Loyalität schlägt Kompetenz

Die Regierung Merkel steht. Und es wird klar: Loyalität schlägt Kompetenz. Die Parteichefs ernennen die Minister je nachdem, wie es ihnen nützt – und nicht unbedingt dem Land. Doch die einzelnen Personen könnten letztlich dann doch positiv überraschen. Eine Analyse von Jan Rübel

Es gibt einen Klassiker unter den Brettspielen, den man in Berlin jetzt mal heimlich hervorkramt sollte. Man könnte nämlich mit ihm erfahren, wie die große Koalition ticken wird. In „Junta“ balgen sich die Mitglieder einer Militärdiktatur um Posten und Macht, schmieden die Spieler Allianzen, um sie zum für sie günstigsten Zeitpunkt wieder zu brechen. In der „Republica de las Bananas“ müssen sie sich um Anführer scharen, um nicht zu verlieren; und den Moment abpassen, wann sie putschen. Am Ende gewinnt, wer das meiste Geld beiseite schafft.

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Nun steht Angela Merkel keiner Bananenrepublik vor. Und die große Koalition ist Ausdruck eines überwältigenden Wählerwillens. Und dennoch erinnert die vorläufige Kabinettsliste an jenes Brettspiel. Auch in Berlin verteilen die Chefs Ämter nach rein strategischen Motiven. „Die Besten für das Land“ – das bleibt ein Traumziel der parlamentarischen Demokratie.

Da gibt es das Prinzip „Belohnung“. Alexander Dobrindt zum Beispiel agierte vor kurzem noch als blasser Abgeordneter aus Südbayern. Doch für CSU-Parteichef Horst Seehofer organisierte er als loyaler Generalsekretär erfolgreich Wahlkämpfe und wird nun Minister – als wäre Kampagnenfähigkeit ein Ausweis für Verwaltungsführung. Auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe muss ähnlich bedacht werden: Der Jurist, bisher jeglicher Gesundheitspolitik abhold,  erhält das Gesundheitsressort. Und für Dobrindt muss Peter Ramsauer (CSU) weichen. Der führte zwar das Bundesverkehrsministerium souverän. Aber er kann halt mit Seehofer nicht so gut – weil er seinen eigenen Kopf hat. Das kann man von Hans-Peter Friedrich (CSU) nicht behaupten, und deshalb wird er seinen behalten. Obwohl er als Bundesinnenminister agierte wie eine graue Maus. Egal, welches Ressort er in der Regierungsrochade erhält: In Friedrichs Umarmung wird es zu Blässe erstarren.

Risiko von Kleinkriegen zwischen den Regierungsparteien sinkt

Dieses Leitmotiv der Loyalität und fehlenden Gefährlichkeit für die Patrone lässt sich auch bei der SPD begutachten. Heiko Maas soll Bundesjustizminister werden. Heiko wer? Etwa jener, der dreimal erfolglos versuchte, von den Saarländern zum Ministerpräsidenten gewählt zu werden? Ein Mann aus der zweiten Reihe, der Parteichef Sigmar Gabriel zu Dankbarkeit verpflichtet sein wird. Oder über welche Erfahrung verfügt eigentlich Barbara Hendricks, die als studierte Geschichtslehrerin in der SPD auf Finanzpolitik machte? Über keine. Aber sie kommt aus NRW, und das Bundesland muss vertreten sein – und als Bundesumweltministerin kann sie ihrem Boss Gabriel in der Rolle des Bundeswirtschaftsministers die Bälle zuspielen, wie er es will.

Und so kommen wir zum wirklich Neuen und auch Konstruktiven in der großen Koalition: den veränderten Zuschnitten der Ressorts. Gabriel hat dem Umweltministerium die Kompetenz für die Energiewende abgeluchst. Und Hendricks erhält von Dobrindts neuem Amt die Alleinbefugnis über die Gebäudesanierungen. Die SPD also wird in Alleinregie die Energiewende managen. Das birgt eine enorme Chance: Das Risiko von Kleinkriegen zwischen den Regierungsparteien sinkt.

Auch wird endlich erkannt, wie wichtig der Verbraucherschutz ist;  bisher döste er im Bundeslandwirtschaftsministerium einen Dornröschenschlaf. Nun im Ressort für Justiz angesiedelt, hält dieses Thema eine echte Bewährungschance für Heiko wer? bereit.

Und die Bedeutung des Internets wird endlich anerkannt: Dobrindt, der wackere Strippenzieher an Seehofers Seite, wird auch für den Ausbau des Netzes zuständig. Somit könnten die neuen Lakaien im Kabinett Merkel auf ihre Art doch glänzen – wenn sie ihre Chancen nutzen. Und nicht weiterhin Politik betreiben, als wäre sie ein Brettspiel.