Warum Thomas de Maizière jetzt nicht zurücktreten sollte

de Maizière musste zuletzt häufig in Deckung gehen. (Bild: dpa)
de Maizière musste zuletzt häufig in Deckung gehen. (Bild: dpa)

Von „Bild“ bis „Süddeutsche“ sind sich viele einig: Dieser Innenminister soll jetzt gehen. Doch die Gründe, die man dafür hört, erinnern nur an quartalsmäßiges Medienmeutenverhalten.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Herbstzeit ist Jagdzeit. So mancher Kommentator sitzt in diesen Tagen auf seinem Hochstuhl, es muss mal wieder jemand vor die Flinte. Thomas de Maizière eignet sich mit seiner hölzernen, zuweilen leierhaften Art dafür recht gut. Immer wieder vermuten ihn Journalisten in der vorzeitigen Rente – mal wird ihm das Drohnendesaster angelastet, dann der untätige Dreinblick der Bundesregierung bei der NSA-Spähaffäre. Doch bisher taucht de Maizière immer wieder auf.

Am Wochenende sah es mal wieder schlecht aus für den Bundesinnenminister, schließlich hatte er für eine miserable Außendarstellung der Großen Koalition gesorgt: Kaum hatten sich CDU, SPD und CSU auf einige gemeinsame Nenner in der Flüchtlingspolitik geeinigt, preschte de Maizière vor und meinte eine schwammige Formulierung im Kompromiss zum Flüchtlingsschutz ausweiden zu können; er kündigte an, dass syrische Flüchtlinge den Schutzstatus nach den Genfer Flüchtlingskonventionen verlieren sollten – und somit auch das Recht auf Familiennachzug. Das ist in der Sache schändlich und im Stil blöd: Schließlich hatte sich de Maizière mit niemandem abgesprochen, weder mit dem Kanzleramt noch mit der SPD. Nur aus der CSU kamen im Nachgang zustimmende Worte; aber von den Christsozialen sind konstruktive Beiträge zur Flüchtlingsbeiträge eh nicht zu vernehmen.

Ein Sündenbock muss her

Doch reicht dieser Missgriff, schnell von der Bundesregierung richtiggestellt, für einen Rücktritt?

Nein. De Maizière vermittelt zwar zuweilen den Eindruck, sich der neuen und wichtigen Flüchtlingspolitik nur widerwillig zu widmen, er ist ein Konservativer im Wortsinn und scheut Veränderungen. Aber weder zeigt er Inkompetenz, Amtsmüdigkeit noch fehlende Loyalität.

Dennoch versucht man ihn wund zu schreiben. „Wie lange kann sich de Maizière noch halten?“ fragt „Bild“ süffisant. „Dazu eine schwere Grippe, verschleppt, überarbeitet, Stress – und dann auch noch zum falschen Zeitpunkt nach Mallorca. Ein CDU-Grande: „Er war und ist schlicht überfordert: gesundheitlich, mental – und politisch ...“

So funktioniert Mobbing: Eine Grippe wird zum Fehler hochgedichtet, als wäre eine Krankheit ein Laster. Dann wird er als überfordert geschildert und schließlich das Kaninchen des Urlaubs aus dem Hut gezogen. Dass der Bundesinnenminister für ein paar Tage nach Mallorca abdüste, ist so normal wie der Sonnenuntergang am Abend. Nur Journalisten, die nicht ernst genommen werden wollen, schneidern aus Ferien für Politiker einen Vorwurf: Politik verkäme zum Symbolpopulismus, müssten Politiker ihren Urlaub abbrechen, um irgendwie und irgendwo „präsent“ zu wirken. Und die Pseudoentrüsteten von „Bild“ übersehen großzügig, wie der Arbeitstag eines Abgeordneten, Ministers, Landrats oder Bürgermeisters aussieht: knüppeldicker als der ihrige allemal.

Und wenn alles nichts hilft, zitiert man den großen Unbekannten aus dem Off, das Geraune eines, der sich auskennt, der aber nicht beim Namen genannt werden will; diese Zitierweise gehört einfach abgeschafft, es wird nur Schindluder damit betrieben.

Medien und Meute

Aber auch die „Süddeutsche“ übt sich in Hobbypsychologie. „Er will nicht, aber auch das Nichtwollen kann er nicht“, heißt es dort unter dem Titel „De Maizière will es nicht und kann es nicht“.

Es ist an der Zeit, den Minister zu kritisieren – in der Sache. Um den richtigen Kurs in der Flüchtlingspolitik, bei der es den großen Masterplan, die klare Strategie nicht geben kann, muss gestritten werden. Rücktrittsforderungen aber bringen jetzt nichts außer Symbolgeheul. Denn de Maizière ist nicht überfordert wie sein Vorgänger Hans-Peter Friedrich von der CSU. Und manche Redakteure sollten vom Hochsitz wieder herunterkommen.

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