„Blamage“ - Wichtiger Klimagipfel scheitert, weil Delegierte plötzlich abreisen

Am Ende: Delegierte am letzten Tag der Weltnaturkonferenz (COP16) am späten Freitag im kolumbianischen Cali<span class="copyright">JOAQUIN SARMIENTO / AFP</span>
Am Ende: Delegierte am letzten Tag der Weltnaturkonferenz (COP16) am späten Freitag im kolumbianischen CaliJOAQUIN SARMIENTO / AFP

Biologische Vielfalt sichert nicht nur die Lebensgrundlagen des Menschen, sondern trägt auch wesentlich zum Wohlstand bei. Beim Weltnaturgipfel in Kolumbien gab es aber nur kleine Fortschritte zum Erhalt der Biodiversität. Auch die Rolle Deutschlands betrachten Experten kritisch.

Es sollte alles anders werden. Endlich sollte gehandelt werden, statt immer nur zu debattieren. Die Realität sah anders aus. Am Samstag ging im kolumbianischen Cali die Weltnaturkonferenz zu Ende, nachdem über viele Stunden erfolglos um eine Abschlusserklärung gerungen worden war. Die Vertreter von rund 200 Ländern hatten bei der 16. UN-Konferenz zur biologischen Vielfalt (COP16) zwei Wochen lang beraten. Das Ende geriet nach Ansicht des WWF zu einer „Blamage“.

„Nach einem zwölfstündigen Schlussplenum musste die Konferenz trotz ausstehender Agendapunkte abrupt beendet werden. Es waren nicht mehr genug Delegierte im Raum, um beschlussfähig zu sein“, hieß es von der Umweltstiftung laut einer Mitteilung. „Das Ziel, die Naturzerstörung bis 2030 aufzuhalten und sogar rückgängig zu machen, verbleibt nach dieser Konferenz noch in weiter Ferne“, sagte Florian Titze, Experte für internationale Politik beim WWF Deutschland.

„Es ist bedauerlich, dass die Weltnaturkonferenz zu Ende gegangen ist, ohne dass eine Strategie beschlossen wurde, wie weitere Gelder für den Naturschutz aufgebracht werden können“, teilte Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), mit.

Dabei waren zum Beginn der Konferenz große Ziele ausgegeben worden: „Das ist die COP der Umsetzung“, hatte die kolumbianische Umweltministerin Susana Muhamad gesagt.

Wildtiere verschwinden rasant

Bereits vor zwei Jahren verpflichteten sich die Staaten in einem Rahmenabkommen - dem Weltnaturvertrag - auf eine Reihe von Zielen, die bis 2030 erreicht werden sollen. Beispielsweise wurde vereinbart, mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen. Zudem sollen die Industrieländer bis 2025 jährlich rund 20 Milliarden Dollar für den Schutz der Artenvielfalt bereitstellen.

„Ihre Aufgabe auf dieser COP ist es, den Worten Taten folgen zu lassen“, sagte UN-Generalsekretär António Guterres vor zwei Wochen in einer Videobotschaft an die Delegierten. „Das bedeutet, dass die Länder klare Pläne vorlegen müssen, die die nationalen Maßnahmen mit allen Zielen des Rahmenabkommens in Einklang bringen.“

Wie groß der Handlungsbedarf ist, zeigte zuletzt der „Living Planet Report 2024“ der Umweltstiftung WWF und der Zoologischen Gesellschaft London. Demnach schrumpften die insgesamt 35.000 untersuchten Wildtier-Populationen - darunter Säugetiere, Vögel, Fische, Amphibien und Reptilien - in den vergangenen 50 Jahren um durchschnittlich 73 Prozent. Am stärksten betroffen sind Lateinamerika und die Karibik (95 Prozent), gefolgt von Afrika (76 Prozent) und der Asien-Pazifik-Region (60 Prozent).

„Bisher positive Konferenz endet mit bitterer Note“

Am Ende der Konferenz habe die Blockade des Biodiversitätsfonds durch die EU die Gräben zwischen Industriestaaten und Ländern des Globalen Südens vergrößert, erläuterte Jannes Stoppel, Politikexperte von Greenpeace Deutschland. „Die bisher positive Konferenz endete nun mit einer bitteren Note eines zunehmenden Vertrauensverlustes.“

Dass es beim globalen Biodiversitätsfonds keine Einigung gegeben habe, treffe das bereits schwer belastete Vertrauensverhältnis zwischen Industriestaaten und den Ländern im Globalen Süden empfindlich, hieß es auch vom WWF.

Die Verabschiedung einer Finanzierungsstrategie sei ausgeblieben - und mangels dieser Einigung und wegen der fehlenden Beschlussfähigkeit im schon halbleeren Raum sei schließlich auch der Mechanismus aus dem finalen Beschluss geflogen, mit dem die Länder ihre Umsetzungsergebnisse hätten messen sollen.

Ein Lichtblick bleibt

Lichtblicke in Cali waren dem WWF zufolge unter anderem ein Durchbruch für den Schutz biodiversitätsreicher Meeresgebiete und die stärkere Beteiligung indigener Bevölkerungen, lokaler Gemeinschaften und deren Wissen.

Die Delegierten hatten sich auf die Einrichtung eines permanenten Untergremiums geeinigt, das indigene Völker in künftige Gespräche und Entscheidungen über den Naturschutz einbeziehen soll. Flasbarth vom BMZ bezeichnete dies nun als einen „geradezu historischen Schritt“.

„Besonders freue ich mich, dass die Stimme der indigenen Völker und lokalen Gemeinschaften gestärkt wird – denn sie spielen eine äußerst wichtige Rolle im globalen Biodiversitätsschutz“, hieß es in einer Stellungnahme von Bundesumweltministerin Steffi Lemke zum Abschluss der Konferenz. „Die intensiven Verhandlungen der vergangenen zwei Wochen haben uns aber auch klargemacht, dass noch viel Arbeit vor uns liegt.“

„Armutszeugnis der deutschen Regierung“

Die Rolle Deutschlands bei der Konferenz wird von Experten zwiespältig beurteilt: Einerseits habe die Bundesregierung zusätzliche Finanzmittel zur Umsetzung von Biodiversitätsstrategien im globalen Süden zugesagt, erklärte der Hamburger Evolutionsbiologe Matthias Glaubrecht. „Aber selbst keine abgestimmte und zielführende Maßnahmenstrategie mit Kontrollmechanismen vorgelegt zu haben, ist ein Politik-Versagen und weiteres Armutszeugnis der derzeitigen deutschen Regierung.“ Auch in der Bundesrepublik gebe es vielfach Schutzgebiete nur auf dem Papier. Außerdem werde nicht, wie zugesagt, auf 30 Prozent der Fläche die Artenvielfalt geschützt.

Auch die Deutsche Umwelthilfe erklärte, Deutschland wäre in Cali glaubwürdiger aufgetreten, wenn die Bundesregierung eine Nationale Biodiversitätsstrategie vorgelegt hätte, anstatt eines noch nicht vom Kabinett gebilligten Entwurfes der Bundesumweltministerin.

+++ Keine Klima-News mehr verpassen - abonnieren Sie unseren WhatsApp-Kanal +++