Werbung

Wulff kämpft um seine Ehre

Wulff kämpft um seine Ehre

In Hannover hat der Prozess gegen den ehemaligen Bundespräsident begonnen. Christian Wulff spricht von einer "Farce".  Und sagt über die Ermittlungen gegen ihn: "Die persönlichen Schäden werden bleiben, vermutlich ein Leben lang."

Ein Bild hat er zu vermeiden gewusst: Der frühere Bundespräsident Christian Wulff setzt sich erst auf die Anklagebank, als die Kameraleute und Fotografen den Saal 127 des Landgerichts Hannover wieder verlassen haben. Selbst als die Richter der 2.Großen Strafkammer schon Platz genommen haben, bleibt er stehen. Das Foto des Altbundespräsidenten Wulff auf der Anklagebank gibt es nicht.

"Mein Name ist Rosenow", sagt der Vorsitzende Frank Rosenow zu Beginn der Hauptverhandlung. Dann sind die Angeklagten mit ihren Personalien an der Reihe. "Ich glaube, das können wir heute sehr kurz halten", sagt der Richter und lächelt. "Herr Wulff, der Vorname ist Christian, das weiß ich", sagt er. Eine Frage aber hat der Richter dann doch noch: "Im Moment noch verheiratet?" "Verheiratet", sagt Wulff. Ein Ehering ist an seiner Hand nicht zu sehen.

Lesen Sie auch: Wulff streitet Korruptionsvorwurf vehement ab

Wulff sieht nicht mehr so ausgezehrt aus wie in den vergangenen Monaten. Sein Teint istgebräunt, die Furchen, die zuletzt sein Gesicht durchliefen, haben sich geglättet. Der 54-Jährige trägt einen blauen Anzug, weißes Hemd, blaugestreifte Krawatte, keine Brille. An seinem Revers steckt das Bundesverdienstkreuz.

Niemals zuvor in Deutschland musste sich ein früheres Staatsoberhaupt als Angeklagter eines Strafprozesses vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft Wulff Vorteilsannahme, dem mitangeklagten Filmfinanzier David Groenewold Vorteilsgewährung vor. Es geht um rund 750 Euro. Groenewold soll für Christian und Bettina Wulff während eines Oktoberwochenendes in München 2008 einen Teil der Zimmerkosten übernommen haben. Auch für die Kinderbetreuung, ein Abendessen und einen Festzeltbesuch mit weiteren Personen soll er aufgekommen sein. Laut Anklage habe sich Wulff als damaliger Ministerpräsident daraufhin beim früheren Siemens-Chef Peter Löscher für Groenewolds Film "John Rabe" eingesetzt.

Oberstaatsanwalt Clemens Eimterbäumer braucht nur wenige Minuten zur Verlesung der Anklage. Der 43-Jährige gilt als der Mann, der den Bundespräsidenten zu Fall brachte. Wulff ist im Februar 2012 vom Amt des Bundespräsidenten zurückgetreten, einen Tag, nachdem Eimterbäumer die Aufhebung seiner Immunität beantragt hatte. Wulff guckt seinem Ankläger direkt ins Gesicht, als dieser den Münchenbesuch so ganz anders darstellt, als Wulff es kurz darauf selbst tut.

Fast eine Stunde lang nimmt Wulff zu den Vorwürfen Stellung, weist sie alle als unzutreffend zurück. Er steht auf, spricht ruhig. In seinen Händen hält er einen Stapel Zettel, auf denen er seine wichtigsten Sätze notiert hat. Die Anklage nennt er eine "Farce". Er habe sich nach einer Chinareise aus eigenem Antrieb für den Film eingesetzt. In China sei er immer wieder auf John Rabe angesprochen worden. Mit seinem Freund David habe sein Schreiben an Löscher nichts zu tun gehabt. Auch habe Wulff erst Anfang 2012 erfahren, dass Groenewold ein Teil der Kosten des Münchenaufenthalts übernommen hatte. Wulff habe ihm die Differenz umgehend überwiesen.

Lesen Sie auch:
Wulff erwartet Freispruch in Korruptionsprozess

"Politiker haben auch ein Recht auf Freunde", sagt er. Und: "David Groenewold ist mein Freund." Beide Männer erzählen von Wulffs Hochzeit und der Geburt des Sohnes. Freund David habe an der Hochzeitstafel gleich neben Wulffs Tochter gesessen und schon wenige Stunden nach der Geburt des Kindes an Bettina Wulffs Bett gestanden. "Das ist Freundschaft", sagt Wulff.

"Ich habe mir niemals vorstellen können, dass ich einmal ein Problem mit einer mir vorgeworfenen Oktoberfest-Sause bekäme", sagt er. Er, der eher als "Spaßbremse"und "Aktenfresser" bekannt sei, der an Hotelbars schon mal ein Glas Milch bestellt und Bananensaft trinkt, wenn er mal so richtig einen drauf machen wolle, wie er selbst sagt. "Die Tatsache, dass ich kein Alkohol trinke, ist weitläufig bekannt."

Wulff wirkt gefasst und kämpferisch, staatsmännisch und verbindlich. Je länger er vor Gericht spricht, umso mehr findet er zu der Form zurück, die vor langer Zeit einmal die Mehrheit der Bürger für ihn einnahm. Wulff galt einmal als einer der beliebtesten Politiker des Landes. Es ist lange her. Ausgerechnet an diesem Tag erinnert man sich plötzlich daran.

"Ohne was zu bezahlen"

Als Wulff berichtet, dass auch Groenwold mal bei ihm und seiner Frau im Haus übernachtet hat, und lakonisch anfügt: "Ohne was zu bezahlen", lachen einige im Saal. Wulff scheint für einen Moment verdutzt. Als Wulff aus dem Amt verabschiedet wurde, drückten Bürger ihren Unmut durch ohrenbetäubendes Vuvuzela-Getröte aus. An diesem Tag aber lachen die Menschen Wulff nicht aus. Sie lachen mit ihm.

"Ich bin persönlich betroffen wegen der grenzüberschreitenden Ermittlungen, der grenzenlosen Durchleuchtung meines Lebens, wegen des Verlustes jeglicher Privatsphäre", sagt Wulff am Ende. "Die persönlichen Schäden werden bleiben, vermutlich ein Leben lang."

Das Gericht hat bereits Termine bis April anberaumt. Richter Rosenow deutet an, dass auch noch bis Mai verhandelt werden könnte. Am nächsten Donnerstag geht es weiter.