Björn Moschinski: "Irgendwann kommt unser Fleisch aus Laboren"

Der vegane Star-Koch Björn Moschinski wagt im Interview einen Blick in die Zukunft und glaubt, dass das Fleisch, das auf unseren Tellern landet, irgendwann in Laboren hergestellt wird.

Star-Koch Björn Moschinski (*1979, "Vegan quick & easy: Über 60 Blitzrezepte") ist an diesem Wochenende (21. und 22. Oktober) zu Gast auf der veganen Lifestyle-Messe XOND in Stuttgart. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news spricht er über die Zukunft des Fleischkonsums und erzählt, was er von veganen Ersatzprodukten hält und warum eine vegane Ernährung auch ungesund sein kann.

Sie sind auf der "XOND - VEGAN FÜR ALLE"-Messe in Stuttgart und halten einen Vortrag. Wenn Sie heute angesprochen werden, was für Fragen werden Ihnen gestellt? Sind das die gleichen wie vor zehn Jahren?

Björn Moschinski: Es kommt immer stark darauf an, mit wem man dort zu tun hat. Gerade Reporter stellen häufig ähnliche Fragen. Menschen, die schon etwas Hintergrundwissen haben oder aus dem veganen Bereich kommen, hinterfragen das Ganze nicht mehr. Die Themen haben sich in den letzten 20 Jahren allerdings nicht verändert. Das Schöne ist nur jetzt, dass wir die vegane Lebensweise mit Fakten untermauern können. Und da es nicht nur die Zahlen der Veganer selbst sind, sondern öffentlich bekannte und bestätigte Zahlen, haben sie dementsprechend eine ganz andere Gewichtung.

Was für Menschen trifft man heutzutage auf einer veganen Messe an?

Moschinski: Eigentlich interessiert so eine Messe alle Menschen. Es gibt immer mehr Jugendliche, die sich bewusst mit dem Thema Ernährung, aber auch Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Vergangene Woche durfte ich einen Vortrag zu diesen Themen vor 200 Jugendlichen an einer Schule halten. Das Feedback darauf war enorm positiv. Gerade von Schülern, die selbst Fleisch konsumieren. Das erlebt man sehr oft, dass sich viele Menschen mit dem Thema beschäftigen, weil sie merken, dass in der heutigen Gesellschaft eine Veränderung herbeigeführt werden muss. Weil so, wie wir es gerade treiben, funktioniert es auf Dauer nicht, nicht mal mehr wirklich lange.

Aber auch Menschen in meinem Alter, sprich Menschen, die Kinder haben, trifft man oft dort. In der veganen Ernährung gibt es nämlich viele gute Ansätze, wie man die Kinder gesund ernährt. Außerdem wollen sie für ihre Kinder eine solide Zukunft schaffen.

Dann haben wir Menschen, die 50 Jahre alt und aufwärts sind, die sich mit ihrem Leben und ihrer Gesundheit auseinandersetzen. Es gibt neue Studien zum Thema Ernährung und die Auswirkung auf den Körper, die immer mehr fokussieren, dass die Ernährung einen maßgeblichen Einfluss auf unser Wohlbefinden oder auf Krankheiten hat. Und auch immer mehr Ärzte propagieren eine überwiegend, wenn nicht sogar eine rein pflanzliche Ernährung, um zum Beispiel Allergien, Bluthochdruck oder Arterienverkalkung zu umschiffen oder um eine Heilung zu fördern. Es ist erwiesen, dass eine gesunde Ernährung, zu der natürlich sehr viel frische Kost gehört, bei bestimmen Krankheiten den Heilungsprozess begünstigen kann.

Mit welchem Mythos über den veganen Lebensstil würden Sie persönlich gerne ein für alle Mal aufräumen?

