Wikileaks-Enthüllungen: Warum das Regime in Saudi Arabien kein Freund sein kann

Königspalast in Riad (Bild: dpa)
Königspalast in Riad (Bild: dpa)

Fragt man die Bundesregierung, so ist die Regierung Saudi Arabiens ein Partner, gar ein Freund. Damit legen wir uns ins falsche Bett: Die neuesten Wikileaks-Entdeckungen entlarven, dass von der Diktatur in Riad nur Schlechtes zu erwarten ist.

Eine Analyse von Jan Rübel

Über 60.000 Depeschen und Noten aus dem saudischen Außenministerium wabern durchs Netz. Eingestellt von der Enthüllungsplattform „Wikileaks“, werden sie seit Ende Juni weltweit von Journalisten und Wissenschaftlern durchforstet. Was sie bisher gefunden haben, zeichnet ein nüchternes Bild. Es erzählt von Machtspielen, Scheckbuch-Diplomatie und einem Regime, das nur den Machterhalt kennt und kaum Inhalt.

Eigentlich sind es ja Depeschen von einem Freund. Das Auswärtige Amt bezeichnet die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Saudi Arabien auf seiner Website als „traditionell eng und im Allgemeinen spannungsfrei“. Fleißig listet es die Besuche deutscher Regierungsvertreter im Königreich auf – alles in bester Ordnung, so der Eindruck in Berlin. Doch das gelingt nur, wenn man nicht hinschaut.

Die „Saudileak“-Dokumente sprechen eine andere Sprache. Viel Kleinklein gibt es da. Mal werden 100.000 Dollar für eine „Werbekampagne“ ausgegeben, um einen Sitz im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zu ergattern. Hier wird einem klammen libanesischen Fernsehsender mit einer Millionenspritze geholfen, dort werden politische Rivalen von in den Augen Riads unnützlichen Politikern bedacht. 2012 überlegte das Regime gar, den damals in Ägypten regierenden Muslimbrüdern zehn Millionen Dollar anzubieten, sollten sie den gestürzten säkularen Diktator Mubarak aus dem Gefängnis entlassen. Werte: Fehlanzeige. Saudi Arabien ist ein Land mit viel Geld. Dieses setzt das Regime ein, ohne Skrupel, um einerseits vom eigenen Volk nicht gestürzt zu werden und andererseits seinen internationalen Einfluss auszubauen. Geld macht Freunde. Deutschland ist so ein Scheckbuchfreund. Die Saudileaks berichten von Zahlungen an Medien in Australien und Kanada, in Guinea und Indoneseien, über zahllose Abos von arabischen Zeitungen. So kauft man sich Stimmung.

Geht Sicherheit über Moral?

Nun ließe sich einwenden: Saudi Arabien besitzt Öl, was wir brauchen. Ohne die Saudis wird es keinen Frieden im Nahen Osten geben, sie sind in Bezug auf Israel gar benötigte moderate Stimmen. Und sie geben dem Westen ihr Ohr. Dennoch: All dies qualifiziert noch längst nicht zur Freundschaft. Denn dem steht entgegen: Das Regime verletzt brutal die Menschenrechte in seinen Grenzen. Demokratie ist erklärter Feind. Das Volk wird mit Petrodollars alimentiert, während ausgebeutete Gastarbeiter vor allem aus Fernost die Wirtschaft am Laufen halten. Die Saudis derweil zählen ihr Geld. Und investieren massiv in ihre Streitkräfte. Diese setzen sie ohne rasches Federlesen ein: Im Jemen bombardiert eine Allianz unter Führung Saudi Arabiens mal eben große Teile des Landes, weil die dort gerade an die Macht gekommenen Milizen schiitischer Natur sind; und weil das Regime in Saudi Arabien einer extremen Auslegung des sunnitischen Islams folgt.

Überhaupt ist Riad paranoid in Sachen Schiiten. Zwar war der Iran schon seit langem strategischer Gegenspieler in der Region. Noch in den Siebzigern des vorigen Jahrhunderts förderten die USA den Iran unter dem Schah und sahen in ihm die Zukunft des Mittleren Ostens. Mit dem Aufstieg der Mullahs dort wandten sie sich den Saudis zu. Das Wort „Iran“ taucht in 1400 der rund 60.000 Wikileaks-Dokumente auf. Vielerorts zündeln besonders die Saudis und bringen Sunniten gegen Schiiten in Stellung: Im Libanon, in Syrien und anderswo. Eine Botschaft des Friedens und des Ausgleichs haben die saudischen Machthaber nur als Lippenbekenntnisse parat, wenn sie ihre westlichen Freunde empfangen.

Ein Regime auf gefährlicher Mission

Überdies haben sie ihre strenge Ideologie, den Wahabismus, in manchen Teil der Welt exportiert. Damit lassen sie selbst ernannte Dschihadis kämpfen – in Tschetschenien, in Afghanistan und Pakistan etwa. Der Wahabismus ist der geistige Vater der Terrororganisationen „al-Qaida“ und „Islamischer Staat“ (IS). Seit der IS die syrische Stadt Raqqa eingenommen und zu seiner Hauptstadt erklärt hat, wurden für die Schulen die Lehrpläne geändert – und die saudischer Schulen übernommen.

Wollen wir solche Freunde haben? Es ist keine westliche Arroganz zu sagen: Solch ein Regime schafft nichts Gutes, im Gegenteil, es ist destruktiv. Nicht weil es arabisch wäre. Nicht weil es religiös wäre. Auch nicht, weil seine Einwohner stärker traditionell und stämmisch orientiert sind als anderswo. Es ist destruktiv, weil es den Menschen keine Entfaltung lässt und viele unterdrückt. So einfach ist das.

Wir sollten unsere Freundschaft zu diesen Monarchen überdenken und aufkündigen. Auf Geld verzichten. Unrecht laut ansprechen und auch praktische Konsequenzen daraus ziehen. Immer mit den Machthabern reden und die gleiche Augenhöhe suchen. Aber uns nicht gleich in deren Bett legen. Denn bisher hat das der Welt nicht geholfen.

Sehen Sie auch: Waffenbesitz in den USA - Grundrecht oder Brandherd?