Sterbehilfe: Der Bundestag macht sich einen schlanken Fuß

Sterbehilfe: Der Bundestag macht sich einen schlanken Fuß


Die Parlamentarier erschweren Sterbehilfe – das ist der Tenor des heute verabschiedeten Gesetzes. Damit hat es sich der Bundestag – nach langer Diskussion – sehr leicht gemacht: Ein Votum für den Rückschritt.



Ein Kommentar von Jan Rübel

Es gibt Schöneres, als an den Tod zu denken. Zum Beispiel an Currywurst oder Schokopudding. Aber alles hat nun mal ein Ende, das dachten sich die Abgeordneten des Deutschen Bundestages heute auch. Und da im Parlament besonders viele Juristen sitzen, meinten sie, die Sterbehilfe müsse besser geregelt werden als bisher. Herausgekommen ist Murks und eine verpasste Chance.

Ein Jahr lang hatte man diskutiert, am Ende standen gleich vier verschiedene Gesetzentwürfe heute zur Abstimmung. Mit großer Mehrheit hat sich jener durchgesetzt, der die geschäftsmäßige Sterbehilfe unter Strafe stellt. Doch was ist im Zweifel geschäftsmäßig?

Bei der Diskussion um Sterbehilfe geht es letztlich um zwei Fragen: Wie erreicht man einen würdevollen Tod? Wie wird sichergestellt, dass aktive Schritte hin zum Tod nicht missbraucht werden?

Nichts ohne meinen Staatsanwalt

Das heutige Gesetz ist im Grunde ein Misstrauensantrag gegen den Menschen an und für sich. Die Politiker mochten sich nicht vorstellen, dass unheilbar Kranke und Ärzte den Weg zur Sterbehilfe gehen, ohne dass der Staat mit Argusaugen darüber wacht, ob einerseits ein Kranker noch ganz bei Sinnen ist oder andererseits jemand die Sterbehilfe aus finanziellen Gründen betreibt. Das heutige Gesetz wird sich in der Praxis bewähren müssen; aber schon jetzt sind Zweifel angebracht: Palliativmediziner müssen sich bei jedem Gang gemeinsam mit einem Patienten fragen, ob ihnen im Nachhinein der Staat auf die Pelle rückt. Und dieser Gedanke ist nicht nur absurd, sondern auch zynisch.

Dieser Gedanke zeigt auch, dass wir ein Problem mit dem Tod haben. Sterben will keiner, keine Frage, aber der Tod in Deutschland wurde bisher zu sehr an Maschinen in Intensivstationen der Krankenhäuser verbannt. Man redete nicht darüber, man stellte sich ihm entgegen, bis er machtvoller war. Das hat oft zur Folge, dass der Tod einsam daherkommt, würdelos und unpersönlich. Und das heutige Gesetz macht es nicht besser.

Es gäbe Vorbilder

Wir hätten uns ein Beispiel nehmen können an unseren Nachbarn. Die Gesetzgebung der Niederlande, Belgiens und der Schweiz atmet traditionell einen liberaleren Geist, der dem Menschen mehr vertraut als die Jurisdiktion in Deutschland. Dort ist Sterbehilfe unkonventioneller, führt durch keinen Paragrafendschungel und es hängt kein Damoklesschwert der Strafbarkeit über dem Wanderer. Der hierzulande oft beschworene Todestourismus findet in diesen Ländern nicht statt – und dies nur deshalb in Ansätzen, weil es Deutsche sind, die es dorthin treibt. All jenen macht der heutige Tag einen Strich durch die Rechnung.

Überall dort, wo die Kirchen über starken gesellschaftspolitischen Einfluss verfügen, ist Sterbehilfe kriminalisiert. Gotteswerk dürfe sich der Mensch nicht anmaßen, heißt es. Das erinnert ans Mittelalter, als Suizidtote nicht auf den Friedhöfen bestattet werden durften. Deutschland hätte einen Schritt nach vorn machen können. Stattdessen machten sich die Abgeordneten im Grund einen schlanken Fuß.

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