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Billige Kopie oder Todesstoß? Die Folgen des LMDh-Reglements für die DTM

Welche Rolle spielt das neue LMDh-Reglement von IMSA und WEC für die DTM-Zukunft? Keine unwesentliche, denn während die Formel E von den Herstellern regelrecht geflutet wird, herrscht in den anderen Serien ein erbitterter Kampf um die Gunst der Autokonzerne.

Und ausgerechnet jetzt, wo DTM-Boss Gerhard Berger nach dem Audi-Ausstieg verzweifelt auf der Suche nach einem neuen Rivalen für BMW ist, könnte die Langstrecken-Spitzenklasse wegen der geringeren Kosten zum großen Spielverderber werden.

Dabei unterscheidet sich die Grundidee der DTM-Dachorganisation ITR für das Class-1-Reglement, das in der DTM und der japanischen Super-GT-Serie zum Einsatz kommt, kaum vom neuen Langstrecken-Konzept: Während in der DTM 80 Prozent des Autos einheitlich sind, können die LMDh-Hersteller beim Chassis von vier Anbietern wählen. Eine Silhouette sorgt da wie dort für das charakteristische Design des jeweiligen Herstellers.

Berger: LMDh-Reglement "ein Kompliment" für die DTM

Die einzige relevante Hersteller-Eigenentwicklung an den Boliden ist der Motor: Wie in der DTM, wo die Hybrideinführung für 2022 angedacht war, setzen auch ACO und IMSA auf eine einheitliche Hybrid-Lösung, allerdings nicht in Kombination mit Vierzylinder-Turbos, sondern mit einem offenen Motorenreglement.

"Ich werte das als Kompliment, denn dieses LMDh-Reglement ist im Grunde nichts anderes als das, was wir in der DTM haben", meinte DTM-Boss Gerhard Berger im Februar im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. "Man setzt wie bei unserem Class-1-Konzept auf Einheitsbauteile mit einer Silhouette. Das ist der richtige Weg. Außerhalb der Formel 1 kann man professionellen Motorsport nur noch betreiben, indem man über Einheitsbauteile die Kosten in den Griff kriegt."

Von einer großen Gefahr für die DTM wollte Berger damals nichts wissen: "Warten wir mal ab, wie viele Hersteller am Ende wirklich mitmachen. Das Beispiel Hypercars hat gezeigt: Ein Jahr lang wurden alle Möglichkeiten durchbesprochen - und jetzt hält sich das konkrete Interesse in Grenzen. Wobei ich die IMSA-Jungs rund um Ed Bennett sehr schätze und davon ausgehe, dass sie das hinkriegen werden."

Enormes Herstellerinteresse im Gegensatz zu Class 1

Am Donnerstag gaben IMSA und WEC nun endlich die entscheidenden Eckpunkte des neuen Reglements bekannt. Nun darf man - auch in Anbetracht der Coronakrise - gespannt sein, wie viele Hersteller wirklich einsteigen. Das Interesse scheint im Gegensatz zur DTM, die abgesehen von Aston-Martin-Lizenznehmer R-Motorsport in den vergangenen Jahren niemanden von einem Engagement überzeugte, weiterhin groß zu sein. Das zeigte bereits die Teilnehmerliste am Meeting der technischen Arbeitsgruppe.

Neben Volkswagen-Tochter Porsche, die bereits eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gab, zeigten sich rund 15 Hersteller interessiert, darunter auch BMW, Nissan, Toyota, Acura (Honda), Ferrari, und Cadillac. Nur Aston Martin und Audi fehlten. Dass die Ingolstädter nicht anwesend waren, könnte damit zu tun haben, dass man nicht wie in LMP1-Zeiten zwei konkurrierende Volkswagen-Marken ins Rennen schicken will.

Das tut man zwar auch in der Formel E, auf die man derzeit wegen der Elektro-Neuausrichtung des Konzerns kaum verzichten kann, aber im Langstreckenbereich würde das wenig Sinn ergeben, da es wegen des auf Einheitsautos ausgelegten Konzepts im Gegensatz zu LMP1-Zeiten auch keinen großen Know-how-Gewinn für die Marken gibt.

Warum die DTM nicht mithalten kann

Problematisch könnte allerdings sein, dass mit BMW, Honda, Toyota und Nissan vier Hersteller Interesse zeigen, die auch über ein Class-1-Auto verfügen. Denn die Kosten-Nutzen-Rechnung spricht eher für ein Engagement in der Langstrecken-Topklasse als für die Rettung der DTM: Während Audi im Jahr der Turbo-Einführung 80 Millionen Euro ausgab, dürfte das Jahresbudget für ein LMDh-Projekt exklusive Entwicklung rund 20 Millionen Euro betragen.

Doch das ist nicht der einzige Nachteil der DTM. Das Class-1-Reglement der ITR sei "zu speziell", warnte Hans-Joachim Stuck bereits vor der Audi-Bekanntgabe im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. "Bei einem Class-1-Auto gibt es nur zwei Rennserien, während man mit diesem neuen IMSA-WEC-Reglement die ganze Welt abdeckt."

Das liegt daran, dass man mit einem LMDh-Auto sowohl in der IMSA als auch in der WEC starten kann. Und man fährt auch noch um Gesamtsiege beim prestigeträchtigen Le-Mans-Gesamtsieg, der weltweit für Schlagzeilen machen würde, sowie bei den US-Klassiker in Sebring und Daytona.

Zudem bieten sich die weltweiten Veranstaltungen für Kundenevents und Marketingaktionen auf unterschiedlichen Märkten an, während man in der DTM im Grunde auf Deutschland und seine Nachbarländer begrenzt ist. Das ist ein Grund, warum Audi und BMW in Hinblick auf die Internationalisierung der DTM so großen Druck gemacht haben.

© Motorsport-Total.com