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Aktuelle Buch-Kritiken: George R.R. Martin, Dominique Manotti, Claus Heinrich Meyer, Rhonda Byrnes

Martin, Manotti, Byrne und Meyer- Denis Schecks Top- und Flop-Bücher in diesem Monat
Martin, Manotti, Byrne und Meyer- Denis Schecks Top- und Flop-Bücher in diesem Monat

SCHECK EMPFIEHLT:

Dominique Manotti: "Das schwarze Korps" (Deutsch von Andrea Stephani, Argument Verlag, S. 17,90 €)
Was für ein Wurf! Die Spezialität der Historikerin und ehe­maligen Gewerk­schaftssekretärin Dominique Manotti sind Wirtschaftskrimis: Seit Jane Austen hat keine Frau so spannend über Geld geschrieben. Getreu der Brechtschen Einsicht: "Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank? Was ist die Ermordung eines Mannes gegen die Anstellung eines Mannes?", schildert Manotti in diesem Roman das Ineinandergreifen des Räderwerks der französischen Kollaboration. Angesiedelt während der letzten Wochen der deutschen Besetzung von Paris 1944, inszeniert Manotti einen hypnotischen Reigen von Gaunern und Industriellen, Salondiven und SS-Offizieren, Doppelagenten, Spitzeln und Angehörigen der Resistance. Während die Alliierten endlich in der Normandie gelandet sind und im Schneckentempo auf Paris vorrücken, versucht jeder auf seine Weise seine Schäfchen ins Trockene zu bringen oder zumindest diese letzten Wochen des Terrors unbeschadet zu überstehen. Schwer genug, denn in diesen Tagen des Zusammenbruchs werden alte Rechnungen beglichen, Zeugen ausge­schaltet, Spuren verwischt. Die Handlung kreist um französische Fabrikanten, hin und her gerissen zwischen ihrer Abscheu vor den Nazis und ihrem noch größeren Widerwillen gegen die Vierzigstundenwoche, um einen Inspekteur der französischen Sittenpolizei, der mitansehen muss, wie die Liebe seines Lebens ihr Gewissen am die SS verkauft, und um den Diebstahl von einhunderttausend Flaschen Wein und Champagner aus dem Keller eines amerikanischen Millionärs. Manotti arbeitet mit atemlosen Perspektivwechseln und versteht in diesem atmosphärisch dichten Krimi etwas von jenem Delirium aus Gewalt, Freiheit und Verbrechen heraufzubeschwören, das die letzten Monate des Zweiten Weltkriegs kennzeichnete.

George R. R. Martin: "Der Sohn des Greifen" und "Ein Tanz mit Drachen"
(Deutsch von Andreas Helweg, Penhaligon, 832 und 800 S. jeweils 16 €)

Martins monumentales Fantasy-Epos "Ein Lied von Eis und Feuer" über sich gegenseitig bekriegende Herrscherdynastien und ihres Kampfs um den Eisernen Thron ist im amerikanischen Original auf sieben Bände konzipiert, die im Deutschen allerdings jeweils auf zwei Bände verteilt erscheinen. So kommt es, dass der fünfte Roman "A Dance of Dragons" auf Deutsch als Band neun und zehn von "Ein Lied aus Eis und Feuer" erscheinen. Jeder Versuch einer inhaltlichen Zusammenfassung des Handlungsverlaufs, der auf dem Kontinent Westeros im 14. Jahr der Herrschaft von König Robert Baratheon einsetzt, mündet unweigerlich in eine Variante von Loriots berühmter Ansage "der achten Folge des sechzehnteiligen Fernsehkrimis 'Die zwei Cousinen': auf dem Landsitz North Cothelstone Hall von Lord und Lady Hesketh-Fortescue befinden sich außer dem jüngsten Sohn Meredith auch die Cousinen Priscilla und Gwyneth Molesworth aus den benachbarten Ortschaften Middle Fritham und Nether Addlethorpe ..." Warum aber sind diese genial geplotteten Fantasyromane mehr als gute Unterhaltung? Weil Martin die Triebstrukturen seiner Charaktere brillant herauspräpariert, weil er Esprit in ein nicht eben humorverwöhntes Genre bringt und weil er sein figurenreiches Ensemble perfekt choreographiert. Martin lesen ist wie einem Jongleur zuzusehen, der zehn Bälle gleichzeitig in der Luft hält, ohne dass seine Artistik bloß mechanisch und spieldosenhaft wirkt. "Ein Lied aus Eis und Feuer" bestätigt auf eindrucksvollste G. K. Chesterons schöne Erkenntnis, wonach Märchen wahr sind - "nicht weil sie uns sagen, dass es Drachen gibt, sondern weil sie uns sagen, dass Drachen besiegt werden können".

Gernot Sittner (Hrsg): „C.H. M." Süddeutsche Zeitung Edition, 259 S.,
24.90 €)

C.H.M. - hinter diesen Initialen verbarg sich der Journalist und Fotograf Claus Heinrich Meyer, der als Autor von über zweitausend „Streiflicht"-Kolumnen entscheidend zum Ruhm der „Süddeutschen Zeitung" beigetragen hat — und dazu, dass das Leben in Deutschland angenehm, zivilisiert und anregend wurde. Dieser Band versammelt Essays, Glossen, Reportagen und Fotografien Meyers, der als Pastorensohn aus dem Ruhrgebiet ein Wegbegleiter der Bonner und später der Berliner Republik war. Er enthält nicht eine langweilige Zeile, aber darauf kommt es nicht an. Entscheident ist, dass man an Meyers Texten eine Lebenshaltung studieren kann: sie zeugen von Engagement und gleichzeitig von Gelassenheit und dem Streben nach intellektueller Fairness. Kurz gesagt: irgendwo muß man ja denken und schreiben lernen. Hier kann man es.

SCHECK RÄT AB:

Rhonda Byrne „The Secret — das Geheimnis." (Deutsch von Karl Friedrich Hörner, Goldmann Verlag, 240 S. 16.95 €)
Wie die meisten abgeschmackten und schändlich unredlichen Bucherzeugnisse ist auch diese Schwachsinnsbibel ein Nebenprodukt des Fernsehens. In diesem Begleitbuch zu einer australischen TV-Serie über die Geheimnisse des esoterischen Denkens finden sich tatsächlich Sätze wie „Sie sind der Herr Ihres Lebens, und das Universum spricht auf jeden Ihrer Befehle an." Wenn dies so wäre und das Universum kümmerte sich auch nur ein klitzkleinwenig um meine Befehle, Rhonda Byrnes gemeingefährliche Schwarte stünde gewiss nicht seit April 2007 auf der deutschen Bestsellerliste.