Warum Israel keine Bevormundung braucht

In Israel wird am Dienstag ein neues Parlament gewählt. (Bild: Euronews)
In Israel wird am Dienstag ein neues Parlament gewählt. (Bild: Euronews)

Am Dienstag wählt Israel ein neues Parlament - und alle reden mit. Dabei brauchen die Israelis weniger Ratschläge von außen. Probleme haben sie genug.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Würde man die Kommentatoren aus aller Welt über Israels neue Regierung abstimmen lassen - die amtierende hätte keine Chance. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagt zu allem nein, das nur nach Ausgleich mit Palästinensern riecht. Außenminister Avigdor Lieberman gefällt sich in präfaschistoiden Gewaltphantasien und Wirtschaftsminister Naftali Bennett will vor allem den Siedlungsbau im besetzten Westjordanland vorantreiben. Doch stimmberechtigt sind wir alle eben nicht. Und das ist auch gut so.

Israel ist ein Land von der Größe Hessens. An jeder dritten Straßenecke kommt ein Auslandskorrespondent vorbei. Die Aufmerksamkeit, die Israel zuteil wird, kontrastriert mit der Größe und Bedeutung des Staates. Wer "Israel" googelt, landet sofort bei "Boykott". Natürlich ist die Politik des Landes, ist die Einstellung vieler seiner Bürger gegenüber Palästinensern zum Stirnrunzeln. Aber mit dem erhobenen Zeigefinger kommt man in dieser verfahren wirkenden Situation auch nicht weiter. Die Israelis können sich nur selbst helfen.

Probleme haben sie genug. Endlich sind zum Beispiel Sozialthemen in den Fokus des Wahlkampfs gerückt. Das Land braucht dringend Reformen, eine Stimulierung der Wirtschaft und bessere Mindeststandards bei Löhnen, Krankenversicherung und Arbeitslosenunterstützung. Denn das Leben verteuert sich in einem atemraubenden Tempo. Der Konflikt mit den Palästinensern hilft da nicht. Aber erst recht hilft es nicht, wenn der ständige Blick auf die Sicherheitslage die Sozialthemen verdrängt - so wie es Netanjahu versucht hat und nun die Quittung dafür erhalten könnte.

Egal, welche Regierung am Ende ins Amt kommt - schon jetzt zeichnet sich ab, dass sie den Nöten der Bevölkerung, die zunehmend verarmt, mehr Beachtung schenken wird.

Auch Nichtstun kann eine Menge bewirken

Und vielleicht würde sich auch der Konflikt zwischen Juden und Palästinensern von allein lösen - ohne Einmischung von außen. Derzeit sieht es nicht danach aus, dass es zu einem Ausgleich kommen könnte. Israelische Regierungspolitik, ob links oder rechts, verfolgte in den vergangenen Jahrzehnten stets die Strategie der "Fakten auf dem Boden": Während man sich nicht einigte, schuf Israel durch den Siedlungsausbau Fakten. Ein palästinensischer Staat, der sich auch so mit Recht nennen dürfte, rückt in die Ferne.

Doch diese israelische Politik des stillen Beharrens und der Bewegungslosigkeit könnte für ein ungewolltes Phänomen sorgen. Bald könnten Juden und Palästinenser in einem einzigen Staat aufwachen, nämlich wenn ein palästinensischer Staat unmöglich geworden sein sollte. Dann gäbe es keine demokratische Alternative mehr dazu, alle Menschen mit gleichen Rechten auszustatten. Die Checkpoints würden fallen, die Siedlungen könnten bleiben und zu wirklichen Magneten für die Entwicklung des Westjordanlands werden. Die Menschen wären dann aufeinander angewiesen, sie würden weniger auf Abstammung achten und mehr auf ein Miteinander statt des ewigen Gegen- oder Nebeneinander. Israel wäre dann weniger jüdisch. Aber immer noch genug, um für immer die Heimstatt für Juden in aller Welt zu sein. Das klingt naiv. Aber wer sagt, dass Lösungen immer kompliziert sein müssen?

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