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Kontrollen an Deutschlands Grenzen – Was bedeutet das?

Die Bundesregierung hat das Schengener Abkommen außer Kraft gesetzt. (Bild: dpa)

Es sieht aus wie eine Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik – an der Grenze zu Österreich gibt es Kontrollen. Was werden die Folgen sein? Sieben Antworten auf sieben Fragen.

Eine Analyse von Jan Rübel

Schlagbäume in den Alpen, Autostaus vor Grenzern – seit vergangenem Sonntag gibt es Bilder, die an den Kalten Krieg erinnern. Die Bundesregierung hat das Schengener Abkommen außer Kraft gesetzt. Das Wichtigste im Überblick:

Was ist das Schengener Abkommen?

Vor 30 Jahren setzten sich europäische Regierungschefs im luxemburgischen Dorf Schengen zusammen – sie besiegelten, dass Kontrollen entlang ihrer Landesgrenzen nicht mehr systematisch durchgeführt werden sollen. Mittlerweile gehören dazu 22 EU-Länder sowie Schweiz, Island, Liechtenstein und Norwegen. Der Mechanismus sieht auch vor, dass die Kontrollen doch wieder auf Zeit eingeführt werden können, wenn eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit vorliegt. Schon zum G7-Gipfel im Juni im bayerischen Elmau hatte die Bundespolizei Kontrollen wie die heutigen eingesetzt.

Warum macht die Bundesregierung das?

Die Bundesregierung will den Zustrom von Flüchtlingen einschränken, was nach Worten von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) aus Sicherheitsgründen erforderlich sei. „Deutschland ist für den größten Teil der Schutzsuchenden gar nicht verantwortlich“, sagte de Maizière: „Die Asylsuchenden müssen akzeptieren, dass sie sich einen Mitgliedsstaat nicht einfach aussuchen können.“ Und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) sagte, die europäische Untätigkeit bringe auch Deutschland „an den Rand seiner Möglichkeiten“. Hintergrund ist die Weigerung anderer EU-Länder, Flüchtlinge aufzunehmen. Der Innenminister schließlich beruft sich auf das Dubliner Abkommen: Dieses besagt, dass Flüchtlinge in der EU-Zone dort Asyl beantragen sollen, wo sie zuerst EU-Boden betreten.

Was sind die wirklichen Absichten von Angela Merkel?

Die große Koalition zeigt sich uneins. Während die CSU poltert und die Öffnungspolitik der vergangenen Tage kritisierte, setzt sich die SPD weiter für eine großzügige Aufnahme ein. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unternahm lange nichts. Nun aber hat sie sich positioniert: Flüchtlingspolitik wird Chefsache. Das heißt: Ihr Wort allein wird gelten. Und Merkel erscheint gewillt, Flüchtlinge eher groß- als engherzig ins Land zu lassen. Einen Hinweis darauf gibt Gabriel. Er sagte auch, es sei nicht in erster Linie die Zahl der Flüchtlinge, die Ländern und Kommunen zu schaffen machten, sondern das Tempo.

Spielt die Bundesregierung auf Zeit?

Sie braucht schlicht mehr Zeit. Die Anzahl der ankommenden Flüchtlinge stellt viele Kommunen vor große Herausforderungen. Konkret muss so vieles gleichzeitig organisiert werden: Wohnraum, Verpflegung und Begleitung – erste Schritte hin zur Integration. Die Standards, die Deutschland in den vergangenen Tagen gesetzt hat, sind kaum einzuhalten, wenn die Anzahl der Ankommenden immer gleich bleibt. Und zum anderen sind die Grenzkontrollen auch ein Druckmittel gegenüber anderen EU-Ländern. Vor allem osteuropäische Mitgliedsstaaten sträuben sich dagegen, Flüchtlinge aufzunehmen.

Widersprechen sich die Abkommen von Dublin und Schengen?

Im Prinzip ja, oder besser gesagt: Beide Abkommen konkurrieren miteinander. Zwar gilt das Schengener Abkommen nicht für Asylbewerber. Aber da es den freien Reiseverkehr regelt, nutzen auch Flüchtlinge diese Chancen, um von Ländern wie Griechenland oder Italien weiter gen Norden zu fahren.

Hat das Dublin-Abkommen überhaupt eine Zukunft?

Letztlich wird Deutschland gerade von der Realität eingeholt. Das Dubliner Abkommen bewirkte, dass Länder wie Griechenland oder Italien genau das erlebten, was gerade in Deutschland passiert: die Ankunft tausender Flüchtlinge. Mit Hilfe Dublins machte sich die Bundesregierung jahrelang einen schlanken Fuß: Da Deutschland zentral gelegen ist, kommt kaum ein Flüchtling zuerst dort an. Doch das Abkommen ist ungerecht. Die Erstaufnahmestaaten sind zulange von der Bundesregierung allein gelassen worden. Nun nehmen die Dinge ihren Lauf.

Wie sehen die Kontrollen aus?

Weniger dramatisch als man sich vorstellt. Ausgesetzte Eisenbahnzüge fahren bereits wieder. An den Grenzen bilden sich einige Staus. Und Flüchtlinge mit gültigen Reisepapieren können auch Asyl beantragen – sie werden in eine Erstaufnahmeeinrichtung in Bayern gebracht.

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