Betrifft rund 2000 Deutsche - Experte warnt: Libanon-Evakuierung könnte „äußerst schwierig werden“

Die Lage im Libanon ist äußert angespannt.<span class="copyright">Marwan Naamani/dpa</span>
Die Lage im Libanon ist äußert angespannt.Marwan Naamani/dpa

Michael Bauer ist Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in der libanesischen Hauptstadt Beirut. Der Experte sieht ein hohes Eskalationspotential in der Region. Es gebe „keinen Grund mehr“ im Libanon zu bleiben, sagt er.

FOCUS: Herr Bauer, die Lage in Libanon und im gesamten Nahen Osten spitzt sich immer weiter zu, laut Geheimdienstinformationen könnte ein iranischer Vergeltungsschlag bereits in dieser Woche anstehen. Wie ist die Lage vor Ort? 

Michael Bauer: Seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 eskaliert die Lage in der Region immer weiter. Denn direkt im Anschluss an den Anschlag hat auch die libanesische Hisbollah mit Raketenangriffen auf Israel begonnen.

Gerade im Süden Libanons herrschen nun mittlerweile kriegsähnliche Zustände. Zuletzt wurde Anfang August ein hochrangiger Hisbollah-Kommandant in einem Vorort zu Beirut getötet. Nun wartet man auf eine Reaktion der Hisbollah. Die angespannte Situation versetzt die Menschen hier in Angst. Allen ist klar: Es kann auch richtig krachen.

Das Auswärtige Amt hat deutsche Staatsbürger dringend dazu aufgefordert, jede Möglichkeit der Ausreise zu nutzen. Haben Sie dafür Verständnis, dass weiterhin so viele Deutsche sich im Libanon befinden? 

Bauer: Ich denke, die Warnungen des Auswärtigen Amtes sind sehr klar: Das Land sollte jetzt verlassen werden! Denn auch die Möglichkeiten der Ausreise werden immer weniger. Libanon ist ein Land, in dem oftmals ein solches Eskalationspotenzial auch ausgeblendet wird. Aber bei diesem Eskalationsniveau in der Region gibt es keinen Grund mehr dortzubleiben.

Wir erinnern uns an die Evakuierungsmission aus Afghanistan 2021, die quasi gescheitert war. Die Situation im Libanon ist damit zwar nicht vergleichbar, aber ist es weiterhin ratsam mit der Evakuierungsmission zu warten? 

Bauer: Eine Evakuierungsmission startet ja erst dann, wenn ein Kriegszustand vorherrscht und Leute rausgebracht werden müssen bzw. nicht mehr selbst ausreisen können. Derzeit gibt es aber noch zivile Möglichkeiten, das Land zu verlassen.

Klar ist aber: Eine Evakuierung wird umso besser gelingen, je weniger Leute rausgebracht werden müssen. Im Ernstfall müssten nicht nur 2000 Deutsche evakuiert werden.

Die Zahl französischer, kanadischer oder amerikanischer Bürger ist meist noch um ein Vielfaches höher. Wenn man sich nun vorstellen muss, dass alle Staaten gleichzeitig anfangen, ihre Bürger zu evakuieren, dann wird eine Mission trotz aller Vorbereitungen äußerst schwierig.