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Seehofer umarmt Merkel und die ganze Welt

Dieses Mal blieb er friedlich: Horst Seehofer auf dem CDU-Parteitag (Bild: dpa)
Dieses Mal blieb er friedlich: Horst Seehofer auf dem CDU-Parteitag (Bild: dpa)

Der Eklat blieb aus: CSU-Chef Horst Seehofer umgarnt Angela Merkel und die CDU. Das Kriegsbeil hat er vergraben – vorerst. Damit stärkt er sich und die Union. Und keilt stattdessen gegen die AfD, ohne sie beim Namen zu nennen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Am Ende seiner Rede macht Horst Seehofer klar, was er nicht sein will: weder „schnurrender Kater“ noch „Streithansel“. Doch nach seinem Auftritt bleibt der Eindruck einer gewaltigen Charme-Offensive. Bayerns Ministerpräsident als Gastredner beim Bundesparteitag der CDU in Karlsruhe – das hätte die offene Kriegserklärung werden können. Am Ende hatten sich aber alle lieb.

Augsburg, vor drei Wochen. Beim Parteitag der CSU steht Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf der Bühne wie ein Schulmädchen. Neben ihr Seehofer, der oberste Christsoziale tritt, hinzugeeilt, nach ihrer Rede nach. Erzählt ihr, was sie alles hätte sagen sollen; es ist eine der größten Demütigungen ihrer Kanzlerschaft. Das haben ihm viele in der CDU nicht verziehen. Wie würde also der Empfang in Karlsruhe für Seehofer sein?

Der Applaus am Anfang plätschert wie sanfter Regen, nicht böse, nicht lieb. Doch als Seehofer zu reden anfängt, wird es ganz still im Saal. Seehofer, als guter Redner bekannt, wird eine seiner besten Reden halten. Sie wird ausschließlich von der Flüchtlingseinwanderung handeln.

Adressat seiner Worte ist, das wird im Lauf der Rede klar, weniger Merkel oder die CDU, sondern die AfD. Ohne die Rechtskonservativen beim Namen zu nennen, grenzt er sich von ihnen ab: „Es gibt keine Schwarz-Weiß-Antwort“, sagt er zur Flüchtlingsfrage, einfache Rezepte könne man der Bevölkerung nicht versprechen. Und: „Von Abschottung halten wir gar nichts.“ Bayern verdanke jenen, die gekommen waren, sehr viel: auch denen, die als „Gastarbeiter“ kamen. Immer wieder betont Seehofer die Rolle Bayerns als „Hauptankunftsland“ bei der aktuellen Einwanderung. Eine „erstklassige Visitenkarte der Mitmenschlichkeit“ habe sein Land abgeliefert. „Bayern ist das Land der gelungenen Integration.“

Seehofer watscht die rechten Nörgler ab

Seehofers stärkste Waffe ist, dass er die Bewältigung der Einwanderung als Erfolgsstory erzählt – was sie auch ist. Er erwähnt die zahllosen Ehrenamtlichen, die sich abrackern. Er gräbt all jenen das Wasser ab, die sagen: Wir schaffen das nicht, wir wollen das nicht. Nebenbei lässt er selbstverständliches fallen, wie die Erwartung, dass Einwanderer „mit uns leben, nicht neben uns oder gegen uns“. Als ehemaliger Sozialpolitiker betont Seehofer auch, wie sehr der Staat gerade aufpasst und weiterhin aufpassen müsse, dass „wir nicht dem einen etwas wegnehmen, um dem anderen es zu geben. Das wäre Wasser auf die Mühlen der Rattenfänger“. Später wird er dazu aufrufen, „alles dafür zu tun, dass rechts von der Union keine demokratisch legitimierte Partei entsteh“. Die ist zwar mit der AfD schon längst da. Aber Seehofer in seinem Glanz schaut während seiner Rede auf sowas nicht.

Gleichzeitig zeigt der CSU-Parteichef die Grenzen zwischen den Unionsparteien auf. Immerhin hat die CSU einen Leitantrag beschlossen, der eine Obergrenze bei der Flüchtlingseinwanderung fordert, die CDU ausdrücklich nicht. In seiner Rede drückt Seehofer sein neues Manöver so aus: „Ich bin davon überzeugt, dass ohne Begrenzung es uns nicht gelingt, das Problem aus Sicht der Bevölkerung klug zu lösen.“ Zum einen meint er damit vor allem „aus Sicht der Bevölkerung“ und nicht die Lösungsorientiertheit. Zum anderen lässt er elegant den unrealistischen Begriff einer Obergrenze fallen und fordert nun eine „Reduzierung“, eine „Begrenzung“ der aktuellen Flüchtlingseinwanderung.

Seehofers Messlatte

„Ansonsten geht es Deutschland gut“, impft er den Delegierten ein, „Bayern noch ein Stück besser“. Als er Merkel am Ende eine „exzellente Kanzlerin“ nennt, wird er durch minutenlangen Beifall unterbrochen – vielleicht die einzige, sanfte Retourkutsche für seine verbalen Ohrfeigen vom CSU-Parteitag gegen Merkel. 50 Minuten lang redet er, überzieht um eine Viertelstunde. Er redet langsam, setzt nach fast jedem Satz zu einer Pause an – um die Bedeutung seiner Worte zu steigern.

Mit seinem Auftritt setzt Seehofer ein Zeichen der Gemeinsamkeit von CSU und CDU. Seine eigenen Pitbulls, die er gegen die Christdemokraten seit dem Sommer ätzen ließ, pfeift er zurück. Indem er die Flüchtlingseinwanderung als gelungenes Unterfangen lobt, nimmt er der AfD den Stoff zum Mäkeln. Nur eine Messlatte nimmt er mit nach Karlsruhe: Neben Merkels „Wir schaffen das“ setzt er seine Forderung nach einer „spürbaren Reduzierung“ der aktuellen Entwicklung. Das wird das Streitthema der kommenden Monate sein. Aber eines, über das man in der Union nicht über sich herfällt.

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