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Warum die Josef-Neuberger-Medaille für den Islam-Kasper Hamed Abdel-Samad eine schlechte Entscheidung ist

Umstrittener Preisträger: Hamed Abdel-Samad (Bild: dpa)
Umstrittener Preisträger: Hamed Abdel-Samad (Bild: dpa)

Die Jüdische Gemeinde Düsseldorf vergibt jährlich einen wichtigen Preis: Nun erhielt ihn der „Islam-Kritiker“ Hamed Abdel-Samad. Die renommierte Josef-Neuberger-Medaille geht an den Hanswurst der deutschen Islam-Debatte.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Auf einem Gebiet ist Hamed Abdel-Samad wahrhaft kompetent: Die Klaviatur der Aufmerksamkeitserregung beherrscht er wie kaum ein zweiter. Viele seiner Sätze klingen wie rausgehauen, wie für einen Ohrwurm gemacht. Wer indes die Thesen des studierten Politologen auf ihre Inhaltstauglichkeit hin untersucht, stößt schnell auf ein weiteres Phänomen der Abdel-Samadschen Gedanken: Sie verpuffen rasend schnell. Die Frage ist nur – warum wird so jemand ausgezeichnet?

Die Welt des 43-jährigen ist rasch erklärt. Islamisten seien Faschisten, und Muhammad, der Prophet der Muslime, habe jede Menge psychischer Unbill durchlitten, weswegen er sich zu jeder Menge Grausamkeiten habe hinreißen lassen.

Eigentlich wäre sowas kaum ein Wort wert. In seiner Argumentation arbeitet Abdel-Samad mit Halbwahrheiten, Vereinfachungen und Auslassungen; Islamwissenschaftler nehmen ihn nicht ernst. Leider sind es oft nicht sie, die als „Experten“ zum Islam befragt werden, sondern selbst ernannte Experten wie Abdel-Samad. Denn was er sagt, taugt bestens als Blaupause für all jene, die den Islam nicht kritisch untersuchen wollen, sondern ihn lediglich als Projektionsfläche für ihre Klischees, Vorurteile und Hassallüren missbrauchen.

Viel Feind, viel Ehr

Abdel-Samad nahm sich als erstes die ägyptischen Muslim-Brüder vor. Dem geistigen Führer Hassan al-Banna dichtet er zum Faschisten um, indem er dessen Äußerungen zum damaligen italienischen Faschismus und zum deutschen Nationalsozialismus ausblendet. Und in seinem jüngsten Buch „Mohammed – eine Abrechnung“ holt er weit aus. Der Prophet sei ein gekränkter Außenseiter, krankhafter Tyrann, Narzisst, Paranoiker und Massenmörder gewesen. Das, woran die islamische Welt kranke, könne nur geheilt werden, wenn Muslime sich von den multiplen Krankheiten des Propheten lösen würden: Selbstüberschätzung, Paranoia, Kritikunfähigkeit sowie die Neigung zum Beleidigtsein. Den Empfehlungen für die „islamische Welt“, wenn es sie denn geben mag, möchte man ja noch folgen; obwohl das gleiche auch den Deutschen im Herbst 2015 gesagt werden könnte. Aber wie Abdel-Samad zu seinem Urteil über einen Mann kommt, der vor über tausend Jahren gelebt hat – das erklärt er uns nicht.

Ein intensives Studium der zur Verfügung stehenden Geschichtsquellen jedenfalls würde ihn nicht zu seinen Psychothesen führen. Mit seinem Hobbyfreudianismus steht Abdel-Samad in Bezug auf den historischen Muhammad allein. Aber geschenkt. Es geht ja, wie der Titel verrät, um eine Abrechnung. Abdel-Samad gegen den Propheten, darunter macht er es nicht. Was sagen also eigentlich die Geschichtsquellen über Abdel-Samad? Er studierte laut Wikipedia Englisch, Französisch, Politik und Japanisch – alles feine Grundlagen für eine Muhammad-Biographie. Eine Dissertation hat er nicht beendet. Nunja.

Bestenfalls lässt sich sagen, dass Abdel-Samad zur Versachlichung des Redens über den Islam in Deutschland nichts beiträgt. Schlimmstenfalls drückt er Rassisten den verbalen Brandbeschleuniger in die Hände. Wir haben nämlich in Deutschland ein Problem. Wir lieben es, uns zu fürchten. Am liebsten fürchten wir uns vor dem Islam. Und so darf es nicht überraschen, dass ein Schmalwerk wie Abdel-Samads „Abrechnung“ ein Bestseller wird.

Falsches Gerede über echte Probleme

Die Vermutung liegt nahe, dass man von Abdel-Samad nichts wüsste, hätte er seinen Unsinn nicht über den Islam geschrieben. Im Islam sind nämlich leider viele Spaßbremsen unterwegs – es gibt Morddrohungen gegen Abdel-Samad. Er muss geschützt werden, übernachtet immer woanders; man denkt an Salman Rushdie oder Roberto Saviano. Doch deren Werke sind ernst zu nehmen. Abdel-Samads nicht. Und es ist eine Schande, dass er sich verstecken muss und kein freies Leben führen darf – das sagt viel über totalitäre Tendenzen im Islam aus. Abdel-Samad legt auch den Finger in manche Wunde: Antisemitismus unter Muslimen ist ein echtes Problem, und es wird in Deutschland größer werden. Darüber müsste viel mehr geredet und aufgeklärt werden. Abdel-Samad aber schreit, wo ernstes Gespräch angesagt wäre. Er polemisiert, wo differenziert werden müsste. Er ist kein Aufklärer.

Warum also die Josef-Neuberger-Medaille für ihn? Was sind seine Verdienste um die jüdische Gemeinschaft? Den Preis vor ihm erhielten unter anderem Roman Herzog, Johannes Rau und Angela Merkel, Fritz Pleitgen und Frank Schirrmacher – und nun Abdel-Samad. Was für eine Pleite.

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