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"Ich habe Angst gehabt"


Zeugen berichten von Misshandlungsspuren bei Mollaths Exfrau. Sie haben


Petra M. geglaubt. Vor Gericht verstricken sie sich in Widersprüche.

Die Zeugen geben sich die Klinke der Tür zum Gerichtssaal 104 des
Landgerichts Regensburg in die Hand. Acht Zeugen sind für diesen dritten Tag
im Prozess gegen Gustl Mollath geladen, darunter Zeugen aus dem privaten
Umfeld, Staatsanwälte, ein Richter und ein Pflichtverteidiger aus
vorangegangenen Verfahren. Sie eint: Sich an Ereignisse von vor mehreren
Jahren zu erinnern, ist schwierig. Es ist ein guter Tag für die
Verteidigung.

Robert M., der Bruder von Mollaths Exfrau, beruft sich am Mittwochmorgen auf
sein Zeugnisverweigerungsrecht. Seine Frau hingegen, Petra S., muss
aussagen. Die 51-Jährige ist mit der Exfrau von Gustl Mollath, Petra M., gut
befreundet. Sie arbeitete als Arzthelferin in der Praxis, in der Petra M.
sich behandelt ließ, nachdem Mollath sie im August 2001 getreten, gebissen
und gewürgt haben soll. Die Zeugin kann sich an wenig Konkretes erinnern.
Zwölf und 13 Jahre sind die Ereignisse her, über die sie an diesem Tag vor
Gericht Auskunft geben soll.

Die Frau berichtet zunächst vom letzten Ereignis. Petra M. habe Ende Mai
2002 vor ihrer Haustür gestanden. Sie sei vor ihrem Mann geflohen, weil sie
erneute Gewalttätigkeit befürchtet habe. Am Tag nach dieser angeblichen
Flucht sei Petra M. noch einmal zurück in die Wohnung ihres Mannes gegangen,
um Kleidung und persönliche Sachen zu holen. Die Zeugin sagt: "Ich habe kein
gutes Gefühl gehabt." Sie sei daher nach vielleicht einer Stunde mit ihrem
Motorrad hinterhergefahren, hatte vor dem Haus gewartet, schließlich
geklingelt und geklopft. "Ich habe Angst gehabt und massiv an die Tür
gehämmert"; sagt sie. Das Haus sei abgedunkelt, die Rollläden geschlossen
gewesen. Schließlich sei die Tür aufgegangen.

Wer die Tür öffnete, bleibt unklar. Mollath soll die Zeugin jedenfalls
aufgefordert haben, das Haus zu verlassen. "Er hat sich wirklich richtig vor
mir aufgebäumt", sagt sie. Er habe die Fäuste geballt und geschwitzt. "Das
war sehr beängstigend." Irgendwie hätten die beiden Frauen es geschafft, das
Haus zu verlassen. Mollath sitzt wenige Meter links neben der Zeugin auf der
Anklagebank, er lächelt.

Mollath ist unter anderem angeklagt, weil er seine damalige Frau an jenem
Tag eineinhalb Stunden im Haus festgehalten haben soll. Was genau im Haus
vorgefallen ist, bleibt unklar. Mollath schweigt vor Gericht, weil ein
Psychiater im Saal sitzt. Petra M. verweigert die Aussage im Prozess. Ihre
Freundin sagt an diesem Tag, Mollaths Frau habe ihr berichtet, er habe sie
"festgehalten und eingesperrt". Genauer wird sie nicht.

