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Jahresrückblick 2012: Die Tops und Flops des Kinojahres 2012

Neben den üblichen Superhelden und Fortsetzungen erlebten wir 2012 ein ganz sonderbares Filmphänomen: die anspruchsvolle Komödie ohne Stars, die alle sehen wollten.

Es geht auch ohne Starbesetzung: "Ziemlich beste Freunde" war ein Überraschungserfolg 2012. (Bild: ddp Images)
Es geht auch ohne Starbesetzung: "Ziemlich beste Freunde" war ein Überraschungserfolg 2012. (Bild: ddp Images)

Und was machte Harry Potter im Jahr eins nach „Harry Potter"? Nachdem 2011 der achte und letzte Film der Blockbusterreihe gelaufen war und es keine Möglichkeit mehr gab, noch irgendeine Fortsetzung hinzubescheißen? Harry Potter zog sein Zauberdress aus, schmiss sich in den Anzug, kaufte sich ein Spukhaus. „Die Frau in Schwarz", Daniel Radcliffes erster Film in der neuen Freiheit, erreichte in Deutschland nicht mal ein Zwanzigstel der alten Fans, stand mit 290.000 Zuschauern zuletzt auf Platz 86 der Kino-Jahrescharts. Vielleicht hätte er es lieber mit einer romantischen Komödie versuchen sollen. Für die Mädchen.

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Wie reagierten die Kinobetreiber? Die nach dem Ende der fetten Potter-Zeiten nicht wussten, wer ihnen 2012 die Kinositze füllen sollte? Nur vier Tage lang mussten sie hoffen und bangen. Dann startete am 5. Januar der Film, der alles ändern sollte. Die ganz große Komödie mit Rollstuhl, Drogen, Sex und einem Hitlerwitz, mit anderen Worten: der Megaknaller für die ganze Familie. Weil Olivier Nakaches und Eric Toledanos „Ziemlich beste Freunde" allein in Deutschland von fast neun Millionen Menschen gesehen wurde, nicht nur zum erfolgreichsten Streifen des Jahres wurde, sondern bis auf Platz neun der All-Time-Charts kletterte, kann man sich eigentlich jedes weitere Wort dazu sparen. Wie sehr es immer noch erstaunt, dass ein so wenig effekthascherisches, so glaubwürdiges, hervorragend gespieltes Kinostück zum Superhit werden konnte - das muss man trotzdem noch mal feststellen. Weil es Mut macht, dass es jenseits von Bücherverfilmungen, endlosen Sequels und Superhelden-Franchises eben doch noch erfolgreiches Entertainment geben kann. Viele Multiplexstrategen muss ein solches Ereignis völlig verwirren.

Wer dann auch noch die fünf Oscars dazuzählt, die der (ebenfalls französische) Nostalgie-Stummfilm „The Artist" im Februar in Hollywood gewann, könnte fast glauben, 2012 wäre ein Jahr der Cineastenkunst und feinen Töne gewesen. Nun ja: Nicht ganz. Da walzten schon noch rechtzeitig „The Avengers" dazwischen, da wurde zu den „Tributen von Panem" gekreischt, über Sacha Baron Cohen als „Diktator" gewiehert und im Puls des letzten „Twilight"-Dramas „Breaking Dawn Teil 2" der Mond angehimmelt.

Der Kampf ums Massenpublikum, das mit seinem Eintrittsgeld naturgemäß auch die kleinen, schönen Filme finanziert, wird von Jahr zu Jahr schwerer. Weil die Masse heute mehr und mehr dem individuellen Programm im Internet folgt. Und man schon gute Gründe braucht, wenn man sie vor die Tür locken will. Deshalb hat Hollywood die älteren Zuschauer als neue Fördergruppe entdeckt, bringt verstärkt Actionkracher mit alten Recken wie Sylvester Stallone oder Rentnerkomödien wie „Best Exotic Marigold Hotel", der auch bei uns ein Erfolg wurde.

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Der aufwändigste Altmännerfilm des Jahres war gleichzeitig auch einer der Superhits: 6,5 Millionen Menschen wollten in Deutschland „Skyfall" sehen, das 50. Dienstjubiläum von James Bond, das nun weltweit schon fast eine Milliarde Dollar eingespielt hat. Meisterregisseur Sam Mendes hatte für eine exzellente Story und großartige Schauspieler gesorgt, hatte Javier Bardem eine besonders schaurige, blonde Bösewicht-Perücke verordnet. Auch qualitativ einer der besten Bonds aller Zeiten - nur die vielen Werbespots mit Daniel Craig begannen irgendwann zu nerven. Einige Klassiker enttäuschten 2012 dennoch. Ridley Scotts „Prometheus" kam als Vorgeschichte zum legendären „Alien" zu banal daher, an Michael Hanekes strapaziöses „Liebe" erinnert sich schon keiner mehr, und der von Tom Tykwer und den Wachowski-Geschwistern („The Matrix") gedrehte, 100 Millionen Dollar teure „Cloud Atlas" war zu komplex und langwierig fürs große Publikum - trotz der je sechsfachen Titelrollen von Tom Hanks und Halle Berry.

Größter Flop: Zettl
Am schlimmsten misslang „Zettl", Helmut Dietls Berliner Imagination der 80er-TV-Serie „Kir Royal", von der nur eine trübe Klamotte blieb. Andrew Stanton, Regisseur von Trickfilmrennern wie „Findet Nemo", landete mit seinem ersten Realabenteuer „John Carter" einen so furchtbaren Flop, dass dafür sogar ein Walt-Disney-Vorstandschef gehen musste.

Am Ende fragt man sich ja immer, woran sich die Menschen in 50 Jahren noch erinnern werden, wenn sie vom Kinojahr 2012 hören. Wahrscheinlich an die zwei großen neuen Darlings aus Hollywood, die Schauspieler, die spätestens jetzt jeder kennt: Ryan Gosling, mit „Drive" 2012 nur einmal im Kino, aber trotzdem ein ständiges Diskursthema, und Michael Fassbender, unter anderem in „Shame" und „Prometheus", endlich fest als Charakter etabliert.

Heißer Anwärter auf den nächsten Starposten ist der Brite Benedict Cumberbatch, der als wiedergeborener Sherlock Holmes im Fernsehen begeisterte und 2013 auf der Leinwand den Wikileaks-Gründer Julian Assange spielen soll. Auch die Geschichte von Apple-Genie Steve Jobs werden wir im kommenden Jahr sehen, mit Ashton Kutcher in der Hauptrolle, ebenso Joaquin Phoenix als (leicht anonymisierten) Scientology-Guru Ron L. Hubbard in „The Master". Das Kino bleibt also ein guter Ort für alte Helden - und dann kommt irgendwann auch noch die letzte, ab sofort vom Disney-Konzern produzierte „Krieg der Sterne"-Trilogie. Ob man den jungen Leuten das erklären kann? Aber auch die ganz kleinen Filme wird es immer geben. Die Liebhaberdinger, von denen man glauben darf, man habe sie ganz für sich. Wie 2012 zum Beispiel „Holy Motors", Leos Carax' knallbunt durchgeknallter Parisfilm mit den sprechenden Limousinen und dem Gnom, der Eva Mendez klaut. Oder „Chronicle - wozu bist du fähig?", der fantastische Geschichte von den Jungs, die plötzlich Superkräfte an sich entdecken. Viel besser als Spiderman. Nur nicht ganz so sichtbar.