Wer ist der coolste Terrorist?

Das Titelbild des al-Qaida-Magazins „Resurgence“.
Das Titelbild des al-Qaida-Magazins „Resurgence“.


Die Besserwisser schlagen zurück: Während die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ im Nahen Osten große Gebiete erobert, fühlt sich al-Qaida an den Rand gedrängt. Nun haben die Terrorpaten im PR-Krieg um die Fundiseele einen Coup gelandet und ein Webmagazin ins Netz gestellt: Was steht drin?


 
Eine Analyse von Jan Rübel
 
Wer wissen will, wie die geistigen Ziehsöhne von Osama bin Laden ticken, dem geben sie bereitwillig Auskunft: auf 117 Seiten einer schicken und jung gestalteten Zeitschrift. In einem klaren Layout, in seriösen Brauntönen gehalten, mit großflächigen Fotos. Mit hippen Infografiken wie bei „neon“ und Minitexten in Notizblock-Format. Keine Frage: Die Bomber vom 11. September 2001 wollen sich cool geben, irgendwie zurück gelehnt wie ein Sheriff, der im letzten Moment aufsteht und in den Saloon geht, um die Halunken zu verhaften.
 
Zugegeben, leicht lässt sich das Magazin „Resurgence“ (auf Deutsch: Wiederauferstehung“) nicht finden. Unter „theresurgence.com“ findet man zuerst ein christliches Portal mit jeder Menge Erweckungspredigten, dann unter „resurgence.org“ ein ökologisch-spirituell angehauchtes Webmagazin. Über Umwege und den Download mittels eines arabischen Anbieter erscheint dann das Cover vor 117 Seiten: der Rücken eines Mannes mit wellig-langen Haaren, über den Schultern eine Kalaschnikow.
 
Befreie deinen Geist!
 
Das ist der Slogan, der sich wie ein roter Faden durchs Heft zieht. Er erinnert an die Parole „Do the right thing“ – und darum geht es auch den Machern des al-Qaida-Magazins: Man solle auf der richtigen Seite stehen, seinem Leben wieder einen Sinn verleihen, rechtschaffen werden. Das klingt vernünftig, aber wie soll das praktisch gehen? Die Männer sehen sich wie Gralshüter des islamistischen Terrors, eben als das Original, an. Der „Islamische Staat“ wird derzeit mächtig, schafft Fakten. Bei al-Qaida dagegen sehen sie sich als die reinen an. Was steht also drin in der Terror-Gazette?
 
Herausgegeben wird das Blatt von der „Subkontinent“-Filiale al-Qaidas, damit sind Indien, Pakistan und Bangladesch gemeint – offenbar den neuen Arbeitsschwerpunkten der Terror-Organisation. Die Artikel sind laut Autorenzeile meist von Männern geschrieben, bevor sie im militärischen Kampf gegen irgendwen starben: in Afghanistan, in Syrien oder in Pakistan. Den 11. September 2001, als die Twin-Towers in New York durch al-Qaida zum Einsturz gebracht wurden, feiern die Autoren als „Wasserscheide“. Was dann kam, beschreiben sie so: „Der Westen kämpfte nicht gegen ein paar hundert bei Tora Bora (in Afghanistan), auch nicht gegen eine Milliarde Muslime, sondern gegen den Schöpfer selbst.“ Damit machen sie klar, dass sie den dicksten Joker überhaupt in ihrem Blatt sehen. Wer Gott auf seiner Seite hat...

„Als ich unter den Mudschahidin lebte, erlebte ich das Leben“, wird ein Mann in Resurgence zitiert.
„Als ich unter den Mudschahidin lebte, erlebte ich das Leben“, wird ein Mann in Resurgence zitiert.



Und so geht es weiter: Überall wird das angebliche Unrecht gegen Muslime auf der Welt angeprangert. Dabei mischen sich Übertreibungen mit realistischen Schilderungen von vielem, das tatsächlich schief läuft, wie etwa die zivilen Opfer von Drohnen-Angriffen in Afghanistan und Pakistan. Gepaart wird das mit Kapitalismus-Kritik: Dieser Materialismus sei in einer Endphase – so wie das einst Karl Marx über ihn schrieb. Natürlich wird auch die Demokratie an sich nicht verschont: „Das gute an der Demokratie ist, dass es das Schlimmste des Schlimmen bestärkt“, heißt es. Als Beweis müssen herhalten: George W. Bush, Nicolas Sarkozy und Ariel Sharon – alles Männer der Vergangenheit. Und schließlich das Totschlag-Argument: Auch Adolf Hitler sei demokratisch gewählt worden...
 
Was stellen sie dem gegenüber? Was ist denn besser? „Als ich unter den Mudschahidin lebte, erlebte ich das Leben“, schreibt einer. Diese Männer werden allesamt als ruhig, bescheiden und besonnen geschildert. Ayman al-Zawahiri, Chef von al-Qaida, schreibt in einem Essay über Osama bin Laden: „Er war sensitiv und warmherzig, er erzog seine Kinder warmherzig und zu Bescheidenheit.“ Man liest jede Seite dieses Magazins, doch die einzige Antwort, welche die Macher kennen, ist immer die gleiche: der Kampf. Dir geht es schlecht? Nimm eine Kalaschnikow. Du fühlst dich leer? Greif zu einer Handgranate. Und so werden die künftigen Angriffsziele propagiert: Das sind „westliche“ Symbole wie „Mc Donald’s“ oder „Walmart“, aber auch Öl- und Gaspipelines, internatonale Seehandelsrouten und vor allem US-Marinebasen rund um den Indischen Ozean.