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Ecclestone: "Ich sah mein Lebenswerk in Gefahr"

Ecclestone: "Ich sah mein Lebenswerk in Gefahr"

Bernie Ecclestone soll einen Vorstand der BayernLB bestochen haben. Zum Prozessauftakt bezichtigt der Formel-1-Boss den Mann der Lüge - und stellt sich als Opfer einer Erpressung dar.

Bernie Ecclestone lässt auf sich warten. Um 9.30 Uhr soll der Korruptionsprozess gegen den Formel-1-Chef vor dem Landgericht München I beginnen, erst um 9.35 Uhr betritt der 83-Jährige den Saal A 101. Der große Mann des Rennsports ist von kleiner Gestalt, keine 1,60 Meter groß. Ecclestone hat die Formel 1 zu dem gemacht, was sie heute ist. Ecclestone ist die Formel 1. Er trägt schwarzen Anzug, schwarze Weste, weißes Hemd, schwarze Krawatte. Sein Haar ist weiß, seine eigentümliche Frisur fast schon zum Markenzeichen geworden. Er nimmt auf der Anklagebank Platz, auf dem Stuhl, auf dem sonst Beate Zschäpe sitzt. In dem Saal, in dem dreimal die Woche gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin verhandelt wird, muss sich nun Bernard Charles Ecclestone, wie sein vollständiger Name lautet, vor Gericht verantworten. Der Vorwurf lautet auf Bestechung und auf Anstiftung zur Untreue, jeweils in einem besonders schweren Fall. Ecclestone bestreitet die Vorwürfe.

"Herr Ecclestone, wie ich Ihren Namen ausspreche, haben ich schon beim letzten Mal gefragt", begrüßt ihn der Vorsitzende Richter der fünften Strafkammer, Peter Noll. "Ecclestone is fine", sagt Ecclestone im feinen britisch. Es folgen die Personalien. "Geschieden?", fragt Noll. "Yes", sagt Ecclestone. "Ich dachte, Sie sind verheiratet?" Noll guckt irritiert. "Both" hilft Ecclestones Verteidiger, Sven Thomas, weiter: "Beides." Heiterkeit im Saal. Ecclestone ist zweimal geschieden und zum dritten Mal verheiratet. Es folgen Fragen zu seinem Beruf ("Formel-1-Manager") und zu den Namen der Eltern des 83-Jährigen. "Das waren noch die einfacheren Fragen dieses Verfahrens", sagt Richter Noll mit einem Lächeln. Dann wird es weniger freundlich.

"Sämtliche wichtigen operativen Strukturen und Abläufe waren auf seine Person zugeschnitten"

Die Anklageschrift, die die Staatsanwaltschaft eine Stunde lang vorträgt, zeichnet von Ecclestone das Bild eines Mannes, der stets bemüht war, seine Geschäfte im Dunkeln zu lassen. Ecclestone soll nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ein kompliziertes Imperium mit einer Unzahl an Unter- und Nebenfirmen geschaffen haben, durch das nur einer durchstieg: Bernie Ecclestone. "Sämtliche wichtigen operativen Strukturen und Abläufe waren auf seine Person zugeschnitten und wurden de facto von ihm allein kontrolliert", heißt es in dem 23-seitigen Anklagesatz, den die Staatsanwaltschaft vorträgt. Ecclestones Machtposition resultierte nach Ansicht der Ankläger unter anderem daraus, dass Ecclestone persönlich "die wichtigen Verträge mit den Vertragspartnern (...) aushandelte, kannte und hütete, auf deren Grundlage die Formel 1 ihre Einnahmen generiert, deren Offenlegung (...) er nach Kräften zu vermeiden suchte".

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Es ist die Bayerische Landesbank (kurz: BayernLB), die 2002 zum Störfaktor im System Ecclestone wurde. Grob umrissen ereignete sich Folgendes: Bayerns Landesbank war nach der Pleite ihres Kreditkunden und Formel-1-Betreibers Leo Kirch Hauptaktionär der Vermarktungsgesellschaft für die Formel 1 geworden. Zuständig bei der BayernLB war Gerhard Gribkowsky, damals Vorstandsmitglied, zuständig für Risikomanagement. Seiner Funktion entsprechend versuchte Gribkowsky zunächst nach Sicht der Staatsanwaltschaft, Transparenz in das schwer zu durchschauende Geflecht zu bringen, und forderte zugleich mehr Mitbestimmung für die Bank. In der Anklage heißt es: "Die BayernLB und die beteiligten US-Banken wollten (.) ein System der Kontrolle und Mitbestimmung einführen (...), das eine wirksame Einflussnahme auf die Geschäftsführung des Angeklagten ermöglichte. All dies missfiel dem Angeklagte als bis dahin faktisch unangefochtenem Lenker der Formel 1 (.) erheblich."

