IS-Kämpfer im Interview: Trashtalk mit einem Terroristen

Jürgen Todenhöfer interviewt Christian Emde in Mossul (Bild: RTL)
Jürgen Todenhöfer interviewt Christian Emde in Mossul (Bild: RTL)

Wie tickt ein Terrorist vom „Islamischen Staat“? Der Publizist Jürgen Todenhöfer hat für den Fensehsender RTL nun einen deutschen Kämpfer der Terrororganisation interviewt: Den Solinger Christian Emde.  „Das ist ein Überzeugungstäter, der glaubt, eine historische Mission zu erfüllen“, sagt Jürgen Todenhöfer.

Von Jan Rübel

Einen Eintrag bei Wikipedia hat Christian Emde noch nicht. Aber der wird sicherlich in diesem Moment geschrieben. Christian Emde hatte nämlich gerade seinen großen Auftritt vor einer Fernsehkamera, sie stand irgendwo im nordirakischen Mossul. Er ist ein Kämpfer der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS). Er ist nun von Beruf Angstmacher. Und da gibt er sich richtig Mühe.

Emde ist 31, stammt aus Solingen. Viel wusste man bisher nicht über ihn. Er war 2011 in London festgenommen worden, nachdem sich in seinem Koffer Bombenbauanleitungen gefunden hatten. Er wurde verurteilt und nach Deutschland abgeschoben, tauchte unter und machte sich auf ins Kriegsgebiet des IS. Dort kämpfen die islamistischen Terroristen gegen die Bevölkerung und wollen ein Religionsregime errichten.

Der Publizist Jürgen Todenhöfer ist an ihn herangekommen. Über Facebook hatte der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete und heutige Nahost-Reporter Kontakt zu deutschen Islamisten aufgenommen, die für den Dschihad im Nahen Osten abgehauen sind. Einige, darunter Emde, antworteten. Ende vorigen Jahres war Todenhöfer dann gemeinsam mit seinem Sohn in den Nordirak gereist, in das umkämpfte Gebiet und hinein in das Reich des IS.

Trashtalk mit einem Terroristen

Todenhöfer ist eine kontroverse Figur: Er hat in den vergangenen Jahren mit seinen Berichten und Interviews aus dem Nahen Osten für viel Aufsehen gesorgt, musste aber auch viel Kritik einstecken. So wurde ihm nach einem Interview mit dem syrischen Diktator Baschar al-Assad vorgeworfen, dessen Thesen widerspruchslos hingenommen zu haben. Auch in seinem Gespräch mit Emde lässt Todenhöfer vor allem reden, fragt kaum kritisch nach. Aber Emde entlarvt sich selber mit seiner absurden Hetze.

Jürgen Todenhöfer: "… das heißt, Sie wollen eines Tages auch Europa erobern?"
Emde: "Nein, nein ... wir werden eines Tages Europa erobern. Nicht: wir wollen - wir werden! Da sind wir uns sicher."

Todenhöfer: "Muss man in absehbarer Zeit mit Anschlägen des IS in Deutschland rechnen?"
Emde: "Der deutsche Staat bekämpft ja uns, denn er hat Waffenlieferungen an die Peschmerga gemacht … Und er bekämpft den Islam schon seit sehr, sehr langer Zeit. Deswegen müssen sie sich drauf gefasst machen - definitiv!"

Todenhöfer: "... und wenn sich die Schiiten Iraks und die Schiiten Irans, die 150 Millionen, die es auf der Welt gibt, weigern zu konvertieren, dann heißt es, sie werden getötet?"
"Ja."

Todenhöfer: "150 Mio?"
Emde: "150 Millionen, 200 Millionen, 500 Millionen, uns ist die Anzahl egal."

Todenhöfer: "Sie waren deutscher Protestant, Sie wurden Muslim, und sind jetzt hier im Islamischen Staat, sind hier in Mossul, was Sie erobert haben … Werden Sie eines Tages nach Deutschland zurückkehren?"
Emde: "Ob ich zurückkehre nach Deutschland, das weiß ich nicht, das weiß nur Allah. Aber wir werden definitiv zurückkehren und das wird nicht mit Freundlichkeiten sein oder sonst irgendwas, sondern das wird mit der Waffe sein und mit unseren Kämpfern. Und wer den Islam nicht annimmt oder das Schutzgeld nicht zahlt, den werden wir töten."

