Zu Guttenberg ist zynisch

 

Karl-Theodor zu Guttenberg mischt sich per Mail in die Debatte ein. (Bild: dpa/Archiv)
Karl-Theodor zu Guttenberg mischt sich per Mail in die Debatte ein. (Bild: dpa/Archiv)


Der ehemalige Verteidigungsminister ist zurück: Er kritisiert in einem Beitrag für die "Bild"-Zeitung die Bundesregierung wegen ihrer Verzagtheit im Irak-Konflikt. Das ist erwartbar, falsch und ein echter zu Guttenberg

 

Ein Kommentar von Jan Rübel

Er kann es nicht lassen, der Mangel an Scheinwerferlicht scheint an Karl-Theodor zu Guttenberg zu nagen. Und so schaltet er sich hin und wieder in deutsche Debatten ein mit einer Mail aus Amerika. Dorthin war der nach einer Plagiatsaffäre gestürzte Ex-Bundesverteidigungsminister geflüchtet.

Und nein. Es geht ihm nicht um die Debatte an sich, nur um Inhalte. Er sieht sich nicht nur als Schubser, der nötige, aber bittere Wahrheiten ausspricht, damit die lahmen Deutschen endlich den Hintern hochkriegen. Zu Guttenberg geht es um sich selbst, und das liest sich klar zwischen den Zeilen seines jüngst veröffentlichten Zwischenrufs aus den USA.

Das Schlachtfeld, auf dem er sich tummelt, ist der Irak. Dort morden Terrormilizen des Terrorhaufens Islamischer Staat (IS). Zu Guttenberg nennt sie „ISIS“, er scheint ihre eigene Namensänderung nicht mitgekriegt zu haben, aber sei’s drum. IS sucht eine militärische Entscheidung, und die Iraker müssen sich ihm entgegen stellen – sie müssen kämpfen. Und ihnen wird nun geholfen: Die USA bombardieren aus der Luft. Nur die Bundesregierung stellt sich mal wieder quer, will nur Ausrüstung „unterhalb der Schwelle tödlicher Waffen“ liefern. Zu Guttenberg nennt das zynisch. Dabei ist er selbst.

Er mäkelt nur

Denn er verzichtet in seiner Polemik gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber darauf, zu schreiben, was er eigentlich für richtig hält in der jetzigen Situation. Er mäkelt nur herum, nennt aber selbst nicht, was den Kurden, den Christen, allen Irakern seiner Meinung nach nun helfen würde in der Auseinandersetzung mit den Kalifatsfanatikern vom IS.

Also, was würde den Irakern helfen?

Die Luftangriffe gegen IS sind sicherlich richtig und ein notwendiges Übel. Aber sollten sich deutsche Kampfflugzeuge daran beteiligen? Nur, um später sagen zu können, wir seien dabei gewesen? In den Nachbarländern des Iraks, in der Türkei und im Iran, stehen die Luftstreitkräfte für solch einen Schlag bereit, aber die Mullahs aus Teheran sollen sich nicht rühmen dürfen, so die US-Doktrin.

Was den Irakern helfen würde, wäre eine konzertierte Aktion ihrer Nachbarn, eine Aktion der Solidarität. Die USA sollten sich allein deshalb aus dem Zweistromland heraushalten, weil sie mit ihrer Strategie der puren Gewalt ganz allein den Irak in jenes Chaos gestürzt haben, in dem das Land jetzt steckt. Der IS hat einen großen Geburtshelfer: die USA selbst. Zwar ungewollt. Aber unfähig, nach seinem Erstarken wirklich gegen ihn vorzugehen. Denn IS wird finanziell gepimpert aus Saudi-Arabien und Qatar, das sind Verbündete des Westens.

Also: Luftschläge gegen IS ja, aber aus der Region heraus, das diente der Nachhaltigkeit. Und der Westen sollte endlich den Golfstaaten durch Sanktionsdrohungen klar machen, dass Terror-Sponsoring nicht auf der Liste freundschaftlicher Maßnahmen steht. Dann sind sie eben nicht mehr unsere Freunde, unsere Öl- und Gaslieferanten.

Waffen gibt es im Land genug

Und was den Irakern sicherlich nicht helfen würde, wären mehr Waffen. Das Land ist von Kriegen halb durchlöchert, Waffen stehen in jedem Kleiderschrank – und nun soll die Bundesregierung schweres Gerät „oberhalb der Schwelle tödlicher Waffen“ ins Land spülen, ist es das, was zu  Guttenberg will – ohne es natürlich zu schreiben?

IS ist ein Herrscher für kurze Zeit. Das Terrorregime wird zusammenbrechen, zum Regieren sind ihre Anführer nicht geeignet. Es ist nur die Frage, wie viel Leid bis dahin noch zu ertragen sein wird.

Was den Irakern helfen würde, wäre ein Ansatz der Versöhnung und des Friedens. Zivilprojekte, welche die verfeindeten Schiiten und Sunniten an einen Tisch bringen würden. Da könnte Deutschland helfen, denn da haben wir Erfahrung. Aber das ist nicht so sexy für zu Guttenberg, damit könnte er ja nicht glänzen.

Im Übrigen bin ich nicht gegen deutsche Kampflugzeuge im Nahen Osten wegen unserer deutschen Vergangenheit als Weltkriegsverbrecher. Was können die Kurden für Auschwitz? Nichts. Aber zu Guttenbergs Brief ist kein konstruktiver Beitrag in dieser Debatte.

Er entlarvt sich damit, wie er immer Politik machte: Durch seine Inszenierung als Haudrauf, als einer, der sich durchsetzt, der reinen Tisch macht – in den Bildern der Medien. Was hinterher übrig bleibt, seien es die Bundeswehrreform oder die Soldaten in Afghanistan, das hinterließ er Anderen. Lieber Herr zu Guttenberg, schreiben Sie bitte beim nächsten Mal doch erstmal sich selbst. Schauen Sie tief in sich herein, was Sie wirklich wollen und was Sie bewegt. Und dann schicken Sie gern wieder eine Mail.

Yahoo Redakteurin Biana Golodryga über die Jesiden (englisch):