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Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft habe Ecclestone darauf hingewirkt, die BayernLB loszuwerden, indem sie ihre Anteile verkauft - und zwar an einen Käufer, den Ecclestone selbst bestimmt. Doch dazu, so die Ankläger, brauchte er seinen bisherigen Gegenspieler: Gribkowsky. Dem bayerischen Landesbanker seien bis zu 50 Millionen Dollar in Aussicht gestellt worden, wenn er den Verkauf in Ecclestones Sinne vorantreibe. Demnach habe ihn Ecclestone im März 2006 gefragt, wie viel es koste, damit er die Seite wechselt: "Tell me a number", soll Ecclestone Gribkowsky nach Gribkowskys Angaben gefragt haben. "50", habe dieser geantwortet und Millionen gemeint. Es wurden knapp 44 Millionen.

Für die Münchener Staatsanwaltschaft ist der Fall klar: Aus ihrer Sicht hat sich Ecclestone der Bestechung schuldig gemacht, als die BayernLB ihre Formel-1-Anteile an Ecclestones Wunschanteilseigner, den britischen Investor CVC, für 830 Millionen Dollar verkaufte. Ecclestone blieb damit Chef der Formel 1, und Landesbanker Gribkowsky wurde schließlich um genau 43.970.772 Dollar, umgerechnet 35,5 Millionen Euro, reicher. Deklariert als angebliches Beratungshonorar, floss das Geld aus der Bambino-Stiftung von Ecclestones Exfrau und aus Ecclestones Privatvermögen über Briefkastenfirmen an Gribkowsky. Weil Gribkowsky als Vorstand einer halbstaatlichen Bank der Justiz als Amtsträger gilt, wiegen die Vorwürfe besonders schwer.

Dass die Millionen geflossen sind, bestreiten weder Ecclestone noch Gribkowsky

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hat sich Ecclestone auch noch etwa 41 der knapp 44 Millionen Dollar wiedergeholt. Denn Gribkowsky habe auf sein Betreiben hin bei der BayernLB eine Provision von rund 41 Millionen Dollar für Ecclestone durchgesetzt. Demnach hätte Ecclestone das mutmaßliche Bestechungsgeld nicht einmal selbst bezahlt.

Dass die Millionen geflossen sind, bestreiten weder Ecclestone noch Gribkowsky. Die Einigkeit endet bei dem Anlass. Ecclestone behauptet, Gribkowsky habe ihn bedroht, ja erpresst. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, Ecclestone habe Gribkowsky bestochen.

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In dieser Frage hat schon einmal ein Richter geurteilt, es war derselbe, der nun über Ecclestones Schuld zu entscheiden hat: Peter Noll. Im Juni 2012 verurteile Noll den Angeklagten Gribkowsky unter anderem wegen Bestechlichkeit zu achteinhalb Jahren Gefängnis. Ecclestone habe Gribkowsky "ins Verbrechen geführt, und nicht umgekehrt", urteilte Noll damals. Ecclestone habe keine plausiblen Gründe für seine Millionenzahlungen geliefert. Nun ist Gribkowsky der wichtigste Zeuge der Anklage.

Ecclestone jedenfalls sieht sich nicht als Täter, sondern als Opfer

Für manche ist die Formel 1 bloß der teuerste Kreisverkehr der Welt, für andere eine Welt voller Verheißungen. Gribkowsky, der Landesbanker, der zum Häftling wurde, erlag vielleicht der Verführung des Rennzirkus`.

Ecclestone jedenfalls sieht sich nicht als Täter, sondern als Opfer. Rund vier Stunden lang verlesen seine Anwälte eine Erklärung in seinem Namen. Gribkowsky sage "in entscheidenden Punkten die Unwahrheit". "Die behauptete Bestechung gab es nicht", hatten die Anwälte schon vorab erklärt. Die Angaben von Gribkowsky seien "unzutreffend, irreführend und unschlüssig". Die Verteidigung legte dem Gericht neue Dokumente vor, die Ecclestone Unschuld beweisen sollen.

Nicht er habe Gribkowsky bestochen, sondern dieser ihn erpresst. "Er wollte Geld." Er sei häufig gefragt worden, "wie es sein kann, dass jemand wie Bernie Ecclestone unter Druck gesetzt werden kann", trägt sein Anwalt für Ecclestone vor. "Ja, es geht." Gribkowsky habe mit Ecclestones Angst vor langwierigen Steuerfahndungen den "richtigen Hebel" gefunden. "Ich sah mein Lebenswerk in Gefahr." Gribkowsky habe Ecclestone damit gedroht, ihn bei den Steuerbehörden anzuschwärzen. Ecclestone soll Milliarden an Steuernachzahlungen befürchtet haben. Auch an der Provision, die er erhalten habe, sei nichts ungewöhnlich gewesen. Und dass Gribkowsky als Vorstandsmitglied einer Landesbank ein Amtsträger gewesen sei, habe er nicht gewusst.

Der Prozess ist auf 26 Verhandlungstage terminiert, 39 Zeugen sind geladen. Gerhard Gribkowsky soll am 9., 13. und 14. Mai seine Version der Geschichte erzählen. Erst danach ist Ecclestone bereit, Fragen zu beantworten.