Merkel ist nicht europatauglich

Angela Merkel: Pyrrhussieg in Brüssel? (Bild: dpa)
Angela Merkel: Pyrrhussieg in Brüssel? (Bild: dpa)

Die Einigung mit Griechenland ist mehr ein Diktat. So ist das, wenn man Schulden hat. Aber Bundeskanzlerin Angela Merkel wird für ihren harten Kurs noch teuer bezahlen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Eine schlaflose Brüsseler Nacht später steht fest: Der Euro fliegt uns nicht um die Ohren. Die Türen sind wieder geöffnet für Verhandlungen über ein neues Hilfsprogramm für Griechenland. Das ist die gute Nachricht.

Doch leider wird diese Nacht nicht in die Geschichtsbücher eingehen als jene, in der Europa sich aufraffte und seinem Namen endlich Inhalt gab. Diese Nacht wird von Historikern in einigen Jahren als verpasste Chance gesehen werden – und als Anfang vom Ende der Macht Angela Merkels.

Die Bundeskanzlerin hat sich durchgesetzt. In fast jedem strittigen Punkt hat sie ihren Stempel als Austeritätsdogmatikerin aufgesetzt. Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras musste sich am Ende beugen. Die Folgen dafür werden die Griechen in den kommenden Leidensjahren zu spüren kriegen.

Woher kommt die Luft zum Atmen?

Was kommt auf Hellas zu? Die Gläubiger beharrten auf einen Treuhandfonds in Höhe von 50 Milliarden Euro. Er soll sich füllen durch Privatisierungserlöse und soll größtenteils der Schuldentilgung dienen. Nur ein kleiner Brocken wird in Investitionen fließen. Das heißt: In einer Zeit, in der Griechenlands Infrastruktur und Wirtschaft am Boden liegen, soll die Regierung ihr Tafelsilber verscheuern. Die weltweiten Erfahrungen mit Privatisierungen belegen aber, dass diese nicht gerade für mehr langfristige Einnahmen und Wirtschaftswachstum sorgten – sondern nur die Staatskosten verlagerten, sie oft erhöhten und stattdessen nur Privatiers profitieren ließen. Gerade jetzt bräuchte die griechische Regierung möglichst viel Handlungsspielraum. Nun droht ihr der Ausverkauf.

Folgerichtig ist, dass Tsipras sich nicht mit seiner Forderung durchsetzte, den IWF mit seinen hohen Zinsen und noch höheren Auflagen als Kreditgeber loszuwerden. Die Geschichte des IWF als Staatssanierer ist keine Erfolgsstory. Und, last but not least, gibt es auch keinen notwendigen Schuldenschnitt. Merkel hat die Verhandlungen geführt wie eine Geschäftsfrau. Sie hat Gesellschaften mit Ländern verwechselt. Oberste Devise für sie waren die Gelder ihrer Wähler – und nicht das ökonomisch vernünftigste Mittel, Griechenland zu helfen und Europa wieder zu kitten.

Der hässliche Deutsche ist wieder zurück

Merkel hat in der vergangenen Nacht einen Pyrrhussieg errungen. Dieser Sieg wird sie schwächen. Denn nun stehen wir Deutsche endgültig als mitleidlose Geizlinge da. Der Rest der Welt, der nie vergessen hat, was wir in der Vergangenheit verbrochen haben – ganz einfach wegen der Monstrosität - , wird in uns wieder jene Pickelhaubendeutschen sehen, die wir vorgaben nicht mehr sein zu wollen. Doch unseren Mangel an Empathie, den wir in der Griechenlandkrise gezeigt haben, gepaart mit störrischer Unbelehrbarkeit und ökonomischer Unvernunft, werden wir wohl nicht los. Und daher auch nicht das Bild vom hässlichen Deutschen. Und das liegt nicht an Birkenstocksandalen und Söckchen.

Merkel hätte Größe zeigen können. Sie entschied sich für die guten Umfragen daheim. Sie hätte Europa retten können. Stattdessen schaltet sie die Europäische Union auf Autopilot. Und der steuert auf einen Crash zu.

Immer wieder wurde gemunkelt, Merkel plane langfristig für sich eine internationale Karriere, irgendwann wolle sie einer internationalen Organisation vorstehen. Einen Job in Europa kann Merkel ab heute vergessen. Die Vereinten Nationen werden erst recht aus moralischen Gründen nicht mehr drin sein. Nur noch einen Posten könnte sie ansteuern: Chefin des IWF. Oder sie wird jene schwäbische Hausfrau, von der sie in ihren Reden immer spricht.

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