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Virtuelle Kummerkästen: „Flüster-Apps“ sind voll im Trend

Party-Fotos, coole Freunde, gute Laune: In den gängigen sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter geht es vor allem um Selbstinszenierung. Ernstere Themen oder düstere Geheimnisse finden hier wenig Anklang. Kein Wunder eigentlich, dass die neuen „Flüster-Apps“ so gut ankommen. Dabei handelt es sich um Apps, die virtuelle und anonyme Beichten, aber auch geheimen Klatsch und Tratsch ermöglichen.



Früher waren anonyme Chatrooms ein weit verbreitetes Internetphänomen, doch heute ist in sozialen Netzwerken der letzte Rest Anonymität verschwunden. Je mehr Online- und Offline-Identität miteinander verschmelzen, desto schwerer fällt es den Nutzern jedoch, Negatives von sich preiszugeben. Alles eitel Sonnenschein auf dem Facebook-Profil, zu hoch ist das Risiko unangenehmer Reaktionen aus dem Bekanntenkreis. Hinzu kommt die Angst vor Datendiebstahl und Überwachung, verstärkt durch den NSA-Skandal. Amerikanische Start-Ups reagieren auf die aktuelle Stimmung mit sogenannten „Flüster-Apps“ – virtuellen Kummerkästen, dank derer sich die Nutzer anonym und hemmungslos Geheimnisse von der Seele schreiben können. Die drei bekanntesten Apps: Secret, Whisper und Confide.

Secret
Die App Secret startete ihren Siegeszug im Silicon Valley – und zwar mit Klatsch und Tratsch über neue Unternehmensgründungen. Ziel der beiden Initiatoren Chrys Bader und David Byttow ist es jedoch, das Leben aller Menschen zu erleichtern. „Wir haben Secret entwickelt, damit Menschen wieder ehrlich zu sich selbst sein können“, erklären sie auf der ebenfalls von ihnen gegründeten Blogging-Plattform „Medium“. Zur Anmeldung braucht ein Nutzer seine Mobilfunknummer, seine E-Mail-Adresse oder beides. Zwar erfasst die App die gespeicherten Kontakte, es werden jedoch keine Nutzernamen oder Profilbilder angelegt. So können Sorgen und Ängste anonym geteilt werden. Nutzer erfahren, wenn ein Freund etwas postet — sie wissen nur nicht, welcher Freund das war. Es können Herzen verteilt werden. Je populärer eine virtuelle Beichte ist, desto mehr fremde Nutzer bekommen sie zu sehen.

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Whisper
2012 gestartet, ist Whisper vor allem bei 20- bis 30-Jährigen beliebt – so beliebt, dass die Firma nun eine Partnerschaft mit dem Medienportal „Buzzfeed“ einging. Die App ist noch diskreter als Secret: Nutzer wissen überhaupt nicht, ob und wie sie zum Geheimnisträger in Beziehung stehen. Die Profile bestehen aus einem frei wählbarem Spitznamen und einem PIN-Code. Es ist möglich, Favoriten zu liken, mit Bildern zu kommentieren und dem Verfasser eine persönliche Nachricht zu schreiben. Es ist verboten, Privatnamen zu nennen – es sei denn, sie gehören Personen des öffentlichen Lebens. Rund 120 Personen kontrollieren bei Whisper die Botschaften in Echtzeit.

Confide
Ähnlich wie Secret setzt die App Confide, seit Januar zu haben, auf Büro-Gossip – damit Lästerbotschaften nie mehr auf dem Bildschirm der falschen Person landen. Sie bietet die Möglichkeiten, verschlüsselte Nachrichten zu versenden. Einzige Voraussetzung ist die Anmeldung mit einer verifizierten E-Mail-Adresse. Die verschickten Nachrichten können nur ein einziges Mal gelesen werden und löschen sich danach selbst. Zusätzlich verpasst die App den Textbotschaften einen Balken: Mit einem Fingerwisch kann er entfernt werden – rückt der Daumen beim Lesen weiter, verschwinden die ersten Wörter wieder. Top Secret sozusagen. So soll vermieden werden, dass der Nebenmann in der U-Bahn mitlesen kann.

Kritikpunkte
Kritiker der neuen „Flüster-Apps“ warnen vor Cyber-Mobbing. Zwar ist das Verwenden von Namen streng verboten und führt zur Sperrung des jeweiligen Nutzerkontos. Doch bis die Administratoren den Regelverstoß bemerkt haben, vergeht einige Zeit. Professor Steve Jones von der University of Illinois in Chicago  bezweifelt zudem einen langfristigen Erfolg des Geschäftsmodells, wie er dem Schweizer Nachrichtenportal „20 Minuten Online“ sagte. Sein Argument: Wer online poste, wolle damit in Verbindung gebracht werden, Kommentare und Anerkennung erhalten. So wie wir das eben längst von Facebook und Twitter gewohnt sind.