Warum Schlagen nicht nur nichts bringt

 

Eine Ohrfeige für Kinder als Erziehungsmaßnahme? Das begrüßen noch immer Viele. Zeit für eine rote Karte.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Eine aktuelle Umfrage bringt es, mal wieder, an den Tag. Ein Drittel aller Befragten sagte gegenüber dem Fernsehsender RTL, sie würde in einer Ohrfeige eine geeignete Erziehungsmethode ansehen.

Wer kennt das nicht? Kinder können bis zur Weißglut nerven. Sie kennen oft keine Rücksicht, sind absolut selbstbezogen und testen raffiniert die Grenzen aus, die Eltern ihnen ziehen. Und zuweilen das alles zusammen in einer Wiederholungsschleife. Und dann sagte erst kürzlich der Papst, jener Fürsprecher der Ausgegrenzten und Verfolgten, dass er das Schlagen von Kindern für in Ordnung halte, solange sie ihre „Würde“ behielten. Dann kann man doch mal, oder?

Kann man nicht. Der Papst irrt. „Würdevolles Schlagen“ ist so etwas wie die Quadratur des Kreises: Die Würde geht als erstes flöten, wenn die Hand niedersaust. Und was sind die weiteren Folgen?

Kinder sind keine Zirkusnummern

Der Schläger erhält das Gefühl, es mal mal „gezeigt“ zu haben. Dabei hat man nur seine Macht ausgespielt. Doch Worte und Gewalt kann man nicht gegeneinander ausspielen. Denn Kinder lernen, sie tun das jeden Tag und jede Minute. Erhalten sie eine Ohrfeige, protokollieren sie: Ein Schlag ist ein Mittel zur Problemlösung. Und da irren dann Eltern und Kinder gemeinsam; Schläge lösen gar nichts an Problemen und Konflikten. Sie verschlimmern sie nur. Kein Kind lässt sich durch Gewalt auf ein „besseres“ Verhalten ein – was immer das auch sei. Denn Schläge verursachen nur Schmerzen, kein Verständnis. Tiere kann man mit Gewalt gefügig machen, damit Bären auf zwei Beinen tanzen oder Tiger durch brennende Reifen springen. Wer Kinder gefügig machen will, behandelt sie wie Zirkusnummern.

Dabei sollte nicht vergessen werden, dass sich in Deutschland einiges bessert. Erziehung wird von den Eltern verantwortungsvoller und bewusster wahrgenommen. Man bemüht sich mehr als noch vor zwanzig oder vierzig Jahren. Ja, wir werden immer sensibilisierter für Gewalt. Das sagen die Zahlen. Zwar sind sie immer noch erschreckend hoch – 4000 Fälle von Kindesmisshandlung kommen jährlich an die Öffentlichkeit. Medien und Medienkonsumenten stürzen sich auf einige wenige Fälle, auf Kevin aus Bremen oder Yagmur aus Hamburg. Doch jede Woche sterben in Deutschland drei Kinder unter den Schlägen ihrer Eltern. Die meisten ihrer Namen liest man in der Zeitung nicht. Allerdings zeigen die Zahlen auch, dass die Gewalt zurückgeht. Würde RTL in zehn Jahren die gleiche Umfrage in Deutschland starten, würden sicherlich weniger als ein Drittel Ohrfeigen als Erziehungsmethoden begrüßen.

Nicht nur Gewalt ist das Problem

Eine Ohrfeige ist und bleibt der verzweifelte Versuch, einen Schlussstrich unter einen Konflikt zu setzen. Wir sollten indes nicht den Blick auf bloße Gewalt verengen. Denn eine andere Entwicklung bereitet neue Sorgen: Die Vernachlässigung gegenüber Kindern steigt. Eltern sind zunehmend überfordert mit ihrer Erziehung. Zärtlichkeit und Nähe brauchen Kinder wie Luft zum Atmen – doch wird es für Eltern schwieriger dies zu geben; in diesen Zeiten, in denen der berufliche Druck steigt, die Zeit knapper bemessen wird, die Anforderungen wachsen. Das Leben ist wackliger als noch vor zwanzig, dreißig Jahren. Eltern reagieren gelähmt, mit Distanz. Und dann brauchen sie selbst jemanden, der ihnen aus solch einem Loch wieder herausholt. So wie Kinder immer einen brauchen.

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