Bewaffnete holen in Guinea Ex-Militärmachthaber Camara aus dem Gefängnis
Zwei Jahre nach dem Militärputsch in Guinea herrschen in dem westafrikanischen Land wieder Angst und Unsicherheit: Schwer bewaffnete Männer holten am Samstag Ex-Machthaber Moussa Dadis Camara aus dem Gefängnis, in der Hauptstadt Conakry kam es zu heftigen Schießereien. Während die Bewaffneten nach Angaben aus Justizkreisen als "Befreier" auftraten, äußerte Camaras Anwalt die Befürchtung, dass der 58-Jährige entführt worden sei.
"Es war etwa 5.00 Uhr morgens. Schwer bewaffnete Männer sind in das Zentralgefängnis eingedrungen", sagte Justizminister Alphonse Charles Wright. Sie hätten vier Insassen herausgeholt, "vor allem Moussa Dadis Camara". Es handele sich aber nicht um einen Staatsstreich, betonte der Minister.
Die Militärführung rief ihrerseits zur Ruhe auf und versicherte, dass sie "unbeirrbar" hinter dem jetzigen Juntachef Mamady Doumbouya stehe. Die Angreifer auf das Gefängnis wollten die von Doumbouya "eingeleiteten Reformen sabotieren", erklärte Generalstabschef Ibrahima Sory Bangoura in einer Fernsehansprache.
Camara saß wegen eines Massakers von Soldaten an Demonstranten 2009 unter seiner Herrschaft im Gefängnis. Die maskierten Bewaffneten hätten erklärt, "gekommen zu sein, um Kapitän Dadis Camara zu befreien", hieß es aus Justizkreisen. Die Eindringlinge hätten sich im Inneren des Gefängnisses so bewegt, als ob sie es genau kennen würden. Sie seien direkt zur Zelle des Ex-Diktators vorgedrungen und hätten diesen und weitere Gefangene herausgeholt. Dann seien sie mit unbekanntem Ziel verschwunden.
"Der Generalstaatsanwalt hat mir mitgeteilt, dass mein Mandant von schwer bewaffneten Männern aus dem Gefängnis geholt wurde", sagte Anwalt Jocamey Haba der Nachrichtenagentur AFP. "Ich denke, dass er entführt wurde. Er hat Vertrauen in die Justiz unseres Landes, deshalb hat er niemals versucht zu fliehen", fügte er hinzu. "Sein Leben ist in Gefahr."
Camara hatte zwischen 2008 und 2009 die Macht in dem westafrikanischen Land. Unter seiner Herrschaft tötete das Militär im September 2009 bei einer Kundgebung der Opposition laut einer UN-Untersuchung mehr als 150 Menschen. Mindestens 109 Frauen wurden vergewaltigt.
Wegen des damaligen Vorgehens der Armee läuft seit September 2022 ein Prozess gegen Camara und andere mutmaßliche Verantwortliche. Seitdem sitzt der Ex-Machthaber im Gefängnis. Alle vier nun aus dem Gefängnis geholten Männer sind laut Justizministerium in dem Prozess angeklagt.
Vor der Nachricht von der Abholung Camaras aus dem Gefängnis hatten Einwohner Conakrys von heftigen Schusswechseln berichtet, Sicherheitskräfte hätten den Zugang zum Zentrum der Hauptstadt abgeriegelt. "Es wird sowohl mit automatischen als auch mit Kriegswaffen geschossen", berichteten Augenzeugen. Betroffen sei das Viertel Kaloum, das politische und administrative Zentrum des Landes.
Am internationalen Flughafen wiederum fielen am Samstagvormittag alle Flüge aus. Nach Angaben des Justizministers wurden alle Grenzen geschlossen.
Diese Abschottung erinnerte viele Menschen an den Putsch vom September 2021, mit dem sich der Offizier Mamady Doumbouya zu fast exakt der gleichen Uhrzeit an die Macht gehievt und damit elf Jahre ziviler Regierung beendet hatte. Damit gehört das 14-Millionen-Einwohner-Land neben Mali, Burkina Faso, Niger und Gabun zu den westafrikanischen Staaten, in denen seit 2020 geputscht wurde.
Doumbouya hatte auf den Prozess gegen Camara gedrungen. Er hat nach seinem Putsch versprochen, Gerechtigkeit zum "Kompass" seines Handelns zu machen. Auf internationalen Druck haben sich die Militärs inzwischen zudem bereit erklärt, bis Ende 2024 die Macht an eine gewählte Regierung zu übergeben. Die Opposition wirft der Junta aber vor, bislang nichts unternommen zu haben, um eine friedliche Machtübergabe vorzubereiten.
jes/dja