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Warum ein CDU-Politiker Nachhilfe im Sex-Unterricht braucht

Auch Schulkinder haben schon viele Fragen zu ihrer Sexualität (Foto: Thinkstock)
Auch Schulkinder haben schon viele Fragen zu ihrer Sexualität (Foto: Thinkstock)


Das Sommerloch fordert sein erstes Opfer: Guido Wolf von der Südwest-CDU meint, in den Lehrplänen an deutschen Schulen spielt Sex eine viel zu große Rolle.



Ein Kommentar von Jan Rübel

Da haben sich zwei gefunden. Ein Traumpaar zweier, die sich gegenseitig anziehen: Die „Bild“-Zeitung und Guido Wolf. Auf der einen Seite ein Boulevardblatt, dem es in der nachrichtenärmeren Sommerzeit schwerer fällt, seine Säue durchs Dorf zu treiben. Und auf der anderen Seite ein CDU-Politiker, der es zwar überraschend in das Spitzenamt des Spitzenkandidaten der CDU bei den kommenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg geschafft hat – der aber als Newcomer in der Königsklasse rasch den Nimbus loswerden muss, als unbekannt durchzugehen. Guido Wer? hat sich also auf etwas eingelassen, vermutlich ersonnen von „Bild“.

„In den Schulen wird zu viel Sex gelehrt“, titelt das Blatt. Und da die Zeitung in Sachen Sex selbsternannter Experte ist, präsentiert es auch gleich den ersten Kronzeugen: „Erster Top-Politiker warnt.“

Als wäre die Schule kein richtiger Ort

Nun, weil die Sache dem Wolf vielleicht doch ein wenig weit hergeholt ist, rudert er im tatsächlichen, auch irre kurzen Interview vor und zurück. Und sagt Sätze wie: „Sex muss nicht bei jeder Gelegenheit öffentlich diskutiert werden. Es ist eine Frage des Respekts voreinander, höchstpersönliche Dinge wie Sexualität wieder mehr ins Private zu verlagern.“

Worum geht es? Die baden-württembergische Landesregierung plant, das Thema sexuelle Vielfalt im Unterricht auszubauen. Im neuen Bildungsplan 2016 geht es darum, dass Schüler lernen sollen, sexuelle, ethnische, kulturelle und religiöse Vielfalt zu akzeptieren.

Es geht also darum, dass Kinder in einem kompetenten Rahmen das erörtern, worüber sie sich sowieso schon einen Kopf machen. Sage keiner, Kinder würden sich nicht schon im Grundschulalter mit Sexualthemen auseinandersetzen. Dort sinnvolle pädagogische Begleitung anzubieten, ist gut und notwendig. Wolf aber will in den Schulen nur „Aufklärung“. Was heißt das? Will er Geschichten von Blumen und Bienen erzählen lassen? Wolf plädiert lediglich für einen verschämten Umgang mit Sexualität, wenn er mehr „Privates“ fordert.

Sex sells

Wolf und die „Bild“-Zeitung irren sich. Vor allem im Glauben, damit Publicity zu erzeugen. Das Thema ist ein Ladenhüter und wird generiert, weil das bloße Wort „Sex“ in der Hoffnung der Redaktion Leser anzieht. Übrigens stehen neben dem Online-Interview mit Wolf auch Artikel mit den Zeilen: „Selbstbefriedigung – Deshalb macht SIE sich’s seltener selbst“ oder „Sextourismus auf den Philippinen: So brutal ist das Geschäft mit Minderjährigen“ – natürlich immer jeweils mit entsprechenden Bildern.

Doch weil die „Bild“-Zeitung hofft, zumindest eine Mini-Kampagne los zu treten, hat sie dem Interview einen Kommentar beigestellt. Die These: Um die eigene Prüderie zu verbergen, erklärt man andere zu Anhängern einer „schrägen Sex-Ideologie“. Wie die aussieht, wäre ja interessant zu lesen, aber das verkneift sich der Kollege. Schade eigentlich. Welche Sommersau wird nun die nächste sein? Sadomaso-Check für Bundestagsabgeordnete? Eine Biersteuer für Griechenland? Oder gar: eine Petition zur Abschaffung des Sommerlochs?

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