Die wichtigste Botschaft: der Westen müsse sich „drauf gefasst machen“. Also auf Anschläge von Leuten wie ihm. Da hat er Recht. Aber mehr auch nicht.

Denn alles weitere ist nur bloße Allmachtphantasterei. Dass der IS einmal über dem Reichstag in Berlin seine Flagge hissen wird, trauen sich nicht einmal die hartgesottensten Pegida-Proheten auszudenken. Und dass die Bevölkerungsmehrheit des Irak, die Schiiten, einfach mal liquidiert werden soll, spricht allerhöchstens von alten deutschen Traditionen, die da in seinen Gedanken weiter leben: denen von der Vernichtung riesiger Menschengruppen.

Emde spricht in der Logik jener, die Antworten haben, aber keine Fragen. Er fühlt sich als jemand, der Gottes Wille verstanden hat. Der weiß, was zu tun ist. Und mit solchem Beistand lassen sich Sätze sagen, dass etwa Muslime rund um Emde „Europa erobern“ würden. Die „Schuld“ des Westens sieht Emde konkret darin, dass die Bundeswehr die kurdischen Kämpfer mit Waffen versorgen. Die „Peschmerga“ sehen sich durch den IS im syrisch-irakischen Grenzgebiet herausgefordert und angegriffen. Seit Monaten gibt es erbitterte Stellungskämpfe. Die Kurden empfinden den IS als Eindringling. IS-Männer wie Emde sehen sich im Recht – und daher in den Kurden Eindringlinge, nämlich als Eindringlinge in ihre Ordnung. Die Radikalislamisten des IS orientieren sich an den Geschehnissen des siebten Jahrhunderts n. Chr. Damals expandierte der Islam, es war auch schon vorher eine kriegerische Zeit auf der Arabischen Halbinsel. Damals war es üblich, mit Kämpfern zu anderen Stämmen zu reiten, sie zu unterwerfen und Schutzgeld zu fordern. Nur will Emde dies nun 1400 Jahre später und 4000 Kilometer entfernt wiederholen. Emde ordnet seine Worte im Interview der Logik des Dschihad unter – des „Heiligen Kämpfens“.

Weiter geht es im Kopfkino von Emde: Juden und Christen müssten sich unterwerfen, also Muslime werden oder jene Kopfsteuer zahlen, welche damals anfiel, als es die ersten Kalife gab. Das klingt schrecklich, aber Emde weiß vielleicht nicht, dass selbst diese damalige Kopfsteuer für Christen und Juden günstiger zu Buche schlug als jene Abgaben, die sie früher an den christlichen Oberherrscher in Byzanz zu entrichten hatten – bevor die „islamischen Eroberer“ kamen.

Dabei ist Emde nur ein Teil im Rädchen: Beim IS werden „Einreiser“ wie er selten zum echten Kämpfen abgestellt. Entweder schickt man sie als Kanonenfutter und Selbstmordattentäter los – oder lässt sie in Videos den Leuten in deren Heimat Angst einjagen. Emde macht seinen Job ganz gut.

In Solingen war er auch ein Rädchen. Dann war Solingen irgendwann zu klein für Emde und andere – insgesamt 19 junge Männer aus Solingen sind in den Dschihad gereist. Für Emde war 2011 vorerst Schluss gewesen, als er in London verhaftet worden war.

An Aussagen wie jetzt werden wir uns gewöhnen müssen. Die vom IS rekrutierten Deutschen müssen ja ihren Job machen. Und es sind einige: Die Bundesanwaltschaft hat gerade Ermittlungen gegen einen Wolfsburger aufgenommen: Er soll nach Angaben der „Bild“-Zeitung eine „schwere staatsgefährdende Straftat“ planen. Fakt ist, dass sich in Deutschland Zellen wie Inseln herausbilden. Neben Solingen ist Wolfsburg-Braunschweig so eine Region, in der sich junge radikale Männer zusammengeschlossen haben.