Hoeneß' Gefängnis: "Keine Exklusiv- und Sonderklasse"

Hoeneß' Gefängnis: "Keine Exklusiv- und Sonderklasse"


Acht Quadratmeter für 28,5 Millionen Euro: Eine karge Zelle, ein strikter Tagesablauf und blaue Anstaltskleidung erwarten Uli Hoeneß in der JVA Landsberg. Die Yahoo-Reporterin zu Besuch.


Der Weg vom Bett zur Toilette beträgt etwa einen Meter. Der Tisch, an dem Uli Hoeneß wohl bald frühstücken, zu Abend essen und Briefe schreiben wird, ist von Toilette und Bett nicht weiter entfernt. Durch das vergitterte Fenster geht der Blick gen Himmel, streift Stacheldraht und die vergitterten Fenster der Zellen gegenüber. Das Bett ist schmal, die Matratze dünn. Das Wasser, das aus dem Hahn kommt, ist ausschließlich kalt, die Zellentür verschlossen. Man muss den Kopf senken, will man hindurchgehen. Sie ist keine 1,80 Meter hoch. Als einzige persönlichen Gegenstände sind der Ehering, eine Armbanduhr, ein weiteres Schmuckstück und Fotos erlaubt. Die Kleidung stellt das Gefängnis. Blaue Hose, blaues Hemd, grünes Poloshirt, grüner Pullover.



Es ist keine angenehme Vorstellung, Monate, gar Jahre in einer Acht-Quadratmeter-Gefängniszelle verbringen zu müssen – auch nicht in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Landberg am Lech.

Sie möchten „ein Bild von der Realität“ transportieren. So sagt es Frank Arloth, Leiter der Abteilung Justizvollzug des bayerischen Justizministeriums. Aus diesem Grund dürfen Medienvertreter an diesem Tag ausnahmsweise hinter die Mauern der bayerischen JVA Landberg gucken. Die Realität, die sie zu sehen bekommen ist grau, vergittert und beengt. Im Zellentrakt des geschlossenen Vollzugs sind die einzelnen Etagen durch Fangnetze getrennt. Sollte jemand – freiwillig oder unfreiwillig – hinunterstürzen, kann er nicht weit fallen.

Um die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu wahren, gibt Anstaltsleiterin Monika Groß keine Auskunft über einzelne Strafgefangene. Auch nicht über künftige. Ohne seinen Namen zu nennen, spricht sie trotzdem die ganze Zeit über einen: Uli Hoeneß. Der ehemalige FC-Bayern-Präsident wird demnächst hinter den Landsberger Mauern seine Strafe absitzen. Das Landgericht München II hatte ihn wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 28,5 Millionen Euro zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.

Tagesablauf strikt geregelt


554 Strafgefangene sind aktuell in der JVA Landsberg untergebracht, 422 von ihnen im geschlossenen, 122 im offenen Vollzug. Offener Vollzug das heißt, sie können die Mauern zum Arbeiten verlassen und kehren nur zum Schlafen zurück.

Für alle anderen ist der Tagesablauf strikt geregelt: 5.50 Uhr Wecken; 6.10 Uhr Aufschluss der Zellen, 6.20 Uhr das Frühstück abholen und im eigenen Haftraum essen;
7 Uhr Arbeitsbeginn etwa in der KFZ-Werkstatt, der Schlosserei oder Metzgerei; 11 bis 12 Uhr Mittagessen im Speisesaal, danach zurück zur Arbeit; 15 bis 15.30 Uhr Arbeitsende; 15.40 Uhr Abendessen abholen; 16 Uhr Kontrolle der Gefangenen in den Zellen; 17 Uhr Aufschluss für Freizeitaktivitäten; 19 Uhr Einschluss.

Der ehemalige FC-Bayern-Chef wird wie jeder Neuankömmling zunächst in einer Zwei-Mann-Zelle in den geschlossenen Vollzug kommen. Die Männer teilen sich dann zehn bis zwölf Quadratmeter. Nach etwa zwei Wochen wird er wie die meisten anderen in eine Einzelzelle verlegt. Einige Wochen später wird die Anstaltsleitung entscheiden, ob er in den offenen Vollzug wechseln darf. Voraussetzung dafür ist, dass „keine Flucht oder Missbrauchsgefahr“ besteht, sagt Arloth.

Keine Exklusiv- und Sonderklasse

Die 554 Männer, die in der JVA Landsberg einsitzen, sitzen in der Regel das erste Mal im Gefängnis – manche von ihnen verbüßen eine lebenslange Freiheitsstrafe. Sexualstraftäter, Gewalttäter, Wirtschaftskriminelle – in der JVA Landsberg müssen sie alle miteinander auskommen, getrennte Abteilungen gibt es nicht. Auch nicht für Hoeneß. „Bei uns gibt es keine Exklusiv- und Sonderklasse, bei uns sind die Hafträume alle gleich“, sagt Vollzugsdienstleiter Franz Röck.

Das Warmwasser beim Duschen ist zeitlich begrenzt, das Freizeitangebot hinter Gefängnismauern vielfältig: zum Beispiel Didgeridoo-Spielen, Power-Yoga, Volleyball – und natürlich Fußball. „Sport wird in der JVA sehr groß geschrieben“, sagt Röck. Zur Anstalt gehört ein eingegitterter Fußballplatz samt Wachtturm.

Einen Fernsehraum gibt es übrigens nicht. Die Fußball-Weltmeisterschaft gemeinsam mit anderen zu sehen, gemeinsam zu fiebern und jubeln, wird schwierig in der JVA. Der größte Raum zum Fernsehen wäre eine Vier-Mann-Zelle. Jeder Gefangene hat seinen eigenen Fernseher. Über Kabelanschluss seien auch alle Sender zu sehen. „Sky ist nicht dabei“, ergänzt Arloth.

Der Tageslohn der Strafgefangenen liegt im Schnitt bei 11,94 Euro. „Diese 11,94 Euro sind steuerfrei“, ergänzt der stellvertretende Anstaltsleiter Harald Eichinger. In der Freizeit können die Gefangenen während des rund zweistündigen Hofgangs Schach oder Tischtennis spielen, Klimmzüge machen oder an den Mauern entlang spazieren. Besuch von außen ist zweimal im Monat für jeweils zwei Stunden erlaubt. Hält sich der Gefangene an die Regeln, darf er seinen Besucher sogar in den Arm nehmen. Wird er beim Schmuggeln erwischt, droht eine Trennscheibe. Handys, Laptops und Computer sind in der JVA nicht erlaubt. Hoeneß wird nur im Ausnahmefall telefonieren dürfen, etwa wenn ein Angehöriger erkrankt ist. Der gelbe Briefkasten im Zellentrakt wird wohl sein regelmäßiger Kontaktweg nach draußen sein.

Das Gefängnis ist eigentlich für 720 Männer gedacht, doch seit Februar 2013 wird das historische Gemäuer, das von 1905 bis 1908 errichtet wurde, umfangreich umgebaut und saniert. Einst saß Adolf Hitler dort ein und schrieb an „Mein Kampf“, seine Zelle existiert längst nicht mehr. Die Elektronik wird erneuert, die Krankenabteilung modernisiert, ein neuer Zaun und eine neue Mauer werden gebaut. Das Gefängnis ähnelt derzeit einer Baustelle. Und das wird nach Angaben von Anstaltsleiterin Groß auch „für lange Zeit“ so bleiben.