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Krank durch Sauberkeit – ist zu viel Hygiene schädlich?

In unserer heutigen Industriegesellschaft werden Dreck und Schmutz nahezu vollständig aus dem Alltag verbannt. Jeden Tag zeigt uns die Werbung, dass alles "porentief rein" sein und im Haushalt dem Schmutz der Krieg erklärt werden muss. Schnell gerät hier in Vergessenheit, dass wir Menschen schon immer von Bakterien begleitet wurden und sie aus unserer Umwelt nicht wegzudenken sind. Besonders für Kinder, die in nahezu keimfreien Haushalten aufwachsen, kann übertrieben Hygiene zu gesundheitlichen Problemen führen. Das Immunsystem wird nicht mehr stimuliert. Die Folge: Ein höheres Risiko für Allergien und Autoimmunerkrankungen wie Diabetes.

Experten der Harvard Medical School haben in Experimenten mit Mäusen gezeigt, dass unter sterilen Bedingungen aufgezogene Tiere viel häufiger zu immunbedingten Erkrankungen neigen, als die unter "normal schmutzigen" Rahmenbedingungen lebenden Tiere. Was hier an Mäusen gezeigt wurde, kann womöglich auch auf uns Menschen übertragen werden.

Allergien, Asthma, Autoimmunerkrankungen: Eine Folge übertriebener Hygiene

Forscher haben die starke Vermutung, dass sterile Lebensbedingungen im Kindesalter die Entwicklung des Immunsystems stören und im späteren Leben zu Asthma, Allergien und anderen Autoimmunerkrankungen führen.

Experten sprechen hier von der "Hygienehypothese". Sie besagt, dass die Zahl an Autoimmunerkrankungen zunimmt, je weniger Menschen mit Krankheitserregern aus der Umwelt in Kontakt kommen.

Finnland: Ein sauberes Land mit vielen Diabetes-Fällen

Lange Zeit diente die "Hygienehypothese" dazu, die zunehmende Häufigkeit allergischer und asthmatischer Erkrankungen bei Kindern zu erklären. Forscher wollen nun aber auch zeigen, dass sterile Bedingungen im Kindesalter sogar Autoimmunerkrankungen wie Diabetes auslösen können.

Eine große EU-finanzierte Studie aus Finnland vergleicht dazu die sehr unterschiedlichen hygienischen Standards verschiedener europäischer Bevölkerungsgruppen.

Laut der Internationalen Diabetes Stiftung erkranken in Finnland - eines der reichsten und modernsten Länder der Welt - jährlich etwa 58 von 100.000 Kindern an Diabetes Typ 1. In Karelien, einem Gebiet direkt an der Grenze zu Finnland, sind es hingegen nur unter 10 Fälle pro 100.000 Kinder.

Da die Bewohner dieser beiden Regionen über ähnliche Gene verfügen, haben die unterschiedlichen Diabetesraten wahrscheinlich etwas mit den Umweltbedingungen und dem Hygienestandard zu tun.

Die Forscher vermuten, dass die Zusammensetzung der Darmflora wichtige Hinweise auf das Entstehen von Autoimmunerkrankungen liefern kann.

Das kindliche Immunsystem sollte auf natürliche Weise trainiert werden

Zu viel Hygiene ist ungesund. Der Grund: Damit Kinder ein starkes Immunsystem aufbauen können, muss es stimuliert werden. Die Anregungen kommen von Bakterien oder Viren, die das Immunsystem trainieren.

Regelmäßiger Kontakt zu anderen Kindern, Spielen im Freien und im Dreck oder eine Ferienfreizeit auf dem Bauernhof sind daher empfehlenswert.

Eine völlig falsche und gefährliche Ableitung aus der Hygienehypothese wäre übrigens, auf Schutzimpfungen zu verzichten oder bei schweren Infektionskrankheiten keine Medikamente zu verabreichen!

Auch die Haut leidet unter übertriebener Sauberkeit

Ein weiteres Organ, das stark unter übertriebener Hygiene leidet, ist die Haut. Der Grund: Ihr sensibles Gleichgewicht wird durch übertriebene Hygiene massiv gestört.

Auf unserer Haut leben unzählige ungefährliche Bakterien, die als sogenannte Hautflora einen Schutz vor anderen Krankheitskeimen bieten. Zu häufiges Waschen stört die Hautflora. Oft ist dies die Ursache von Hauterkrankungen.

In den vergangenen Jahren haben Dermatologen eine Zunahme an Hautkrankheiten beobachtet und führen dies auch auf zu häufiges Waschen mit ungeeigneten Mitteln zurück.