Billiger parken, weniger Fahrradwege - Der große Pro-Auto-Plan der FDP: „Das hilft nicht einmal den Autofahrern“

Ist das die Zukunft des Verkehrs? Stau in der Innenstadt von Hamburg (Archivbild)<span class="copyright">Canetti/Getty Images/iStockphoto</span>
Ist das die Zukunft des Verkehrs? Stau in der Innenstadt von Hamburg (Archivbild)Canetti/Getty Images/iStockphoto

Mehr Platz für Autos, weniger Platz für Fahrräder: Die Pläne der FDP für eine autofreundliche Mobilitätspolitik sorgen für Aufsehen. Experten wie Praktiker warnen vor den Folgen für das Klima und die Verkehrswende - und fügen hinzu: Selbst eingefleischte Autofahrer hätten an dem Programm nur wenig Freude.

Meinen die das ernst? Die zu Beginn der Woche vorgestellten Verkehrspläne der FDP lösten vor allem Verwirrung aus. „Fahrplan Zukunft – Eine Politik für das Auto“ lautet der Titel des dreiseitigen Papiers, dass das FDP-Präsidium am Montag offiziell beschlossen hat. „Kommunen, Länder und Europäische Union müssen sich zum Automobil bekennen“, heißt es darin, und später: „Wir Freie Demokraten setzen uns in der Bundesregierung für eine Verkehrspolitik ohne Ideologie ein.“

Gefordert werden in dem Papier unter anderem eine Einschränkung des Umwandelns von Straßen in Fahrradwege oder Fußgängerzonen. Diese solle nur noch „mit einem schlüssigen Gesamtkonzept und unter Einbezug der Anwohner und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Interessen der anliegenden Gewerbe“ erfolgen, heißt es in dem Papier. Eine weitere zentrale Forderung ist günstigeres oder sogar kostenloses Parken, etwa in Form eines deutschlandweiten „Flatrate-Parkens“ ähnlich dem 49-Euro-Ticket im Bahnverkehr. „Kostenloses Parken könnte dazu beitragen, mehr Kundinnen und Kunden in die Innenstädte zu locken“, begründet das FDP-Präsidium den Vorstoß.

„Es gibt auch dumme Flatrates“

Mehr Autos in den Städten? Das Echo auf die FDP-Forderungen fiel zunächst vernichtend aus - nicht nur seitens der Koalitionspartner SPD und Grünen. „Es gibt auch dumme Flatrates“, wählte etwa „Die Zeit“ als Überschrift für einen scharfen Kommentar. Und der „Tagesspiegel“ urteilt : „Ein Verkehrskonzept wie ein Aprilscherz“. Mit Zukunft habe das Papier nichts zu tun, „das ist eher eine leer drehende Retro-Show.“

In der Praxis geht der Trend tatsächlich in eine andere Richtung. Viele Städte suchen Wege, um weniger Autos in die Innenstädte zu leiten, nicht mehr. Denn Autoverkehr frisst Platz, emittiert klima- und gesundheitsbedrohende Schadstoffe, verursacht Lärm, ist eine konstante Quelle von lebensgefährlichen Unfällen. Stattdessen versuchen Kommunen, die Teilhabe von Fußgängern und Fahrradfahrern zu stärken sowie den Öffentlichen Nahverkehr auszubauen.

Die Frage nach der Attraktivität

Doch weil der Platz in den Innenstädten begrenzt ist, gehen solche Maßnahmen oft zu Lasten des Autos. In Jena etwa hat das Rathaus von FDP-Bürgermeister Thomas Nitzsche die Erhöhung der Parkgebühren verkündet - von „kostenlosem Parken“ kann in der Thüringer 100.000-Einwohner-Stadt keine Rede sein. „Pkw dürfen nicht aus der Stadt ausgesperrt werden“, sagte Nitzsche dem „Spiegel“ . „Aber die Autos sollen in der Innenstadt möglichst nicht sichtbar sein, sondern schnell verschwinden. Lebenswert wird eine Innenstadt, wenn Autos nicht im Weg sind.“