Vor Gericht sagt die Zeugin, sie habe damals "rote Flecken an den Oberarmen"
von Petra M. gesehen. In einem ersten Verfahren vor dem Amtsgericht Nürnberg
2004 soll die Zeugin noch gesagt haben: "Ich habe an diesem Tag keine
Verletzungen an ihr festgestellt." Es ist nicht der einzige Widerspruch. Im
damaligen Protokoll ihrer Befragung ist vermerkt: Das "Sweatshirt" von Petra
M. sei zerrissen gewesen, und: "Ich sah den Angeklagten an diesem Tag
nicht." Heute sagt sie, er habe ihr an der Tür Angst gemacht. Mollaths
Verteidiger: "Das sind ja völlig neue Geschichten, die wir hier hören." Er
hakt nach: Das Protokoll ist also falsch? Die Zeugin bejaht, bleibt bei
ihrer aktuellen Version. Mollath habe vor ihr gestanden, "definitiv". Sie
sagt: "Das kann man nicht vergessen." Verteidiger Strate macht massive
Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit deutlich.

Schon ein Jahr zuvor, im August 2001, sei es nach Angaben der Zeugin zu
Übergriffe von Mollath auf seine Frau gekommen. Laut Anklage habe er sie
geschlagen, getreten, gebissen und "Bis zur Bewusstlosigkeit" gewürgt. Petra
M. habe die Zeugin zwei Tage nach dem mutmaßlichen Vorfall während der
Mittagspause in einer Eisdiele im Haus der Arztpraxis angesprochen. Die
Zeugin berichtet von einer Bissverletzung am rechten Ellenbogen von Petra M.
Auf ihre Veranlassung hin habe sich Mollaths Frau in der Praxis im selben
Haus, in der die Zeugin Arzthelferin gewesen ist, untersuchen lassen. Ob
Petra M. ihr erzählt habe, dass ihr Mann sie bis zur Bewusstlosigkeit
gewürgt habe, wisse sie nicht mehr.

Auch der untersuchende Arzt wird an diesem Tag vor Gericht gehört.
Detaillierte Erinnerungen an jenen Tag hat auch er nicht mehr. Der
48-Jährige war damals Weiterbildungsassistent, seine Facharztprüfung stand
noch aus. Sein Attest führte als "unechte Urkunde" zum
Wiederaufnahmeverfahren, da nicht offensichtlich war, dass er und nicht
seine Mutter, wie auf dem Briefkopf vermerkt, die Untersuchung durchgeführt
hatte. Die beiden Buchstaben "i.V." für "in Vertretung" seien nicht auf
Anhieb zu erkennen gewesen, entschied das Oberlandesgericht Nürnberg
vergangenes Jahr und ordnete die Wiederaufnahme des Prozesses zugunsten
Gustl Mollaths an.

Petra M. habe berichtet, sagt der Arzt, dass sie von ihrem Mann misshandelt
worden sei und Angst vor ihm hätte. Schriftlich vermerkte er: Würgemale am
Hals, Blutergüsse an Armen und Oberschenkeln, Bisswunde am Ellenbogen. Sie
sei mit der "flachen Hand" geschlagen worden, hielt er fest. Ihre Angaben,
sie sei bewusstlos geworden, ging er nicht nach, glaubte ihr schlicht. Die
Farbe der Hämatome, die Hinweis auf das Alter der Verletzungen gegeben
hätte, notierte er nicht.

Ein Rechtsmediziner, der als Sachverständiger am Prozess teilnimmt, macht am
Mittwoch zahlreiche Mängel in den Aufzeichnungen des Arztes deutlich. "Die
Schilderungen der Patientin sind durchweg glaubhaft", hatte der Mediziner
auf seinem Attest notiert. Wie er objektiv zu diesem Ergebnis kommen konnte,
lässt sich anhand seiner Aufzeichnungen nicht mehr zweifelsfrei
nachvollziehen. Die Angaben zwischen Krankenakte und Attest differieren.
Einmal ist von Schürfwunden am Rücken die Rede, einmal nicht. Für die Form
der Verletzungen verwendet er den falschen Begriff. Der Gutachter weist
darauf hin, dass Verletzungen an der Schläfe schwierig mit Schlägen durch
eine flache Hand in Einklang zu bringen sind. Der Arzt scheint die Angaben
nicht hinterfragt zu haben. Für das Gericht dürfte es schwierig werden, das
tatsächliche Geschehen zu rekapitulieren.

(dpa)