Moschinski: Viele Menschen denken, vegan leben heißt, verzichten. Das ist der größte Mythos. Viele Menschen machen sich über das Thema Ernährung Gedanken und wollen sich verändern, weil sie merken, dass es ihnen nicht gut tut, was sie essen, aber nicht verzichten wollen. Und das ist das Spannende. Ich kann den Menschen durch das Kochen zeigen, dass sie das nicht müssen. Sie müssen nur wissen, wie sie die Rohstoffe verarbeiten und schon hat man sein Seelenheil. In der veganen, wie auch in der Fleischküche. Das ist auch der Grund, warum ich Koch geworden bin.

Der Philosoph Richard David Precht beschwört ein baldiges Ende des Fleischkonsums herauf. Ist diese Voraussage realistisch?

Moschinski: Nein, das glaube ich absolut nicht. Ich glaube, dass der Fleischkonsum nie zu Ende sein wird. Er wird sich verändern, weil ich davon ausgehe, dass wir demnächst irgendwann mal einen großen Knall erleben werden. Dann wird das Thema Massentierhaltung vielleicht angepackt. Aber über die vergangenen Jahrhunderte haben wir den Fleischkonsum so in unserer Gesellschaft manifestiert, dass wir ihn so schnell nicht abschütteln werden. Ich würde es mir natürlich wünschen, kann mir aber nicht vorstellen, dass wir das in den nächsten 50-150 Jahren ändern werden.

Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass der Fleischkonsum nie aufhören wird, nur die Quelle des Fleisches ist dann vielleicht eine andere. Ich denke da an In-vitro-Fleisch und andere Alternativen. Vielleicht beziehen wir unser Fleisch früher oder später aus Laboren und töten die Tiere nicht mehr. Es stellt sich eigentlich gar nicht mehr die Frage, ob wir Fleisch essen sollen oder nicht, wir können es einfach nicht mehr. Es ist bereits kurz vor zwölf. Wenn wir alle unsere Ressourcen in die Forschung stecken würden, um perfekte Nachbildungen zu produzieren, dann würden wir kein Tier mehr benötigen.

Wie stehen Sie allgemein zu den Ersatzprodukten, die momentan in den Supermärkten angeboten werden. Sie geraten ja auch immer wieder in die Kritik, weil sie häufig viele künstliche Inhaltsstoffe enthalten?

Moschinski: Die Kritik ist absolut berechtigt und ein riesiges Problem. An diesem Punkt muss ich immer wieder sagen: "Vegan kann gesund sein, muss es aber nicht". Jeder muss selbst definieren, wie er leben möchte. Ich betone immer wieder, dass die vegane Lebensweise in erster Linie nichts mit Nachhaltigkeit, dem Geschmack oder Gesundheit zu tun hat, sondern in erster Linie nur mit dem Verzicht auf tierische Produkte. Alles, was danach kommt, kann jeder für sich individuell bestimmen. Ich könnte mich auch von Plastiktüten ernähren. Das ist zwar vegan, aber sicherlich nicht gesund.

Allerdings sollten Menschen, die an veganen Produkten rummäkeln, sich einfach mal die Inhaltsstoff-Liste auf den Produkten ansehen, die sie im Regal haben. Aber es stimmt, Käse- oder Fleischalternativen sind teilweise fragwürdig. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass die älteste deutsche Firma, die vegane Produkte herstellt, gerade einmal 35 Jahre alt ist. Was in dieser kurzen Zeit bereits an Produkten auf den Markt gekommen ist, ist einfach gigantisch.

In Berlin-Friedrichshain wurde ein Pilotprojekt gestartet, bei der an Schulen zweimal wöchentlich ein veganes Gericht angeboten wird. Bis es soweit war, dauerte es unfassbar lange und der Prozess schien unheimlich schwierig zu sein. Warum ist Essen so ein Politikum?

Moschinski: Weil es genau das ist: reine Politik. Die Industrie verdient mit dem Thema Fleisch sehr viel Geld und betreibt auch unglaublich viel Lobbyarbeit. Es ist bekannt, dass verschiedene Fleischhersteller mit ihren Mitarbeitern absolut unmenschlich umgehen und diese ausbeuten. Darüber gibt es Berichte, es geschieht aber dennoch nichts.

Foto(s): imago/foto-ritter.de