Das Jena-Konzept: Günstige, aber begrenzte Parkplätze in Tiefgaragen und Parkhäusern, entlang der Straßen soll das Parken dafür teurer werden. „Gleichzeitig wollen wir den öffentlichen Personennahverkehr ausbauen und Radfahrer und Fußgänger massiv stärken“, erklärte Nitzsche. Jenas Kneipenmeile, die Wagnergasse, sei auch erst richtig aufgeblüht, seit sie zur Fußgängerzone umgewandelt wurde. „Wo Fußgängerzonen eingerichtet werden, wird die Innenstadt attraktiv“, so Nitzsche.

Nicht mal der ADAC ist Fan

Und nicht einmal die Menschen, denen die FDP mit ihren Plänen etwas Gutes tun will, würden davon profitieren, warnen Experten. „Es ist zu befürchten, dass eine Parking-Flatrate noch nicht einmal den Autofahrern hilft“, warnt Felix Creutzig, Verkehrsforscher und Professor an der Technischen Universität in Berlin, gegenüber FOCUS online Earth. „Eine erhöhte Nachfrage nach Parkplätzen hätte mehr Parksuchverkehr und Stau zur Folge, frustrierte Pendler und Anwohner, die keinen Parkplatz mehr finden.“ Daher würden die meisten Ökonominnen und Ökonomen auch ein „räumlich differenziertes Bepreisen“ des Autoverkehrs empfehlen, so Creutzig: In der Stadt, wo Platz knapp ist, brauche es andere Konzepte als auf dem Land.

Kein Wunder also, dass nicht einmal der Automobilclub ADAC sich für den FDP-Vorstoß begeistern kann. Fahrradstraßen leisteten einen guten Beitrag, um den Verkehr stärker zu trennen und so die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden zu erhöhen, hieß es in einer Stellungnahme. Und: „Wo heute schon Verkehrsprobleme aufgrund knapper Flächen bestehen, sollten Pull-Effekte für den Pkw vermieden werden.“

Der Bund kann gar nichts machen

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) forderte außerdem mehr Respekt vor der Entscheidungskompetenz der Kommunen. „Klar ist, dass es keine Patentrezepte für die Innenstädte und Ortskerne gibt", sagte Hauptgeschäftsführer André Berghegger dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Die notwendigen Entscheidungen müssen vor Ort von den Stadt- und Gemeinderäten nach dem Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung getroffen werden.“ Notwendig sei ein ausgewogener Mix aus ÖPNV, Fahrradwegen, Fußgängerzonen und Angeboten für Autofahrer. Für diese komplexen Herausforderungen gebe es selten einfache Lösungen.

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Tatsächlich räumte auch die FDP bei Vorstellung des Papiers ein, dass der Bund hier gar nichts vorzuschreiben hat: Das Erheben von Parkgebühren fällt in die Zuständigkeit der Kommunen. Die Bundesebene könne die Kommunen lediglich auffordern, die von der FDP skizzierten Maßnahmen zu ergreifen, sagte der brandenburgische FDP-Chef Zyon Braun. Er soll eine zur Verkehrspolitik eingesetzte Arbeitsgruppe der Liberalen leiten.

Hinzu kommt: Die Rechte der Kommunen, was die Gestaltung ihres eigenen Verkehrs angeht, wurden erst zuletzt gestärkt. Seit Juni dürfen Gemeinden dank einer Reform des Straßenverkehrsgesetzes freier als früher Sonderfahrspuren für Busse und Fahrräder einrichten oder Tempo-30-Zonen ausweisen. “Mit der Gesetzesänderung wollen wir das Straßenverkehrsgesetz den Bedürfnissen einer modernen Verkehrsplanung anpassen", sagte Verkehrsminister Volker Wissing damals, nachdem er die Reform im Bundesrat durchgeboxt hatte. „Wir vermeiden damit Bürokratie und erweitern die Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen.“ Die Partei, der Wissing angehört: die FDP.