Bluttat in Oberhausen - Ukrainische Sportler erstochen - Prozess gegen Jugend-Gang wirft brisante Fragen auf

Schwarz-Weiß-Foto von Volodymyr Yermakov mit Ukraine-Flagge um die Schultern. Der junge Mann starb nach einer brutalen Attacke in Oberhausen im Februar.<span class="copyright">Instagram / ART Giants Düsseldorf</span>
Schwarz-Weiß-Foto von Volodymyr Yermakov mit Ukraine-Flagge um die Schultern. Der junge Mann starb nach einer brutalen Attacke in Oberhausen im Februar.Instagram / ART Giants Düsseldorf

Der Tod von zwei jungen ukrainischen Basketball-Talenten in NRW schockierte im Februar Deutschland. Jetzt beginnt in Essen der Prozess gegen die mutmaßlichen Täter. Deren Vorstrafen-Register macht fassungslos, das Verhalten der Behörden wirft brisante Fragen auf.

Ihre Herkunft aus der Ukraine scheint ihr Todesurteil gewesen zu sein. Die jungen Basketballer Volodymyr Yermakov (17) und Artem Kozachenko (18) hatten in Deutschland auf ein neues Leben in Sicherheit gehofft; und auf eine sportliche Karriere, die sich bereits beim Düsseldorfer Klub Art Giants anbahnte.

Am 10. Februar aber löschten vier Jugendliche vor dem Hauptbahnhof Oberhausen das Leben der beiden hoffnungsvollen Basketballtalente aus. Das Mordkomplott, so die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage, sollen die Angreifer bereits im Bus auf dem Weg zum Bahnhof ausgeheckt haben. Die beiden Ukrainer wollten nach dem Shopping zurück nach Düsseldorf.

Attacke auf Ukrainer in Oberhausen: Zwei mutmaßliche Haupttäter und zwei junge Syrer auf Anklagebank

Im Bus begegneten sie den Angeklagten. Die Gruppe um den deutsch-türkischen Intensivtäter Mert V. erkundigte sich bei den Basketballern nach ihrer Herkunft. Als klar war, dass Yermakov und Kozachenko aus der Ukraine stammten, schien ihr Schicksal besiegelt.

Kaum am Hauptbahnhof angelangt, soll die Vierer-Bande ihre Opfer überfallen haben. Zwei Jugendliche schlugen auf die Basketballer ein. Dabei wurde laut Anklage auch ein Schlagstock eingesetzt. Mert V. und ein deutsch-griechischer Komplize sollen ihre Messer gezückt und immer wieder auf die jungen Ukrainer eingestochen haben. Letztere erlitten tödliche Stichverletzungen in Bauch und Brust.

Am Montagmittag beginnt der Prozess gegen die mutmaßlichen Täter vor dem Schwurgericht in Essen. Angesichts des jugendlichen Alters der Angeklagten, bleibt die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Neben den mutmaßlichen Messerstechern auf der Anklagebank werden zwei junge Syrer Platz nehmen, der eine ist 14 Jahre alt, der andere 15.

Die brutale Attacke hatte im Februar für Entsetzen gesorgt. Zumal die kriminelle Biografie der beiden mutmaßlichen Hauptakteure Fragen aufwirft. Beide waren Polizei und Jugendämtern längst bekannt: Laut Staatsanwaltschaft hatten sie vor der Bluttat in Oberhausen mehrfachen Raub sowie Körperverletzungen, Sexualdelikte und Diebstahl begangen.

Mert V.: Raub, Diebstahl, Drogen und dennoch nur eine Jugendstrafe

FOCUS online liegen die Informationen zu den kriminalpolizeilichen Einträgen der vier inhaftierten Tatverdächtigen vor. Wie aus Ermittlerkreisen zu erfahren war, gehen auf das Konto von Mert V. zehn Raubüberfälle, zwei Diebstähle, zwei Drogendelikte und ein Fall von sexueller Belästigung. All diese Taten geschahen, nachdem er mit 14 strafmündig geworden war.

Bisher aber wurde der mutmaßliche zweifache Mörder nur einmal zu einer Jugendstrafe mit 100 Arbeitsstunden und wenigen Wochen Jugendarrest verurteilt. Das Urteil war zum Zeitpunkt der tödlichen Attacke auf die ukrainischen Nachwuchsspieler noch nicht rechtskräftig.

Bei seinem 14-jährigen syrischen Komplizen stehen 13 Raubstraftaten, zwei Diebstähle, drei Fälle sexueller Belästigung sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte auf der Liste.

Ein weiterer syrischer Beschuldigter weist neun Raubtaten und zwei einfache Körperverletzungen auf. Beim 15-jährigen Deutsch-Griechen Ilias G. sind vier Raubüberfälle und zwei gefährliche Körperverletzungen vor der tödlichen Messerattacke aktenkundig.

Urteil im November erwartet, viele Fragen dürften offen bleiben

Bereits zuvor hatte die Polizei die vier Angeklagten als Intensivtäter eingestuft. Zwei von ihnen hatten die Strafverfolger angeboten, am NRW-Präventivprogramm „Kurve kriegen“ teilzunehmen. Dabei handelt es sich um ein Projekt für Mehrfachtäter im Kinder- und Jugendalter. Doch die beiden Kandidaten lehnten ab. Die Mitarbeit in dem Programm ist freiwillig.

Der Mordprozess muss nicht nur die jeweilige Tatbeteiligung der vier mutmaßlichen Angreifer klären, sondern auch die Motivlage. Die brutalen Attacken auf die beiden Ukrainer deuten auf einen unbändigen Hass, eine niedrige Hemmschwelle und einen Hang zur Gewalt hin.

Woher aber rührt dieser Hass? Die Hauptverhandlung wird auch weitere Straftaten beleuchten, die auf das Konto der Angeklagten gehen sollen. Im Ermittlungsverfahren stand der Verdacht im Raum, dass Mert V. & Co. sich gezielt Opfer aussuchten, um sie auszurauben.

Die Öffentlichkeit wird nur rudimentär erfahren, was sich hinter den verschlossenen Türen im Gerichtssaal abspielt. Folglich werden auch nach einem Urteilsspruch, der für November geplant ist, viele Fragen zur Tat offenbleiben. So etwa auch der Punkt, wie die Jugendbehörden mit den kriminellen Jugendlichen vor dem zweifachen Mord verfahren sind.