Waschen, zählen, shoppen - Das muss man zu Zwangsstörungen wissen

Noch alle da? Schnell mal nachzählen! Menschen mit einer Zwangsstörung haben das Gefühl, bestimmte Handlungen immer wieder ausführen zu müssen. (Foto: Franziska Koark/dpa)
Noch alle da? Schnell mal nachzählen! Menschen mit einer Zwangsstörung haben das Gefühl, bestimmte Handlungen immer wieder ausführen zu müssen. (Foto: Franziska Koark/dpa)


Wir waschen uns die Hände nicht länger als 20 Sekunden. Manche Menschen tun dies jedoch minutenlang und mehrmals am Tag. Die Ursache dafür kann eine Zwangsstörung sein.


Die Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen e.V. geht davon aus, dass ein bis zwei Prozent der gesamten Bevölkerung irgendwann im Leben unter ausgeprägten Zwängen leiden. Doch schon bei der Definition beginnen die Missverständnisse, denn Zwang ist nicht gleich Zwang.

Zwangshandlungen - Beruhigung durch Gewohnheit

Eine Zwangshandlung ist eine beabsichtigte Handlung, die immer wiederholt wird. Dabei ist die Handlung stereotyp, das heißt, dass sie immer nach dem gleichem Muster abläuft. Ein Zwangskranker mit einem Waschzwang wird sich wieder und wieder seine Hände nach dem gleichen Muster waschen und ein Mensch mit Kontrollzwang überprüft die Knöpfe der Herdplatte stets in der gleichen Reihenfolge.  Sinnvoll ist zwanghaftes Verhalten in den meisten Fällen nicht. Oft wissen die Betroffenen über ihre „irrationalen" Taten Bescheid, können die Handlungen aber nicht vermeiden.

Angetrieben werden sie durch eine innere Anspannung, die bei der monotonen Ausführung der Zwangshandlung abgebaut wird. Bei der Befriedigung nach der Ausführung, die von den Leidtragenden beschrieben wird, tritt mit der Zeit jedoch ein Gewöhnungseffekt ein. Wie bei Menschen mit einer Sucht, muss die Dosis der Zwangshandlungen deswegen mit der Zeit erhöht werden. Der Leidensdruck wächst.

Zwangsgedanken: Am Anfang war der Aberglaube

Von Zwangsgedanken sprechen Psychiater, wenn Menschen von impulsartigen Gedanken oder Vorstellungen geplagt werden. Auch hier wissen die Betroffenen über die Sinnlosigkeit häufig Bescheid und empfinden die Gedanken folglich als störend. Zunächst harmlos scheinende abergläubische Vorstellungen zählen auch zu leichten Zwangsgedanken. Gerade bei religiösen Menschen kann jedoch beispielsweise die Vorstellung, Gotteslästerung zu betreiben, schnell zu einem belastenden Zwangsgedanken ausufern.

Woher kommt der Zwang?

Wie bei vielen psychischen Erkrankungen wird bei der Entwicklung von Zwängen ebenfalls ein Zusammenspiel von erblicher Vorbelastung und „Umwelteinflüssen" angenommen. Diese „Umwelteinflüsse" können besondere Lebensumstände, Erfahrungen in der Kindheit oder eine schwere Lebenskrise sein, die nicht selten einer Zwangsstörung vorausgeht. Biologisch treten immer mehr Prozesse im Gehirn in den Vordergrund: Patienten mit Tumoren oder Kopfverletzungen entwickeln öfters Zwangsstörungen, weil bei ihnen besondere Strukturen im Gehirn, die Basalganglien, gestört sein können. Auch das Hormon Serotonin spielt eine große Rolle. Wird es durch Medikamente erhöht, geht es zwangskranken Menschen oft besser.

Shopping-Sucht: Ein männlicher Zwang?

Neben den bekannten Wasch-, Kontroll-, Zähl-, und Ordnungszwängen gibt es auch den Kaufzwang, bei dem Betroffene den unwiderstehlichen Drang verspüren, Gegenstände zu erwerben. Dabei kommt es oft vor, dass sie die Gegenstände gar nicht brauchen und sich auch nicht leisten können.

Forscher der Stanford Universität haben sich mit diesem Thema genauer auseinandergesetzt: Sie haben in ihren Untersuchungen nicht nur gezeigt, dass über fünf Prozent der US-Amerikaner an einer Kaufsucht leiden. Auch die veraltete Geschlechterschublade „Frauen sind shoppingsüchtig" wurde über die Wissenschaft geschlossen: Von 2.513 Menschen in einer Studie zeigten 6 Prozent der befragten Frauen und 5,5 Prozent der Männer die typischen Symptome einer Kaufsucht. Der Zwang, einkaufen zu müssen, hat also nichts mit dem Geschlecht zu tun.

Gibt es eine Heilung?

Wenn die Diagnose Zwangsstörung gestellt ist, also die Zwangssymptome mindestens zwei Wochen lang jeweils mehrere Stunden täglich auftreten, wird therapiert. Eine Form der Therapie besteht in der kognitiven Verhaltenstherapie, bei der ein Betroffener im Zuge einer Konfrontation mit einem bestimmten Reiz über seinen Zwang hinwegkommen soll. Eine Konfrontationstherapie könnte beispielsweise so aussehen, dass ein Mensch mit Waschzwang mit seinen Händen die Klobrille einer öffentlichen Toilette berührt. Ist die Therapie erfolgreich, so lässt der Druck, sich die Hände zu waschen, auch ohne das Durchführen nach.

Eine Psychotherapie kann auch mit Medikamenten kombiniert werden. Tabletten, die den Serotonin-Spiegel im Gehirn erhöhen, sogenannte selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), können die Zwangssymptome in vielen Fällen lindern, jedoch nicht zum vollständigen Rückgang der Zwänge führen.

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