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Blau: Das macht die Lieblingsfarbe der Menschen so besonders

Die Frucht der "Pollia Condensata" erstrahlt fast so blau wie der Himmel (Bilder: thinkstick, dpa)
Die Frucht der "Pollia Condensata" erstrahlt fast so blau wie der Himmel (Bilder: thinkstick, dpa)

Der Himmel ist es manchmal, die klassische Jeans immer und bei Picasso war es sogar eine ganze Periode: Blau begegnet uns nicht nur in allen Bereichen des Lebens, es übt auch eine ungeheure Faszination auf uns aus. Doch was genau macht ausgerechnet diese Farbe zur liebsten (fast) aller Menschen? Die Wissenschaft hätte da eine Idee — und zwei blaue Neuentdeckungen aus Flora und Fauna dazu.

Für den französischen Maler Raoul Dufy war Blau die einzige Farbe mit ausreichend Charakter, um „in jeder Nuance" sie selbst zu bleiben. Sehr dunkles Rot wirke braun, helles Rot rosafarben und auch Gelb halte Abdunklung und Aufhellung nicht stand, befand der fauvistische Künstler. Allein Blau „wird immer Blau bleiben" — ob nun in hell oder dunkel.

Auch die Wissenschaft ist fasziniert von Blau. Erst vor kurzem entdeckte der Physiker und Cambridge-Professor Ullrich Steiner eine superblaue Beere: die Frucht der afrikanischen Pflanze „Pollia Condensata". Diese gerade einmal linsengroße Frucht reflektiert 30 Prozent der Lichtstrahlen — ein Wert, den kein anderes Festlandlebewesen, ob Pflanze oder Tier, erreicht. Nicht einmal der Blaue Morphofalter oder der Heilige Pillendreher, besser als Scarabäus-Käfer bekannt, können es in Sachen Reflektivität mit der Beere aufnehmen. Nicht ganz so blau, aber nicht minder außergewöhnlich: Der „Cercopithecus lomamiensis", eine Affen-Art, die ein Forscherteam vor Kurzem in der Demokratischen Republik Kongo entdeckte. Die bis zu 65 Zentimeter großen Tiere ähneln ihren nahen Verwandten, den Eulenkopfmeerkatzen, und haben die Fachwelt vor allem mit einem ihrer Merkmale beeindruckt: dem blauen Hinterteil ihrer Männchen.

Farbe hat wichtige Signal-Funktion

Mit anderen Worten: Blau ist einfach überall. In der Kunst, in Flora und Fauna — und ganz oben im Ranking der Lieblingsfarben der Menschen. Das fanden Anya Hurlbert und Yazhu Ling von der britischen Newcastle Universität heraus: Sie zeigten rund 200 Probanden zwischen 20 und 26 Jahren immer zwei verschiedenfarbige Rechtecke, unter denen diese ihre bevorzugte Farbe auswählen sollten. Das Ergebnis: Blau ist am beliebtesten. Selbst Rot belegt bei den weiblichen Probanden nur Platz zwei.

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Doch warum ausgerechnet Blau? „Zunächst einmal", erklärt Hurlbert gegenüber Yahoo! Nachrichten, „hat Farbe eine wichtige Signal-Funktion für viele menschliche Verhaltensweisen. Etwa für das schnelle Erkennen von Materialien und Objekten." Dieser Zusammenhang ist offenbar evolutionär begründet. Streng genommen brauchte der Mensch die Farbwahrnehmung zwar nie, um sich in der Welt zurecht zu finden. „Bewegungen, Konturen und Tiefe können wir auch ohne Farbe sehen, zudem sind Farbenblinde, die nur Hell-Dunkel-Kontraste wahrnehmen können, im Alltag nicht signifikant benachteiligt", sagt Hurlbert. Dennoch muss Farbwahrnehmung einen Vorteil für das Überleben des Menschen bedeutet haben — sonst hätte sie die Evolution nicht überdauert, würden unsere Augen und Gehirne heute nicht derart viel „Prozessor-Leistung" darauf verwenden, bunt zu sehen.

Die Schlussfolgerung der Wissenschaftler: Höchstwahrscheinlich diente Farbwahrnehmung einst dazu, Essbares zu identifizieren. Nur so konnten unsere Vorfahren zum Beispiel rote, genießbare Beeren von grünem, nicht essbarem Blattwerk unterscheiden. So erklärt sich Hurlbert auch das Phänomen „Lieblingsfarbe": „Wir Menschen haben eine Vorliebe für jene Töne entwickelt, die der Färbung von präferierten Objekten wie etwa Nahrungsmitteln entsprechen." Deshalb liegt eine generelle, mehr oder weniger natürliche Vorliebe für Blau- und Rottöne sowie eine Abneigung gegen Gelb- und Grüntöne nah.

Dass sich nicht Rot, sondern Blau als Lieblingsfarbe durchgesetzt hat, lässt sich laut Hurlbert auf seine beruhigende Wirkung zurückführen: „Blaues Licht erzeugt den Eindruck einer unendlichen Weite — so wie der Anblick des Himmels. Denn in der Luft verteilt sich kurzwelliges blaues Licht besser als lange Lichtwellen. Deshalb wirken weiter entfernte Objekte stets blauer. Basierend auf dieser Erfahrung interpretiert unser optisches System blaue Flächen automatisch als weiter entfernt." Warum Weite auf uns entspannend wirkt? „Auch hierfür gibt es eine evolutionäre Erklärung: Unseren Vorfahren in der offenen Savanne signalisierte ein blauer Himmel, dass es Tag ist, dass das Wetter gut ist und es keine sichtbaren Gefahren gibt", so Hurlbert.

Blau macht kreativ

Wohl deshalb hat sich blaues Licht bei der Therapie von saisonal abhängiger Depression (SAD), sprich: bei der Bekämpfung von Winterblues als besonders effektiv herausgestellt. Blau wirkt sich neben der Stimmung ebenso positiv auf die Kreativität aus: Ravi Mehta und Rui Zhu, zwei Forscher der University of British Columbia im kanadischen Vancouver, fanden in einer Studie heraus, dass ein blauer PC-Bildschirmhintergrund die Leistung bei Aufgaben wie dem Finden von Wortassoziationen messbar verbessert. Ein roter Hintergrund hingegen steigert eher die Aufnahmefähigkeit für Details, was sich beim Korrektur lesen bewähren könnte. „Rot wird mit Gefahr verbunden, es weckt den Wunsch, Risiken und Fehler zu vermeiden. Blau aber steht für eine offene, friedliche Umgebung, die uns Zeit gibt, neue, kreative Lösungen zu suchen", erklärt Hurlbert die Ergebnisse ihrer Kollegen.

Blau zieht übrigens nicht nur uns Menschen geradezu magisch an. Die Beere der „Pollia Condensata" verführt auch Vögel und andere Tiere: Sie fressen die Frucht, die keinerlei Nährwert für sie hat, allein wegen ihrer auffälligen Farbe und verteilen so ihre Samen weiter. Und noch etwas macht die Beeren besonders: Ihr Blau bleicht nicht mit der Zeit aus. Im Archiv der Cambridge-Universität fanden sich bis dato nicht beachtete Muster der Frucht, die schon fast 100 Jahre alt und noch immer so strahlend blau wie ihre frisch geernteten Nachkommen sind. Es ist wohl wirklich so, wie Dufy sagte: Im Leben wie in der Kunst bleibt Blau immer Blau — und vielleicht auch deshalb die absolute Lieblingsfarbe des Menschen.