Martin Luther als Playmobilfigur: Warum 7,5 Zentimeter genau richtig sind

Martin Luther als Playmobilfigur (Bild: Playmobil)
Martin Luther als Playmobilfigur (Bild: Playmobil)


Der große Reformator wird zum Spielzeug: Playmobil bringt Martin Luther als Figur. Eine Verhöhnung? Nein – sondern ein guter Anlass, Luther etwas kleiner zu denken.

Ein Einwurf von von Jan Rübel

Deutschland sucht den Superstar. Sebastian Schweinsteiger? Angela Merkel? Kandidaten gäbe es einige – aber einer sticht sie alle aus. Ein ganzes Jahr immerhin ist nach ihm benannt, 2017 soll das Luther-Jahr werden. Und schon jetzt ist Martin Luther, der große Theologe und Reformator, in aller Munde. In zwei Jahren wird es genau 500 Jahre her sein, dass er seine 95 Thesen an eine Tür schlug und damit die Geburtsstunde des Protestantismus schuf. Zeit also, ihn zu würdigen. Als Playmobilfigur.

Manche zetern, das sei eines Mannes unwürdig, der die Kirche herausgefordert und dem Volk durch seine Übersetzung die Bibel brachte. Andere wittern ein gutes Geschäft: Da die Zirndorfer Playmobil-Firma die Luther-Figur in erster Auflage zu 34.000 Stück produzierte und diese binnen 72 Stunden vergriffen waren, gibt es den Plastikluther nun auf Ebay für 28,99 Euro plus Versandkosten statt der 2,99 Euro im Laden. Playmobil will schnell nachliefern, und der Reformator dürfte sicherlich Albrecht Dürer überholen; der Maler und Grafiker aus Lebenszeiten Luthers wurde insgesamt 200.000 Mal bei Playmobil verewigt.

Luther und die dunkle Seite der Macht

Es gibt aber auch einen anderen Grund, warum man Luther nicht nur stets als Denkmal in Übergröße denken sollte. Denn bei all dem Jubel, der in den kommenden zwei Jahren auf uns zukommt, sollte nicht vergessen werden: Luther hatte seine Schattenseiten. Und seine Verdienste schmälert es nicht, sich gerade heute Gedanken dazu zu machen.

Luther setzte sich stark für die Freiheit ein, er ist Wegweiser dafür, gegenüber Obrigkeiten bloß deshalb nicht mehr zu verstummen, weil es Obrigkeiten waren. Doch die Freiheit billigte Luther nicht allen zu. Er hatte manchen menschlichen Makel.

Der Reformator wütete fürchterlich gegen Juden. Schlimme antisemitische Tiraden sind von ihm überliefert. „Geldgierige Wucherer“, „der Lüge verfallen“ und „verdorbenes Blut“ nannte er Juden – ohne wohl viele persönliche Kontakte zu Juden gehabt zu haben. Sie sollten wie Vieh in Ställen untergebracht und ihre Synagogen angezündet werden. Das war nicht nur der damals zeitgemäße Sprech. Luther schoss damals in seiner Judenfeindlichkeit über seine Zeit hinaus. Es gab damals zeitgleich Humanisten, die sich diesem Antisemitismus entgegen stellten – die es besser wussten und besser machten als Luther.

Luther war der Freund der Ausbeuter

Und da war der Bauernkrieg. Freiheit wollte Luther nur für die Gedanken. Als nämlich das gemeine Volk aufbegehrte – gegen immer mehr Adlige, die auf seinen Kosten lebten und gegen immer mehr Willkür, da stellte sich Luther auf die Seite der Fürsten. Die Forderungen des Bauernkriegs lesen sich wie eine Frühfassung der Menschenrechtsdeklaration. In Luther hatten die Rebellen, die dann inhaftiert, gefoltert und hingerichtet wurden, einen Feind.

All das sollten wir im Blick haben, wenn Luther zu Recht gefeiert wird. Heute müssen Synagogen beschützt werden. Heute gibt es in Deutschland einen alltäglichen Antisemitismus. Und da reicht es nicht aus, wenn Luther von der Kirche heute als ein reines Monument dargestellt wird, als einer, der immer alles richtig gesagt und getan hat. Seine Verdienste als Kirchenreformator und als Sprachschöpfer bleiben. Doch statt Jubelarien braucht es auch eine kritische Distanz zu ihm. Da passen 7,5 Zentimeter sehr gut.


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