Werbung

Justizministerin zitiert in TV-Sendung "Markus Lanz" erschreckende Statistik zu Kindesmissbrauch

Vor dem Hintergrund des jüngsten Falls in Münster zitiert Bundesjustizministerin Christine Lambrecht in der ZDF-Talkshow "Markus Lanz" eine erschreckende Statistik: Ein Drittel aller wegen schwerem Missbrauch an Kindern verhängten Urteile werden zur Bewährung ausgesetzt.

Immer wieder sorgen Fälle von Kinderpornografie und Kindesmisshandlung für heftige Diskussionen. Zuletzt sorgte ein Fall in Münster für Aufregung: Der 27-Jährige, der verdächtigt wird, mehrere Kinder sexuell missbraucht zu haben, war bereits zweimal wegen des Besitzes von Kinderpornografie auf Bewährung verurteilt worden. Wie kann das sein? In der ZDF-Talksendung "Markus Lanz" wollte der Moderator dieser Frage auf den Grund gehen. Dafür sprach er unter anderem mit Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), die mit einer überraschenden Statistik schockierte.

"Wie sehen Sie diesen Fall? Was ist da schiefgelaufen?", wollte Lanz zu Beginn der Sendung von seinem Gast wissen. Die 55-jährige Juristin antwortete: "Es ist immer schwer, wenn man den Fall nicht bis in die letzte Einzelheit erfassen kann. Aber offensichtlich ist es so, dass dieses Bedürfnis, Kinder sind am besten in der Familie aufgehoben, eben oftmals dazu führt, dass dann nicht die Entscheidung getroffen wird." Ein Gespür dafür, wann das Kind besser aus seiner Familie herausgeholt werden sollte, sei ein Mangel in der Fortbildung von Jugendämtern oder Familienrichtern. Die Frage von Lanz, ob sie denn genau wisse, warum der Täter die vorherigen Male verurteilt worden war, verneinte Lambrecht. Ihr zufolge sei die Frage vielmehr, wieso es überhaupt zu Wiederholungstätern komme.

Ein Drittel aller Urteile bei Kindesmissbrauch wird zur Bewährung ausgesetzt

Lanz hakte nach: "Haben Sie eine Erklärung dafür, warum jemand einmal verurteilt wird für den Besitz von Kinderpornografie für zwei Jahre auf Bewährung, dann wieder und wieder für zwei Jahre auf Bewährung? Also was muss denn noch passieren, dass jemand das dritte Mal endlich dahingeht, wo er hingehört?" Die Justizministerin antwortete: "Das ist genau der Punkt, den Sie ansprechen, um den es geht. Es geht nämlich gar nicht alleine darum, Strafrahmen zu erhöhen, sondern sich mal die Frage zu stellen, warum wird denn ausgesetzt zur Bewährung?" Im Anschluss nannte sie eine erschreckende Zahl: "Ein Drittel der Urteile, die bei schwerem Missbrauch, bei schwerer sexueller Gewalt gegen Kinder verhängt werden, wird zur Bewährung ausgesetzt."

Lesen Sie auch: Missbrauchs-Debatte bei "Maybrit Illner": "Da sind noch so viele Täter, die wir nicht kriegen"

Der Moderator zeigte sich schockiert, auf seine Frage, warum das so sei, verwies Lambrecht darauf, dass es sich dabei immer um Einzelfallentscheidungen handle: "Die Richter werden vom Prinzip her ihre Gründe gehabt haben, aber sie wenden Recht an, das dieses möglich macht", erklärte die Bundesjustizministerin. Aus diesem Grund gehe es ihr weniger darum, den Strafrahmen zu erhöhen, als vielmehr dafür zu sorgen, dass Wiederholungstaten weniger möglich seien. "Sie können einen bestimmten Strafrahmen verhängen, aber erst, wenn eine Wiederholung vorhanden ist. Und das will ich abschaffen", sagte sie.

Lesen Sie auch: Mehr Tatverdächtige und Opfer in Missbrauchsfall Münster

Höchststrafen werden selten verhängt

Doch Lanz ließ nicht locker: "Was reitet uns eigentlich, sozusagen in Kauf zu nehmen, dass ein drittes Mal ein Kind missbraucht werden muss, wie jetzt passiert, bis so jemand endlich eine Gefängnisstrafe bekommt?" Lambrecht überraschte erneut mit einer Statistik, Höchststrafen würden in solchen Fällen nur äußerst selten ausgesprochen: "Gerade mal 0,5 Prozent aller Urteile befinden sich in dem Strafrahmen zwischen zehn und 15 Jahren." Das entspräche ein bis zwei Fällen pro Jahr. Und gerade deshalb sei es wichtiger dafür zu sorgen, dass Wiederholungstaten in Zukunft nicht mehr die Voraussetzung für eine Haftstrafe seien und dass es bei Kindermissbrauch keine minder schweren Fälle mehr gebe.

Lesen Sie auch: Expertin zu Missbrauch: Versäumnisse bei Familiengerichten