Bericht von Klausurtagung in Brandenburg - SPD-interne Kritik an Scholz wächst: „Wir schreiten gemeinsam in den Untergang“

In der SPD rumort es seit den Wahldebakeln in Thüringen und Sachsen. Bei der Fraktionsklausur in Nauen kommt es zur Aussprache.<span class="copyright">Kay Nietfeld/dpa</span>
In der SPD rumort es seit den Wahldebakeln in Thüringen und Sachsen. Bei der Fraktionsklausur in Nauen kommt es zur Aussprache.Kay Nietfeld/dpa

Die Wahlen in Sachsen und Thüringen haben die SPD erschüttert, der Kanzler ist angezählt. Wird die Fraktion auch bei einer weiteren Wahlschlappe noch zu ihm halten? Ein Bericht liefert Einblicke in eine interne SPD-Sitzung.

SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich hat Kanzler Olaf Scholz trotz der Wahldebakel in Thüringen und Sachsen und schlechter Umfragewerte auf Bundesebene demonstrativ den Rücken gestärkt. „Der Rückhalt für den Bundeskanzler ist bei mir absolut“, sagte Mützenich zu Beginn der SPD-Fraktionsklausur im brandenburgischen Nauen. „Ich unterstütze ihn in einer wirklich herausfordernden Zeit, die sowohl international als auch im Kampf um jeden einzelnen Arbeitsplatz (...) alle Konzentration braucht.“

Zum Auftakt der traditionellen Klausurtagung nach der Sommerpause gab es eine Aussprache mit dem Kanzler auch über die Wahlergebnisse mit mehr als 30 Wortmeldungen, die von Teilnehmern als kontrovers, aber auch konstruktiv beschrieben wurde.

Die SPD hatte am Sonntag in Thüringen und Sachsen mit 6,1 und 7,3 Prozent ihre bisher schlechtesten Werte erzielt. Das Ergebnis in Thüringen war sogar das schlechteste bei einer Landtagswahl überhaupt. Danach hatte es vereinzelt offene Kritik an der Parteiführung gegeben. Der Bundestagsabgeordnete Mahmut Özdemir schrieb auf Facebook: „Führungsriegen, die zusehen, wie seit anderthalb Jahrzehnten die SPD sinkende Mitgliedszahlen und geringere Zustimmung in der Bevölkerung verzeichnet, müssen ihre Verantwortung erkennen.“ Die Menschen vertrauten der SPD nicht mehr.

Kritik an Scholz' Führungsstil wächst - SPD kämpft mit inneren Spannungen

Und er ist nicht der einzige. Auch die SPD-Abgeordnete Tina Rudolph aus Thüringen äußert Zweifel am Erfolg der SPD mit dem aktuellen Personal. Sie sagte laut „Spiegel“: „Dann müssen wir überlegen, mit wem wir das schaffen können.“

Auch Carolin Wagner aus Regensburg hinterfragte den Nutzen der Gespräche mit Scholz nach verlorenen Wahlen. „Was bringt das?“, fragte sie.

Frustration und Unsicherheit innerhalb der SPD: "Schreiten gemeinsam in den Untergang“

Viele SPD-Mitglieder zeigen sich besorgt über die aktuellen Entwicklungen und die innerparteilichen Spannungen. Ein Abgeordneter zeigte während einer Kaffeepause Austrittsmails aus seinem Wahlkreis, wie der „Spiegel“ weiter berichtet.

Eine andere Abgeordnete sagte laut „Spiegel“: „Wir haken uns unter und schreiten gemeinsam in den Untergang.“

SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke, der Spitzenkandidat für die Brandenburg-Wahl, verzichtet auf gemeinsame Wahlkampfauftritte mit Scholz. Dies wird als Zeichen für die bestehende Unsicherheit und die internen Spannungen innerhalb der Partei gewertet.

Schlechte Umfragewerte in Brandenburg

In den Umfragen zur Bundestagswahl liegt die SPD derzeit bei 14 bis 16 Prozent hinter CDU/CSU und AfD. 2021 war sie noch mit 25,7 Prozent stärkste Partei geworden.

Die bevorstehende Wahl in Brandenburg am 22. September ist für die SPD noch wichtiger als die beiden Wahlen in Thüringen und Sachsen, weil sie dort seit 1990 durchgehend die Ministerpräsidenten stellt. In den Umfragen ist derzeit aber die AfD die stärkste Partei, CDU und BSW liegen nicht weit hinter der SPD.

Sollte der SPD-Regierungschef Dietmar Woidke nicht wiedergewählt werden, stehen der größten Regierungspartei turbulente Tage und Wochen bevor. Es wird jetzt schon darüber spekuliert, dass dann auch Scholz als erneuter Kanzlerkandidat in Frage gestellt werden könnte. Sein Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) schneidet in den Umfragen deutlich besser ab und gilt als beliebtester Politiker Deutschlands.

Mützenich: Muss nicht „irgendwelche Turnübungen“ machen

Mützenich sagte, er sehe trotzdem keinen Grund, die mehr als 200 Bundestagsabgeordneten zur Ordnung zu rufen. „Ich brauche meine Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion nicht um Disziplin nachzufragen.“ Die Fraktion habe in den letzten drei Jahren in der Ampel-Koalition bewiesen, dass sie auch so zusammenhält. „Ich bin kein Erzieher, der dort vorne vor der Fraktion irgendwelche Turnübungen macht“, betonte Mützenich.

Die Bundestagswahl soll nach jetzigem Stand am 28. September 2025 stattfinden. Mützenich betonte, dass er von der Ampel-Koalition in den kommenden Monaten noch die Umsetzung mehrerer vereinbarter Projekte erwarte. Er nannte das Rentenpaket, das Tariftreuegesetz und den Einstieg in die Kindergrundsicherung. Das schlechte Erscheinungsbild der Ampel ist für ihn dagegen nicht so relevant. „Mich nerven Haltungsnoten, die wir uns gegenseitig geben. Deswegen geht es mir um Themen, um Sachverstand.“