Beginn der Saison 2017/18 schon gesagt, dass ich nach dem Jahr gerne gehen möchte. Dann habe ich gute Leistungen gebracht und Schalke hat reagiert. Man wollte mich ja eigentlich schon im Sommer verkaufen, doch ich entschied mich, noch zu bleiben. Es kam dann zu neuen Verhandlungen. Das Thema wurde schließlich von Woche zu Woche größer, das war am Ende für alle sehr aufreibend.

Jetzt das aktuelle Trikot von Schalke 04 bestellen - hier geht's zum Shop! | ANZEIGE

SPORT1: Machen Sie sich Sorgen, dass Sie in Deutschland in Vergessenheit geraten - auch bei Joachim Löw?

Meyer: Es wäre schlimm, wenn man mich in Deutschland nicht mehr auf dem Schirm hat. Ich spiele immerhin in Europas stärkster Liga. Und mit guten Leistungen kann ich mich wieder ins Rampenlicht bringen. Es liegt nur an mir selbst, ob ich wieder positiv auf mich aufmerksam machen kann.

Bundesliga kann "mal wieder ein Thema werden"

SPORT1: Wie denken Sie über eine Rückkehr in die Bundesliga?

Meyer: Ich habe noch anderthalb Jahre Vertrag und werde bis zum Sommer auf jeden Fall noch bei Crystal Palace spielen. Ich fühle mich wirklich sehr wohl. Aber ich kann und will nichts ausschließen, natürlich kann die Bundesliga mal wieder ein Thema werden. Der Fokus liegt gerade auf England, die Premier League macht zu viel Spaß. Ich denke jetzt nicht an Abschied.

SPORT1: Hat Sie die Premier League verändert?

Meyer: Ich bin auf jeden Fall reifer geworden durch den Druck in dieser starken Liga. In einem komplett neuen Umfeld zu leben und etwas Neues zu sehen, hat mir gutgetan. Allein durch die Sprache kann ich mich jetzt mit viel mehr Leuten unterhalten.

SPORT1: Wie würden Sie die Stimmung in den englischen Stadien mit der in der Bundesliga vergleichen?

Meyer: Die Atmosphäre ist in Deutschland besser. Da ist mehr Stimmung in den Stadien, es gibt dort auch mehr Ultra-Gruppierungen. Das Spiel als solches ist in der Premier League intensiver und für den Fan attraktiver anzuschauen. Es gibt in England sechs Topvereine mit absoluten Superstars, der Rest dahinter ist auch schon sehr stark. Aber ich vermisse die Ultra-Szene aus den deutschen Stadien. Das ist etwas Besonderes und es war immer ein tolles Gefühl, wenn in der Woche nach einem Spiel auf Schalke die Fans beim Training waren. Ultras werden oft kritisch gesehen, aber in Gelsenkirchen hatten sie immer ein gutes Gespür für schwierige Situationen. Ich vermisse diese Fan-Nähe schon. Wir haben hier auch eine tolle Stimmung im Stadion, aber der direkte Kontakt mit den Fans ist mir zu wenig. Bei Schalke war es dennoch teilweise zu viel.

SPORT1: Was macht Max Meyer besonders?

Meyer: Das ist schwer zu beantworten. Ich bin nicht besonders. Natürlich ist es für die Öffentlichkeit spannend, was ich nach meinem Abschied von Schalke jetzt wieder sage, aber das hat nichts damit zu tun, ob ich besonders bin. Ich war und bin ein bodenständiger Junge, das können meine engsten Mitmenschen wohl auch bestätigen. Ich stelle mich nicht über die Dinge, nur, weil ich Fußballer bin.