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Berichte über Einschlag russischer Rakete in Polen: Wäre dies ein Nato-Bündnisfall?

In einem polnischen Dorf nahe der ukrainischen Grenze wurden bei einer Explosion zwei Menschen getötet. Wird die Nato nun einschreiten? Dies hängt aktuell von mehreren Faktoren ab. Ein Überblick.

Nach einer Explosion mit zwei Toten in einem Dorf im Grenzgebiet zur Ukraine hat Polen einen Teil seiner Streitkräfte in erhöhte Bereitschaft versetzt. (Foto: Wojtek Jargilo/PAP/dpa)
Nach einer Explosion mit zwei Toten in einem Dorf im Grenzgebiet zur Ukraine hat Polen einen Teil seiner Streitkräfte in erhöhte Bereitschaft versetzt. (Foto: Wojtek Jargilo/PAP/dpa)

Nach einer Explosion auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in dem polnischen Dorf Przewodow, bei der nach Angaben der Feuerwehr in Hrubieszow zwei Menschen ums Leben gekommen sind, hat Polen einen Teil seiner Streitkräfte in erhöhte Bereitschaft versetzt. Dies gelte auch für andere uniformierte Dienste, sagte ein Regierungssprecher am Dienstagabend in Warschau.

Prüfung der Einleitung von Artikel 4 des Nato-Vertrags

Außerdem habe man gemeinsam mit den Nato-Verbündeten beschlossen, zu überprüfen, ob es Gründe gebe, die Verfahren nach Artikel 4 des Nato-Vertrags einzuleiten, so der Regierungssprecher. Artikel 4 sieht Beratungen der Nato-Staaten vor, wenn einer von ihnen die Unversehrtheit seines Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die eigene Sicherheit bedroht sieht.

Zuvor hatte die Regierung in Warschau nach unbestätigten Berichten über einen angeblichen Raketeneinschlag im polnischen Grenzgebiet zur Ukraine eine Sitzung des nationalen Sicherheitsrates einberufen.

Nato-Staaten befinden sich in engem Austausch

Nach Angaben der deutschen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht befinden sich Vertreter der Nato-Staaten wegen der Explosion in engem Austausch miteinander. "Wir stehen in engem Kontakt innerhalb der Allianz. Die Nato bleibt stark", wird die SPD-Politikerin vom Verteidigungsministerium auf Twitter zitiert. "Meine Gedanken sind heute Abend bei unseren Freunden und Verbündeten in Polen. Mein tiefes Mitgefühl gilt den Angehörigen und Freunden der Opfer."

Nato bislang noch sehr zurückhaltend

Wie unter anderem ZDF-Korrespondent Florian Neuhann berichtet, verhalte sich die Nato noch sehr zurückhaltend. Sollte es einen bewussten Angriff auf Nato-Gebiet gegeben haben, wäre das die große Eskalation. Dann könnte der sogenannte Bündnisfall eintreten. Im Falle eines Querschlägers würden viele Nato-Staaten aber eher zurückhaltend reagieren.

Bislang stehen offizielle Bestätigungen aus, dass es sich bei der Explosion tatsächlich um russische Raketeneinschläge – oder nach Abschuss durch die ukrainische Luftabwehr um Trümmer russischer Raketen handelte.

Der Nato-Bündnisfall: Bisher erst einmal ausgerufen

Im Fall eines Angriffs sind die Vertragsparteien des westlichen Verteidigungsbündnisses Nato zu gegenseitigem Beistand verpflichtet. Artikel 5 des Nato-Vertrages sieht vor, "dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird". Der Nato-Rat stellt den Bündnisfall fest, erklärt wurde er bisher erst einmal: nach den Terroranschlägen in den USA vom 11. September 2001.

Ukraine fordert nach Vorfall in Polen geeinte Reaktion gegen Russland

Die Ukraine hat nach dem mutmaßlichen Raketeneinschlag im Nachbarland Polen eine geeinte Reaktion gegen Russland gefordert. Ein Nato-Gipfel unter Teilnahme der Ukraine sollte weitere Schritte ausarbeiten, schlug der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba am Dienstag vor.

An den Vorfall in einem grenznahen Dorf in Ostpolen mit zwei Toten knüpfte er die Forderung nach besserer Flugabwehr und US-Kampfjets der Typen F-15 und F-16 für Kiew. "Heute bedeutet Schutz für den Himmel der Ukraine auch Schutz für die Nato", schrieb Kuleba auf Twitter.

(Mit Material der Deutsche Presse-Agentur dpa)