BGH: Strafe für IS-Rückkehrerin Jennifer W. muss neu verhandelt werden
Über die Strafe für die IS-Rückkehrerin Jennifer W., die dem Sterben eines versklavten Mädchens im Irak tatenlos zugesehen haben soll, muss neu verhandelt werden. Das Oberlandesgericht (OLG) München habe bei seinem Urteil einen minderschweren Fall angenommen, aber dabei Rechtsfehler gemacht, erklärte der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag in Karlsruhe. W. war in München im Oktober 2021 unter anderem wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Versklavung mit Todesfolge verurteilt worden. (Az. 3 StR 246/22)
Die aus Niedersachsen stammende Frau war 2014 im Alter von 23 Jahren nach Syrien in das Herrschaftsgebiet der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) gereist. Sie heiratete dort einen IS-Kämpfer, der kurz zuvor eine jesidische Frau und ihre fünf Jahre alte Tochter als Sklavinnen gekauft hatte.
Mit ihrem Ehemann zog W. in den Irak. Die versklavte Jesidin musste für das Ehepaar im Haushalt arbeiten. Wie das OLG feststellte, misshandelte der Mann sie - teils auch nach Beschwerden von W. - häufig. Im August 2015 band er das kleine Mädchen im Hof in der prallen Sonne an ein Fenstergitter. Das Kind starb.
Dem Münchner Urteil zufolge schritt W. nicht ein, obwohl sie die Lebensgefahr für die Fünfjährige erkannte. Als sie den Tod des Mädchens billigend in Kauf genommen habe, sei dieses aber nicht mehr zu retten gewesen. Für zwei Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Versklavung, eins davon mit Todesfolge, sowie für Beihilfe zum Mordversuch durch Unterlassen und andere Taten verhängte das OLG gegen W. eine Haftstrafe von neun Jahren.
Hinzu kam eine Verurteilung zu zweieinhalb Jahren wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland. Beides wurde zu einer Gesamtstrafe von zehn Jahren zusammengefasst. Über die Einzelstrafe von neun Jahren und damit auch über die Gesamtstrafe muss nun ein anderer Senat in München neu verhandeln und entscheiden.
Die Revision des Generalbundesanwalts hatte damit Erfolg. Wie der Vorsitzende Richter Jürgen Schäfer in Karlsruhe sagte, begegne die Annahme eines minderschweren Falls "durchgreifenden rechtlichen Bedenken". Der BGH zweifelte daran, dass das Münchner Gericht alle Umstände berücksichtigt habe.
So seien etwa W.s Beweggründe und Ziele nicht als möglicherweise straferschwerend erörtert worden. Dabei "drängt es sich auf, sie als menschenverachtend zu bewerten", sagte Schäfer. Er verwies unter anderem darauf, dass W. das Ziel des IS gebilligt habe, die religiöse Gruppe der Jesiden zu zerstören.
Zudem berichtete Schäfer von der grausamen Einzelheit, dass W. die Mutter nach dem Tod des Kinds mit vorgehaltener Pistole dazu gezwungen habe, mit dem Weinen aufzuhören. Sie habe damit "essenzielle emotionale Bedürfnisse" der Frau missachtet.
Es sei nicht auszuschließen, dass das OLG ohne die Rechtsmängel keinen minderschweren Fall gesehen hätte, so dass eine höhere Strafe hätte verhängt werden müssen, sagte er weiter. Auch W. selbst hatte sich mit einer Revision an den BGH gewandt. Diese wurde am Donnerstag aber verworfen. Ihr Ehemann ist inzwischen rechtskräftig zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
smb/cfm