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Unser lauter Schrei nach Liebe

Die Deutschen und ihr Verhältnis zu den Griechen: Das ist keine einfach Angelegenheit.
Die Deutschen und ihr Verhältnis zu den Griechen: Das ist keine einfach Angelegenheit.

Gerade ist Schimpfen auf die Griechen angesagt. Über Iren oder Polen verliert man auch gern ein schlechtes Wort. Das wird uns noch leidtun.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Gerade sind wir verdammt sauer auf die Griechen. Verputzen sie doch unser hart verdientes Geld. Ist zwar nicht direkt unseres, kein deutscher Steuerzahler wird wegen der Krise in Athen bluten. Aber immer druff, auf die anderen – warum ist das eigentlich so?

Ein Blick in italienische Medien zum Beispiel zeichnet ein anderes Bild: Natürlich sind die Spalten voll mit Berichten über die griechische Krise, aber die Artikel handeln von der Suche nach einer Lösung, von der Lage vor Ort. Bevor jemand aufschreit: Italien bürgt mit seinem „hart verdienten Geld“ genauso für Athen wie Deutschland. Nur wird hierzulande gern getan, als wären wir die einzigen Zahlmeister.

Und die deutschen Medien? Viele ergehen sich in Häme. Zwei Beispiele nur von heute: Viele TV-Kritiken erzählen genüsslich, was der Brüsseler ARD-Korrespondent Rolf-Dieter Krause bei „Hart aber fair“ losließ: „Das ist so was von verantwortungslos“, wetterte der über Griechenlands Premier Alexis Tsipras, „der gehört zum Teufel gejagt. Aber von den Griechen. Nicht von mir.“ Nehmen wir mal an, eine griechische Zeitung würde über Kanzlerin Angela Merkel schreiben, sie gehöre zum Teufel gejagt – wir wären nicht amüsiert. Aber in unseren Talkshows gehört rüder Umgangston – über Andere – zum Mainstream.

Unsere Klischees werden gepflegt wie Zierpflanzen

Beispiel Nummer 2: In der gestrigen „FAZ“ eine Reportage über Lage in Griechenland. Der Autor über die Griechen: „…sorglos sitzen sie in den Cafés an der Uferpromenade und plappern fröhlich durcheinander“. Nun, denkt der deutsche Michel, denen wird das Lachen noch vergehen. Ferner lässt sich der Reporter über einen Italiener im Flugzeug mit „mediterraner Überzeugung“ aus, baut den obligatorischen (diesmal serbischen) Taxifahrer ein, den wir Journalisten immer benutzen, wenn wir nicht weiter wissen, um eben die Botschaft loszulassen: So schlimm ist es ja nicht. Sollen sich nicht so anstellen, diese Griechen. Und er beschreibt eine Griechin, die während der Arbeit einen Badeanzug unterm Kleid trägt. Tja, so sind sie, die faulen Griechen. Denken nur ans Vergnügen.

Es ist einfach so: Wir reden gern schlecht über Andere. Und zwar schlechter, als die über uns reden. Ein Italiener oder ein Belgier mag schlecht über Deutsche denken. Aber spricht nicht so laut darüber, er streicht es uns nicht aufs Brot. Vielleicht liegt es an der besseren Erziehung. Leider kommt es nämlich noch dicker: Wir lassen gern Andere wissen, was wir von ihnen halten. Ein Vorschlag: Fragen Sie Nichtdeutsche in Ihrem Umfeld, was sie von den Deutschen halten. Was sie über die deutsche Haltung in der Griechenlandfrage denken. Ihnen wird so manche geballte Faust in der Hosentasche auffallen.

Wir werden einsam

Man nimmt uns wahr als Besserwisser und Nörgler. Mittlerweile hat es sich herumgesprochen in Europa, dass wir auch nicht mehr oder härter oder effektiver arbeiten als andere. Der erhobene Zeigefinger nervt. Oder wie Kurt Tucholsky einmal in „Der Apparat“ schrieb: „Was aber machte der Mann, der aus Deutschland stammte, zuallererst? Er machte sich wichtig.“ Allzuoft errählen wir Nichtdeutschen in Deutschland, was sie von uns angeblich trennt – weil sie als Bewohner einer gewissen, von uns gezimmerten Schublade gewisse Eigenschaften aufzuweisen haben: die katholischen Iren, die umtriebigen Polen, die lauten Italiener, die stolzen Franzosen, die großspurigen Amerikaner…

Hinzu kommt, dass sich der Graben, den es zwischen Deutschen und anderen Europäern immer gab, seit den Wirtschafts- und Finanzkrisen 2008 vertieft. Die strikte Austeritätspolitik ist eine Lehrmeinung, nichts explizit deutsches. Man kann über sie streiten. Aber da sie von Merkel verfolgt wird und Deutschland – ohne, dass wir etwas dafür können – mittlerweile das mächtigste Land Europas ist, verbinden andere Länder den Sparkurs, die Rezession, die gestiegene Arbeitslosigkeit mit uns Deutschen. Das mag unfair sein. Wir bemühen uns aber nicht, ein anderes Bild zu vermitteln.

Eigentlich ist es eine Tragödie. Wir Deutsche wollen ja geliebt werden. Leider ist es oft nur ein Trugschluss. „Deutschland ist das beliebteste Land der Welt“, zitierte die „Süddeutsche Zeitung“ im Mai den Sender „BBC“. In Wirklichkeit hatten die Briten herausgefunden, dass der Einfluss deutscher Politik auf die Geschicke der Welt als „mainly positive“ wahrgenommen werden – als Nummer Eins in einer Rangliste. Machen wir uns nichts vor. Man mag Deutschland, aber nicht uns Deutsche. Man mag die Verlässlichkeit in der deutschen Politik, das Sozialsystem. Nicht den entweder fehlenden oder rasch beißenden Humor. Dass wir uns einbilden, wir seien beliebt, ist reiner Wunsch. An anderen ständig herummäkeln und gemocht zu werden – das funktioniert nicht, diese Regel kennen schon Kinder aus dem Sandkasten: Wer immer nörgelt, spielt irgendwann allein.

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