Werbung

Das Kopftuch ist kein schlimmer Stoff

Das Bundesverfassungsgericht untersagt pauschale Kopftuchverbote. (Bild: AFP)
Das Bundesverfassungsgericht untersagt pauschale Kopftuchverbote. (Bild: AFP)

Das Kopftuch ist kein schlimmer Stoff. Das Bundesverfassungsgericht hat nun pauschale Kopftuchverbote untersagt. Es fällt damit ein Urteil für mehr Respekt. Chapeau!

Ein Kommentar von Jan Rübel

Neulich war es wieder soweit, da kam der Islam über uns. Mit ein paar Wolken fing es an, kaum merklich. Doch dann nieselte Regen in langen Fäden herab, und es passierte: Um mich herum zog sich eine Frau nach der anderen ein Kopftuch über – ich fühlte mich umzingelt. Das ist ja wie in..., schoss es mir durch den Kopf.

Ja – was ist eigentlich schlimm am Kopftuch? Ich finde, Birkenstocksandalen eignen sich zuweilen mehr zur Störung öffentlichen Friedens, von Hochwasserhosen oder Hipsterbärten ganz zu schweigen.

Okay, es geht um Religion. Einige Musliminnen verhüllen ihr Haar. Für die meisten von ihnen ist es ein religiöses Bekenntnis, der sichtbare Versuch, sich gut und im Sinne Gottes zu verhalten. Manche tragen das Kopftuch, weil andere es von ihnen verlangen. Aber: Dass die Frage um ein Stück Stoff keine persönliche Haltungsfrage geblieben ist, sondern in Deutschland in Gesetzesblei gegossen wurde – das habe ich nie verstanden.

Schulfriede hält Kopftücher aus

Nun hat das Bundesverfassungsgericht ein Urteil gefällt. Es revidierte seinen eigenen Beschluss aus dem Jahr 2003. Der hatte den Bundesländern gestattet, gesetzliche Grundlagen für ein vorsorgendes Kopftuchverbot zu schaffen. Religiöse Symbole, so das Bekenntnis, hätten in den Schulen nichts zu suchen; für christliche Glaubensbekundungen galt das übrigens nicht. Beides haben die obersten Richter in Karlsruhe nun gekippt – auf Initiative zweier Klägerinnen hin.

Zwei muslimische Pädagoginnen aus Nordrhein-Westfalen (NRW) hatten sich an die Gerichte gewandt, sie wollten in der Schule aufgrund ihres Glaubens eine Kopfbedeckung tragen. Eine trug ein klassisches Kopftuch, die andere eine Art Mütze. Damit verstießen sie aber nach Ansicht der Behörden gegen das nordrhein-westfälische Schulgesetz. Dort werden Lehrkräften religiöse „Bekundungen“ verboten, die geeignet sind, die Neutralität des Landes und den Schulfrieden zu gefährden. Eine Klägern wurde gekündigt, die andere abgemahnt.

Karlsruhe sagt nun: Neutralität und Schulfrieden müssten konkret gefährdet sein, also nachweislich. Dann könnte immer noch zum Beispiel ein Kopftuch verboten werden. Das Bundesverfassungsgericht zieht damit einen Schlussstrich unter einen Gummiparagraphen, der mit luftigen und abstrakten Formulierungen eine „Gefährdung“ kreierte, die es nirgendwo gab.

Schluss mit den Äußerlichkeiten!

Denn mit dem Tragen eines Kopftuches entsteht keinerlei Gefahr. Eine konkrete Gefährdung des Schulfriedens durchs Kopftuch wird es nicht geben. Das Land wird durch Kopftücher auch nicht religiöser, nicht einmal muslimischer. Muslimischer Glauben ist keine ansteckende Krankheit. Entscheidend ist, was im Kopf drin ist und nicht um ihn herum. Lehrerinnen müssen für die Verfassung und den Staat einstehen; ein Kopftuch aber sagt darüber nichts aus. Lehrerinnen sollen Schüler zu Verantwortlichkeit und gegenseitigem Respekt erziehen, ihnen die Werte unserer Grundordnung näher bringen. Ob oder welcher Religion sie anhängen, hat dafür keine Bedeutung.

Seien wir ehrlich: Das ganze Gewese ums Kopftuch resultierte aus einem Misstrauen heraus. Man liebte es, sich zu fürchten – darin sind wir gut. Und zur Erfüllung dieser Angst muss Islamisches herhalten. Wer die Kopftücher bei Musliminnen kritisiert, sucht nur Ausreden. Hält sich auf bei Äußerlichkeiten. Stattdessen sollten wir in die Herzen blicken. Das aber ist anstrengend. Man könnte ja das eine oder andere Klischee verlieren.

Sehen Sie auch: Schön unter dem Kopftuch - Kosmetik-Boom im Iran