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Zschäpe will ihre Verteidigerin loswerden

Beate Zschäpe ist mit ihrer Verteidigung nicht zufrieden und will ihre Anwältin Anja Sturm entlassen.

 

Beate Zschäpe ist mit ihrer Verteidigung nicht zufrieden und will  ihre Anwältin Anja Sturm entlassen. (Bild: dpa)
Beate Zschäpe ist mit ihrer Verteidigung nicht zufrieden und will  ihre Anwältin Anja Sturm entlassen. (Bild: dpa)

Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess will Anwältin Anja Sturm feuern. Zschäpes Verhältnis zu ihren Verteidigern ist seit Langem gestört – nun könnte ihr Antrag Erfolg haben.

Von Wiebke Ramm

Beate Zschäpe ist verstimmt. Ganz allein sitzt sie an diesem Mittwochmorgen auf der Anklagebank. Ihre drei Verteidiger, Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm, sind anders als sonst nicht im Saal des Oberlandesgerichts München, als die Hauptangeklagte im NSU-Prozess hereingeführt wird. Als die Anwälte wenig später zu ihr kommen, bleibt Zschäpes Gesicht versteinert. Kein Lächeln, kein Scherzen, stattdessen grimmige Miene und verschränkte Arme.

Irgendwas ist los. Das ist schnell klar an diesem 209. Verhandlungstag. Schon der Beginn verzögert sich um eine Dreiviertelstunde. Dann verkündet Richter Manfred Götzl, dass die Verteidigung für eine „Besprechung mit der Mandantschaft“ eine Unterbrechung wünsche. Das Gericht gewährt ihnen eine gute Stunde. Um 11.33 Uhr verkündet Richter Götzl: „Frau Zschäpe hat außerhalb der Hauptverhandlung einen Entbindungsantrag gegen Anwältin Sturm gestellt.“ Das heißt, Zschäpe will nicht mehr von Anja Sturm verteidigt werden. Sollte Zschäpe bereits einen Grund genannt haben, dann verrät Götzl ihn nicht.

Zschäpe scheigt beharrlich

Der Richter wendet sich direkt an die Angeklagte: „Frau Zschäpe, wollen Sie selbst etwas dazu sagen?“ Zschäpe schüttelt den Kopf. „Frau Sturm, wollen Sie eine Stellungnahme abgeben?“ Nein, auch sie will dazu nichts sagen. Sturms Kollege und Kanzleipartner Heer beantragt, die Verhandlung für diesen Tag zu unterbrechen. Es gebe „das Erfordernis einer eingehenden Beratung“, sagt er.

Nicht alle Anwälte der Opfer und Hinterbliebenen der Morde und Anschläge des NSU sind damit einverstanden. Einige sagen, Zschäpe habe ja noch zwei andere Anwälte, das reiche, um weiterzumachen. Bundesanwalt Herbert Diemer widerspricht. Das Gericht solle der Verteidigung „die Chance geben, sich mit ihrer Mandantin zu besprechen“ und den Prozess für diesen Tag unterbrechen. So geschieht es. Um 11.48 Uhr ist Schluss. Draußen vor dem Gerichtsgebäude wollen sich Zschäpes Anwälte nicht zu dem Zerwürfnis äußern. „Keine Stellungnahme, ich muss rauchen“, sagt Anwalt Stahl nur. Auch Anwältin Sturm schüttelt den Kopf. Dann setzt sie ihre Sonnenbrille auf.

Zschäpe unzufrieden mit ihren Anwälten

Vor gut einem Jahr hat Zschäpe ihren Anwälten schon einmal öffentlich das Vertrauen entzogen. Damals wollte sie noch alle Drei loswerden. Das Gericht hatte ihren Antrag abgelehnt. Zschäpe hatte im Sommer 2014 nicht ausreichend begründet, warum das Vertrauensverhältnis zu ihren Verteidigern unwiderruflich zerrüttet sein soll. Diesmal dürfte sie mehr Aussicht auf Erfolg haben. Wenn Anja Sturm tatsächlich das Mandat entzogen wird, könnte ein neuer Anwalt einfach hinzukommen, ohne dass der Prozess von vorne beginnen müsste. Aus Insiderkreisen ist zu hören, dass Zschäpe schon seit längerer Zeit Besuch von einem anderen Anwalt bekommen soll.

Dem Psychiater Norbert Nedopil hatte Zschäpe im März gesagt, es gebe „gewisse unterschiedliche Meinungen“ zwischen ihr und ihren Anwälten. Deutlicher wird Nedopil in seinem Gutachten nicht. Zschäpe sagte auch, dass sie ihren Anwälten offenbar nicht zutraue, Zeugen ordentlich zu befragen. Sie habe den Eindruck, „dass sie ihre Anwälte bei der Befragung unterstützen und gegebenenfalls korrigieren müsse“, wozu ihr zunehmend die Kraft fehle.

Zschäpe hatte dem Psychiater außerdem gesagt, dass es ihr zunehmend schwerfalle, die Fassade aufrechtzuerhalten, die sie sich mit ihren Verteidigern überlegt hat: schweigend und unbeteiligt der Verhandlung zu folgen. Stumm und regungslos zuzuhören falle ihr ganz besonders schwer, wenn alte Bekannte vor Gericht über sie sprechen, sagte Zschäpe dem Gutachter. Sie habe dann das Bedürfnis zu widersprechen „oder zu erklären, dass sich etwas geändert habe“.

Zschäpe: An zehn Morden beteiligt?

An diesem Tag sollte ein solcher alter Bekannter von Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vor Gericht aussagen. Tom T. hatte mit den mutmaßlichen NSU-Terroristen 1995 die Neonazi-“Kameradschaft Jena“ aufgebaut. In früheren Vernehmungen hatte er Mundlos als überzeugten Nationalsozialisten und Böhnhardt als „Mann fürs Grobe“ bezeichnet.

Zschäpe muss sich unter anderem wegen des Vorwurfs der Mittäterschaft an zehn Morden, zwei Sprengstoffanschlägen und 15 Raubüberfällen vor Gericht verantworten. Ihr droht eine lebenslange Freiheitsstrafe, die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und Sicherungsverwahrung.

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