Killing us softly

Erst die Eisbären, dann der Mensch? Der Klimawandel betrifft uns alle. (Bild: dpa)
Erst die Eisbären, dann der Mensch? Der Klimawandel betrifft uns alle. (Bild: dpa)

Nichts verändert unseren Planeten mehr als der Klimawandel. Dafür zuständig ist der Mensch. Sehen wir für unsere Spezies noch eine Zukunft hier? Der Klimagipfel in Paris steht vor dieser Frage – und wird sich hoffentlich nicht wieder drücken.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Klimawandel – darunter versteht jeder etwas. Irgendwie ein negatives Wort. Okay, Winzer werden bald auch in Schleswig-Holstein passablen Riesling anbauen, solange die Deiche vor den anschwellenden Sturmfluten halten. Der Rest von uns ahnt: Mit dem Klima wandelt sich etwas, und Veränderungen tragen oft für uns ein unheimliches Gewand.

Das des Klimawandels ähnelt dem von Gevatter Tod. Und gestrickt haben es wir selbst. Noch in den Neunzigern wurde darüber gestritten, ob der Mensch tatsächlich für diese Phänomene verantwortlich ist: für die gestiegenen Temperaturen, die häufigeren Stürme und Überschwemmungen, für den gestiegenen Meeresspiegel und für die andauernden Dürren in Regionen, in denen es eh schon trocken war. „Klimaskeptiker“ sagten: es ist die Sonnenstrahlung, oder der eine oder andere Vulkan. Heute gibt es keinen Wissenschaftler mehr, der sowas sagt. Heute wissen wir: Der Mensch ist eine ungeheure Kraft. Er verändert den Planeten. Seit der Industrialisierung pusten wir Abgase in den Himmel und sorgen für Erderwärmung. Geht es so weiter, werden zuerst viele Landstriche unbewohnbar werden, es wird Fluchtbewegungen geben, gegenüber denen die heutigen ein Witz sind. Es werden viele Menschen sterben, die Armut wird steigen.

Der Countdown läuft

Um das zu verhindern, muss der Mensch runter vom Gaspedal. Die Energiewende muss überall auf der Erde ansetzen. Wir müssen jetzt Opfer bringen: heute Dämpfer für das Wirtschaftswachstum riskieren, um morgen überhaupt noch Wirtschaft betreiben zu können.

Am Montag beginnt in Paris das wichtigste Treffen dieses Jahres. Delegationen aus 195 Ländern kommen zusammen, insgesamt 20.000 Teilnehmer wird der Klimagipfel zählen. Es geht ja auch ums Ganze. Bei den vorherigen Gipfeln gab es bisher nur warme Worte – die Lobbyisten der Wirtschaft leisteten ganze Arbeit und sorgten für die Verwässerung eines jeden Vorhabens zur Reduzierung von Schadstoffemissionen. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass sie auch diesmal Erfolg haben werden – weil wir uns nicht darüber entrüsten. Wir lassen sie machen.

Klimawandel ist eine Gruselfigur, die wir ab und zu aus dem Schrank nehmen, sie anschauen und wieder weglegen. Klimawandel ist so weit weg, so wenig fassbar. Er drückt sich für uns –noch – in Zahlen aus. Er klingt nach Steuererklärung.

Andere Bösewichter haben es leichter. Schießen Terroristen einen Konzertsaal zusammen, ist die Antwort direkt, hart und schnell. „Es soll wehtun“, schwört dann ein Staatspräsident wie jüngst Francois Hollande. Oder erinnert sich noch jemand an den „Sauren Regen“ in den Achtzigern? Das nahm uns mit. Die Bäume starben damals, Bands sangen „Mein Freund der Baum ist tot“, rührten damit Millionen und verdienten Millionen. Ein Hit zum Klimawandel ist nicht in Sicht. Gegen den sauren Regen unternahm man damals, zum Glück, allerhand. Die Bäume gesundeten wieder.

Wir hinken emotional hinterher

Vielleicht liegt es daran, dass wir ziemlich begrenzt sind, trotz unseres Talents zum Planetenmodelling. Die meiste Zeit in unserer Entwicklungsgeschichte lebten wir noch immer als Jäger und Sammler in Kleinhorden. Es waren gefährliche Zeiten und unsere Feinde zahlreich. Mitgefühl, echte Empathie, galt damals ausschließlich den Mitgliedern in unserer jeweiligen Kleinhorde. Für die dachte man mit – denn ohne Horde starb man. Psychologen sagen: Unsere Fähigkeit zum Mitgefühl ist seitdem nicht gewachsen – Empathie kann jeder von uns entwickeln für sein engstes Umfeld, dass 50 bis 60 Personen nicht übersteigt. Der Rest hat Pech gehabt. In Mikronesien verschwinden die ersten Inseln? Pech gehabt. Die Saharawüste breitet sich aus? Ist doch eh tote Gegend. Ostfriesland wird irgendwann überschwemmt? Dann erzählen wir Witze über die Westfalen.

Der Klimagipfel von Paris ist ein Schicksalsgipfel. Wird er nicht von einem großen Aufschrei begleitet, wird er scheitern. Und dann könnte die ganze Menschheit scheitern.

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