Droht die Spaltung des Westens?

Merkel-Besuch bei Obama

Kanzlerin Merkel und US-Präsident Obama haben in Washington viel zu besprechen (Foto: AFP)
Kanzlerin Merkel und US-Präsident Obama haben in Washington viel zu besprechen (Foto: AFP)


Angela Merkel ist nach Washington gereist, um am Nachmittag mit US-Präsident Barack Obama über den Ukraine-Konflikt zu beraten. Die Kanzlerin hat eine klare Botschaft: Keine Waffenlieferung an die Ukraine. Merkel befürchtet, dass sich die USA über den europäischen Diplomatiekurs hinwegsetzen, sollte die zuletzt gestartete deutsch-französische Friedensinitiative scheitern. Entzweit ein Strategiestreit die USA und Deutschland?

Von Lisa Rokahr

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Treffen von Merkel und Obama.

Worüber sprechen Merkel und Obama?

Am Rande wird es um die Weltwirtschaftslage und das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP gehen – vor allem aber werden die Staatschefs über die Krise in der Ukraine sprechen. Merkel will für die deutsch-französische Friedensinitiative werben. Bei diesem Thema hat die Kanzlerin in den USA zunehmend einen schweren Stand: Während ihr Obama bisher die Führungsrolle in der Ukraine-Krise überließ, werden in Washington Stimmen laut, die Ukraine mit Waffen zu beliefern. Merkel lehnt dies ab.

Wie sind die Beziehungen zwischen den USA und Deutschland?

Merkels Krisenpolitik steht in der Kritik, weil die russischen Aggressionen trotz diplomatischer Bemühungen und Sanktionen nicht gestoppt werden konnten und der Krieg in der Ostukraine andauert. Nun droht ein Strategiestreit die Europäischen Union und US-Politik zu entzweien, denn von amerikanischer Seite werden Forderungen laut, die Regierung der Ukraine mit Defensivwaffen zu versorgen. Merkel lehnt militärische Interventionen ab und setzt weiter auf Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz am vergangenen Wochenende griffen US-Senatoren Merkels Kurs scharf an und betonten, dass sie eine Diplomatielösung als gescheitert ansehen. Sowohl Merkel als auch Obama stehen deshalb unter Druck.

Welche Ergebnisse brachte die Sicherheitskonferenz in München?

Hinter den Türen herrschte bei der US-Delegation Frustration über das zögerliche Vorgehen der EU, erneut forderten Senatoren Waffenlieferungen an die ukrainische Regierung. Zwar versuchte US-Außenminister John Kerry die Kritik seiner Landsleute abzufedern und versicherte, dass es „kein Potenzial für Spaltung“ gebe. Doch auch auch Obamas Vize Joe Biden sagte: „Wir müssen den Ukrainern helfen, sich selbst zu verteidigen.“ Er verzichtete auf das Wort „Waffenlieferungen“, aber die Aussage kann als diplomatischer Aufruf an Merkel verstanden werden, die Versorgung der Ukraine mit Verteidigungswaffen in Erwägung zu ziehen.
Merkel betonte in München jedoch, dass sich Putin von einer militärischen Aufrüstung nicht so beeindruckt zeigen würde, dass er den Konflikt beilegen würde, stattdessen drohe die Eskalation. Gleichzeitig übte sie scharfe Kritik am russischen Präsidenten: „Die Grenzen Europas sind und bleiben unverrückbar“, sagte sie und forderte von Putin, die Regeln der internationalen Gemeinschaft zu akzeptieren. Sie setze dennoch weiter auf eine Deeskalationsstrategie, der Erfolg einer Friedensverhandlung sei zwar „ungewiss“ aber es „auf jeden Fall wert“.

Welche Bedeutung hat der US-Besuch in Hinblick auf das Friedenstreffen in Minsk am Mittwoch?

Am Mittwoch wollen sich Hollande und Merkel mit Putin und dem ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko in Minsk treffen, um über einen konkreten Friedensvertrag zu verhandeln. Sollten die Verhandlungen scheitern, dürfte die Geduld der Amerikaner für weitere Diplomatiebemühungen zu Ende sein. Zwar hat Obama noch keine Entscheidung über die Waffenlieferungen getroffen, sie aber auch nicht ausgeschlossen. Deutsche Diplomaten fürchten, wenn das Gipfeltreffen am Mittwoch keine Lösung bringt, dürfte der Druck aus dem US-Kongress zu groß werden und der Präsident keine Wahl haben, als Waffenlieferungen zuzustimmen. Nun liegt es an Merkel, sein Vertrauen für den europäischen Kurs zurückzugewinnen. Doch die Vorzeichen stehen nicht gut: In einem Interview mit der staatlichen ägyptischen Zeitung „Al-Ahram“ dämpft Putin die Hoffnung auf ein Ende der Auseinandersetzung: Den Vorwurf, die Aufständischen mit Waffen und Streitkräften zu versorgen, wies Putin erneut zurück. Er besteht zudem darauf, dass auch die prorussischen Separatisten der Ostukraine an Friedensgesprächen beteiligt werden. Der Konflikt werde so lange andauern, wie sich die "Ukrainer nicht untereinander einig werden", so Putin. Es wird für Merkel nicht einfach werden – nicht in Washington und nicht in Minsk.