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Die Bild-Zeitung hat recht, aber...

Die Bild-Zeitung setzt sich mit einem neuen Button gegen Judenhass ein.
Die Bild-Zeitung setzt sich mit einem neuen Button gegen Judenhass ein.


Das Boulevardblatt tritt eine Kampagne gegen Judenhass los. Eine klasse Aktion. Wir hätten dennoch ein paar Fragen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Die „Bild“-Zeitung kennt sich aus mit Kampagnen, das gehört zu ihrem Markenzeichen. Manchmal fragt man sich, ob das noch Journalismus ist. Diesmal aber setzt die Redaktion einen Impuls, der einfach nur grundgut und notwendig für unser Land ist: Sie wirbt für einen Button mit der Aufschrift: „Stimme erheben, nie wieder Judenhass“.

Dieser Slogan gehört auf unsere Straßen! Damit beweist „Bild“, dass die Zeitung hinschauen kann. Denn jeder, der die Augen weit aufreißt, erkennt: Antisemitismus in Deutschland ist so lebendig wie der sprichwörtliche Fisch im Wasser. Er war nie weg. Und er wird nicht weniger. Deshalb wünsche ich mir, dass der Button im Netz und auf der Straße sichtbar wird.

Kritik an israelischer Politik fällt Springer schwer

Insgesamt sieben Jahre habe ich beim Springer-Verlag gearbeitet. In meinen Arbeitsverträgen gab es stets unter „§ 2 Grundsätzliche Haltung der Zeitung“ die Verpflichtung „das Herbeiführen einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen; hierzu gehört auch die Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes“ – ein Passus, den ich mit Stolz unterschrieben habe; gleichwohl man den Gegensatz zwischen „Juden“ und „Deutschen“ mit einem Fragezeichen versetzen sollte: Waren so viele Juden der Shoa doch auch Deutsche. Und zum israelischen Volk gehören natürlich auch jene 20 Prozent Palästinenser, die keine Juden sind, aber den israelischen Pass besitzen.

Doch gerade weil ich beim Springer-Verlag gearbeitet habe, weiß ich, wie oft der Verlag irrt, wenn es um Israel geht. „Müssen wir deshalb alles gut finden, was die israelische Politik tut? Müssen wir zu Israels Vorgehen schweigen?“, schreibt „Bild“-Chefredakteur Kai Dieckmann in seinem Leitartikel heute. „Nein, müssen wir natürlich nicht.“

Leider tun es die Medien dieses Verlags. Wahre Freunde kritisieren sich. Und was die Politik in Israel in diesen Tagen macht, lässt weinen. Bloß liest man darüber nichts bei Springer.

„Von wenigen Stimmen der Vernunft abgesehen, präsentiert sich ein wahrnehmbarer Teil der arabischen und auch türkischen Minderheit als von tiefem Israel- und Judenhass getriebene Empörungsgemeinschaft“, schreibt Ulf Poschardt, stellvertretender Chefredakteur der „Welt am Sonntag“. Das Gegenteil davon ist richtig. Die überwältigende Mehrheit der Araber und Türken haben keinen Hass. Sie schauen nur besser hin und sehen, wer in diesem Konflikt in Gaza Goliath ist und wer David. Sie sehen, wer blind Raketen schießt und damit Angst und Schrecken auslöst – und sie sehen, wer systematisch Wohnhäuser, Schulen und andere öffentliche Einrichtungen zerstört, wer ein dicht besiedeltes Gebiet in Schutt und Asche legt. Was von beiden ist folgenreicher für die Menschen? Was ist schlimmer? Natürlich ist schlimmer, was Israel in diesen Tagen vollzieht – und das muss von Freunden gesagt werden. Das Existenzrecht des jüdischen Staates ist in diesen Tagen nicht gefährdet, zum Glück. Das eines palästinensischen schon. Und wie viele palästinensische Zivilisten starben bisher seit den Waffengängen, und wie viele jüdische? Die Zahlen sprechen für sich.

Die Falken auf beiden Seiten sind schuld an den Toten

Natürlich trägt die radikalislamische Hamas eine große Verantwortung für diesen Konflikt. Raketen abschießen – das geht gar nicht. Aber die israelische Politik zeigt nur ein Interesse: Genauso wie die Hamas will sie keine Lösung für Juden und Palästinenser, keine Versöhnung. Kaltschnäuzig hat sie die von der internationalen Welt verlangte Aussöhnung zwischen Fatah und Hamas hintertrieben, den Kriminalfall der Entführung und Ermordung dreier Religionsschüler in der Westbank zur nationalen Krise hochgejazzt. Über den Rachemord von Juden an einem palästinensischen Teenager schweigt sie hingegen umso besser. Bis heute hat das Kabinett von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu keine Beweise vorgelegt, dass die Hamas hinter der Entführung in der Westbank stand.

In diesen Tagen geht es mal wieder darum, wie 2006, 2008/2009 und 2012, Gaza zu mähen. Die militärische Infrastruktur platt zu machen. Dass die Menschen darunter leiden – egal. Auch schaut die internationale Gemeinschaft tatenlos zu, wie die Menschen selbst nach dem Abzug Israels 2005 sich nicht frei bewegen können. Israel kontrolliert die Grenzen, macht aus Gaza ein Gefängnis. Eigentlich besteht die Besatzung noch immer.

Doch darüber hört man kein Wort. Aber ein wahrer Friedensplan würde an dieser Stelle ansetzen. Er würde voraussetzen, dass Juden Palästinenser auf Augenhöhe anschauen und sie mit Respekt behandeln. Nicht von oben herab. Das tun die meisten leider nicht. Und das sollte mal gesagt werden, unter Freunden.

Kai Dieckmann schreibt am Ende seines Leitartikels: Wer Israel Ratschläge geben möchte, „der möge friedlich demonstrieren, z. B. vor der israelischen Botschaft – nicht aber vor einer Synagoge! Wer dies doch tut, der ist ein blanker Antisemit.“ Recht hat er.

Anmerkung d. Red: In einer früheren Fassung dieses Kommentars wurden Zitate des Berliner Sprachwissenschaftlers Anatol Stefanowitsch veröffentlicht. Wir haben diese wieder entfernt. Wir hatten sie zwar korrekt von "Welt-Online" zitiert. Nur hatte Stefanowitsch die zitierten Äußerungen so nicht getätigt und dies auch der Redaktion der "Welt"-Gruppe gegenüber klargestellt.